"Ich bin ein Corona-Realist" Der Wendler rudert (etwas) zurück
03.11.2020, 13:23 Uhr
Gelungene Schadensbegrenzung? Michael Wendler.
(Foto: imago/Eibner)
Einen ungünstigeren Zeitpunkt als den Tag der US-Wahl hätte sich Michael Wendler dafür kaum aussuchen können. Aber sei's drum. In einer langen Videobotschaft nimmt der Sänger seine Tirade auf die Corona-Maßnahmen, die Medien und Deutschland an sich zurück. Ein bisschen zumindest.
Sind es die - oh Wunder - plötzlich weggebrochenen Einnahmen aus gekündigten Werbedeals und TV-Auftritten? Ist es die Sorge um seine blutjunge Frau Laura? Oder ist Michael Wendler dann doch zur Vernunft gekommen? Jedenfalls hat der 48-Jährige seine Ankündigung wahr gemacht, sich nach wochenlanger Funkstille am heutigen 3. November zurückzumelden.
Ja, Wendler hat tatsächlich ausgerechnet den Tag der US-Wahl gewählt, um sich nach seinem öffentlichen Outing als Aluhut-Träger vor knapp vier Wochen noch einmal zu erklären. Das heißt ... halt ... nein, er ist ja gar kein Aluhut-Träger, wie er nun beteuert und versichert. Aber der Reihe nach.
Beendet Trump-Erklärung die Pandemie?
Jeder Marketing-Experte hätte Wendler mit Blick auf die öffentliche Aufmerksamkeit sicher ein anderes Datum für sein neuerliches Statement empfohlen. Doch der bekennende Donald-Trump-Anhänger hielt vermutlich just den Termin der US-Wahlentscheidung für exakt passend, um sich in einem knapp zwölf Minuten langen Video wieder an seine Fans und alle, die es sonst noch interessiert, zu wenden.
Schließlich nutzt Wendler den Clip zunächst auch dafür, auf das bevorstehende politische Großereignis in seiner Wahlheimat einzugehen und dabei die Werbetrommel für den Amtsinhaber zu rühren.
"Besonders Joe Biden musste in den letzten Tagen einiges Negatives in der Presse über sich lesen. Es geht um Korruption in der Biden-Familie und sogar um Kindesmissbrauch. Also wirklich harte Kost. Und ich denke, dass das mit Sicherheit sich auch im Wahlergebnis widerspiegeln wird", ist sich Wendler unmittelbar vor der Wahl sicher. Und er weiß Erstaunliches aus den USA zu berichten: "Hier in Amerika gibt es auf jeden Fall eine wahnsinns-euphorische Stimmung, eine Aufbruchsstimmung sondergleichen, die Donald Trump zu verdanken ist, der in vielen seinen Reden angekündigt hat, die Pandemie nach seinem Wahlsieg für beendet zu erklären."
Wirklich absurd
Wendler hat sein neues Video unter anderem in den sozialen Netzwerken Instagram und Facebook hochgeladen. Genau den Netzwerken also, denen er Anfang Oktober noch nachgesagt hatte, "zensiert" zu sein. Darauf geht der Sänger nun jedoch nicht noch einmal ein. Stattdessen knöpft er sich erst einmal die Berichterstattung über ihn in den vergangenen Wochen vor.

Zu denen, die Wendler zuletzt applaudierten, gehört auch Attila Hildmann.
(Foto: imago images/Christian Spicker)
"Es ist wirklich absurd, was ich teilweise in den deutschen Medien über mich lesen muss. Es wird darüber berichtet, dass ich ein Corona-Leugner sei, ein Verschwörungstheoretiker, ein Aluhut-Träger", echauffiert sich Wendler. "Das alles trifft nicht zu. Ich bin überhaupt gar kein Verschwörungstheoretiker oder Corona-Leugner. Nein, ich kann euch hier und jetzt sagen: Das Coronavirus gibt es. Es gibt es auch schon viele, viele Jahre. Es hat uns die ganze Zeit über begleitet", offenbart er scheinbare Qualitäten als Virus-Experte.
Man könne ihn "auf jeden Fall einen Corona-Realisten nennen oder auch einen Pandemie-Maßnahmen-Skeptiker", ordnet sich Wendler selbst ein. Vor Kurzem hatte er unter anderem noch von "gleichgeschalteten" und "politisch gesteuerten" Medien gesprochen und war dafür nicht zuletzt von den Verschwörungsgläubigen Attila Hildmann und Xavier Naidoo gefeiert worden.
"Wie Hunde auf die Straße"
An seiner grundsätzlichen Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung, der er "schwere Verstöße gegen die Verfassung und das Grundgesetz" vorgeworfen hatte, hält Wendler fest. Und natürlich beklagt er sich in diesem Zusammenhang auch über den angeblichen Mangel an Meinungsfreiheit, weil viele seiner Kritik widersprechen. "Jeder von uns sollte das Recht haben, das zu tun, ohne dafür in irgendeiner Weise belangt oder bestraft zu werden. Das gehört sich einfach nicht", stilisiert sich Wendler zum Opfer.

Der Lockdown im Frühjahr spielte ihm und Laura Müller offenbar übel mit.
(Foto: imago images/Revierfoto)
Ohnehin scheint das Opfer-Gefühl ein entscheidender Impuls für Wendlers Haltung in der Corona-Krise zu sein. So begründet er seinen Ausstieg als Juror bei "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) etwa mit seiner - nun bestätigten - Sorge vor einem erneuten Lockdown in Deutschland. Schließlich habe er die Folgen dieser Maßnahme schon am eigenen Leib zu spüren bekommen, als er seine Frau Laura Müller bei ihrer "Let's Dance"-Teilnahme im Frühjahr unterstützte.
Weil die Hotels wegen des Lockdowns hätten schließen müssen, seien er und Müller "wie Hunde auf die Straße geschmissen" worden, erinnert sich Wendler. "Dieses Ereignis hat mich so tief - wie soll ich sagen - zerstört", erklärt er und verweist darauf, dass er ja keinen Wohnsitz mehr in Deutschland habe. "Ich stand auf einmal da und musste bei einem Freund unterkommen", schildert Wendler sein schweres Schicksal.
"Mir ist das eigentlich egal"
Vor allem jedoch treibt ihn das Schicksal seiner Frau um, seit er sich als "Corona-Realist" nach vorne gewagt habe. "Sie hat tatsächlich nahezu alle ihre Firmen verloren. Denn sie ist ja praktisch selbstständig als Influencerin. Und die Firmen von ihr haben sich nahezu alle distanziert. Das kann ich wirklich überhaupt nicht verstehen", sagt Wendler.
"Laura ist ein eigenständiger Mensch", stellt der Sänger klar. Sie sei "völlig unpolitisch", habe an sich gar keine Meinung zu den Corona-Maßnahmen und halte sich dennoch an sie. "Mir ist das eigentlich egal", laute ihr Credo. Dennoch werde sie für seine Äußerungen nun gleichermaßen mit verhaftet. "Wenn der Ehemann eine Bank ausraubt, muss doch die Ehefrau nicht auch in den Knast", wählt Wendler als Vergleich, offenbar in der Erwartung, dass eine Ehefrau, der der Bankraub ihres Mannes "egal" ist, auch in kein schiefes Licht gerät.
Entschuldigung bei RTL
Schließlich greift Wendler noch ein "weiteres wichtiges Thema" auf. "Ich habe mich geäußert zu den Medien. Und habe Gleichschaltung vorgeworfen. Ich muss das ein bisschen revidieren", räumt er ein. "Es gab auch kritische Berichte zur Pandemie und zu den Corona-Maßnahmen, auch in ARD, ZDF und WDR. Und ich muss mich bei RTL hier an dieser Stelle entschuldigen. Ich habe da wahrscheinlich RTL ziemlich Unrecht getan, indem ich dann auch RTL mit in dieses Boot gezogen habe", gibt er sich das einzige Mal in seinem Zwölf-Minuten-Clip wirklich reumütig.
RTL habe sich als einziger Sender darum bemüht, mit ihm ein Interview darüber zu führen, "warum ich so denke, wie ich denke". Dass er das abgelehnt habe, sei "ein großer Fehler" gewesen. "Das tut mir leid an dieser Stelle und ich entschuldige mich in aller Form bei RTL. Ich möchte das auf jeden Fall zurücknehmen. Die Gleichschaltung, das war der falsche Ausdruck", vollzieht der Musiker eine Kehrtwende, um kurz darauf allerdings abermals gegen die Medien auszuteilen.
"Das, was in der Presse steht, stimmt nicht immer. Ich komme natürlich zurück nach Deutschland. Ich bin auch nicht auf der Flucht", kontert er Berichte, er wolle sein künftiges Seelenheil ausschließlich in den USA suchen. Er werde weiter Musik machen und - "so Gott will" - auch wieder für Konzerte nach Deutschland zurückkehren. "Es ist ja schlimm genug, dass ich mich als Schlagersänger um Pandemie-Maßnahmen kümmern muss", erklärt Wendler schlussendlich - und hinterlässt das nächste Fragezeichen: "Ach ja, echt jetzt? Muss er das?"
Quelle: ntv.de