"Möge der König ewig leben" Die Krönung fällt ins Wasser
06.05.2023, 20:04 Uhr Artikel anhören
Dem Königspaar konnte der Regen in seiner Kutsche natürlich nichts anhaben.
(Foto: picture alliance/dpa/Pool Reuters)
Es ist eine ziemlich feuchte und vielleicht deshalb nicht ganz so fröhliche Veranstaltung. Doch sei's drum: Charles III. ist gekrönt, die Briten haben nun auch einen ominös gesalbten König. Und eine Königin Camilla, auch wenn ihre Rolle bei der Sause eher klein ausfällt. Aber wenigstens größer als die von Harry.
Zu sagen, Charles habe seinen persönlichen Helene-Fischer-Moment erlebt, wäre wohl etwas übertrieben. Die Fans der Schlager-Queen wurden bei Fischers Münchner Konzert im vergangenen Jahr dann doch noch ein bisschen nasser als die Zaungäste während der Krönung des Monarchen. Kaiserwetter allerdings hatte der britische König an seinem großen Tag den Untertanen auch nicht gerade mitgebracht.
Dabei hatte eigentlich alles noch gut und relativ trocken begonnen. Wer die feierliche Prozession auf der Prachtstraße "The Mall" und die Zeremonie beim Public Viewing auf einer der Videoleinwände in den Parks rund um den Buckingham-Palast mit eigenen Augen miterleben wollte, musste noch nicht einmal Schlange stehen. Jedenfalls dann nicht, wenn er oder sie sich pünktlich um 6 Uhr morgens einfand, als die Tore für die Schaulustigen geöffnet wurden. Kein Vergleich etwa zu den Zuständen nach dem Tod von Elizabeth II., als manche tagelang geduldig in Reih und Glied darauf gewartet hatten, sich persönlich von der aufgebahrten Queen zu verabschieden.
Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass den Briten ihre Monarchie tatsächlich zusehends schnurz ist, wie eine Umfrage vor Kurzem nahelegte. Vielleicht aber auch nur dem Umstand geschuldet, dass die Parkflächen in Palast-Nähe dann doch sehr weitläufig sind und mit Sicherheit mehreren Zehntausend Menschen Platz boten. Oder aber eventuell auch schlicht nur eine Folge der Wettervorhersage. Denn nahezu pünktlich, als König Charles und seine Gemahlin Camilla um 10.20 Uhr Ortszeit zu ihrer ersten Kutschfahrt mit Ziel Westminster Abbey aufbrachen, setzte es ein, das berühmt-berüchtigte Londoner Mistwetter.
Kutsche mit Air Condition
Was man in der Zeit von 6 bis 10.20 Uhr so machte, während man darauf wartete, dass es endlich losgehen möge? Nun, jetzt durfte man endlich in der Schlange stehen (wofür die Briten, so sagt man, ein gewisses Faible haben sollen) - für einen Kaffee, einen Burger oder ein Eis an den diversen Essensständen, die wie bei einem Festival für die Krönungs-Gucker aufgebaut waren.
Und natürlich sah man sich das ausufernde Vorprogramm auf dem Screen an. Dank ihm erfuhr man etwa, dass geladene Promi-Gäste wie Katy Perry, Nick Cave, Lionel Richie oder sogar die britischen Dschungelcamp-Moderatoren Ant & Dec ebenfalls viel Zeit mit Warten auf den König zubringen mussten - wenn auch gemütlich bei klassischer Musik in der Westminster Abbey. Oder man lernte, dass eine der königlichen Kutschen nicht etwa nur eine schnöde Droschke von anno dunnemals ist, sondern sogar über so etwas wie Air Condition und elektrische Fensterheber verfügt. So so.
Die allerdings vielleicht wichtigste Info stammte vom Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, himself. Gefragt, warum er ausgerechnet die bedeutungsschwangere Salbung von Charles mit Öl aus Jerusalem in der Krönungsmesse hinter ein paar blick- und kameradichten Stellwänden vollziehen würde, erklärte er: Dies solle ein intimer Moment zwischen dem Monarchen und Gott sein. In diesem Sinne: "May the King live forever", wie man es an diesem Tag häufiger zu hören bekommen sollte. Angesichts des Alters des 74-jährigen Charles III. ein doch recht frommer Wunsch - aber durchaus passend zur durch und durch religiös geprägten Zeremonie.
Randfigur Camilla
Zwar musste niemand Schlange stehen, um grundsätzlich der Prozession beizuwohnen. Wer aber wirklich sehen wollte, wie Charles und Camilla in ihrer klimatisierten und von sechs Pferden gezogenen "Diamond Jubilee State"-Kutsche zur Abtei fuhren (beziehungsweise in ihrer von acht Rössern bewegten "Golden State"-Kutsche zurück), harrte mitunter schon seit Tagen mit einem Campingzelt entlang der Route aus. Wer gefühlt nicht mindestens 2,20 Meter groß war, hatte sonst kaum eine Chance, einen Blick auf das Paar zu erhaschen - es sei denn, er oder sie wandte sich dann doch wieder dem Screen zu.
Dem Screen, auf dem dann auch die eigentliche Krönung natürlich in ihrer ganzen Pracht zu erleben war. Eine Pracht, die bisweilen schon ziemlich mittelalterlich anmutete. Dann etwa, wenn Charles zu dem ganzen sonstigen Zinnober - Gürtel, Ring, Handschuh, Robe, Stola, Reichsapfel, Zepter, Krone und so weiter und so fort - auch noch ein juwelenbesetztes Schwert an den Wanst geheftet bekam. Gleichwohl bemühte sich der Monarch nach Kräften, der überkommenen Zeremonie wenigstens einen Hauch Moderne zu verleihen - mit dem einen oder anderen zeitgenössischen Song oder aber der wiederholten Betonung, dass er dann doch ein König für alle Glaubensrichtungen sein wolle. Auch wenn sein Platz natürlich einmal neben Jesus sein werde, wie ihm der Erzbischof ins Stammbuch schrieb.
Schließlich wurde nicht nur Charles, sondern auch Camilla gekrönt. Dass ausgerechnet sie mit einem neuzeitlichen Lied aus der Feder von Musical-Komponist Andrew Lloyd Webber gefeiert wurde, während dem König zu Ehren Klassik-Epen von Georg Friedrich Händel oder Richard Strauss ertönten, passte dann aber doch wieder ins nicht so wirklich zeitgemäße Bild. Auch wenn die jetzige Queen ein ums andere Mal tapfer lächelte, während ihr Mann kaum eine Miene verzog, wirkte sie während der ganzen Sause nur wie eine Randfigur.
Schweigen bei Harry, Jubel bei William
Von Prinz Harry mal ganz abgesehen. Während sein Bruder William als designierter Thronfolger seinem Vater in der Zeremonie nicht nur die Treue schwören, sondern ihm sogar ein Küsschen auf die Wange drücken durfte, lümmelte er irgendwo auf einem der hinteren Plätze herum. Wurde er doch einmal von den Kameras kurz eingefangen, wurde das beim Public Viewing mit eisernem Schweigen goutiert. Dass Harry dann - wie im Vorfeld bereits vermutet - auch nach der Krönung beim notorischen Familien-Auftritt auf dem Balkon des Buckingham-Palasts fehlen sollte, dürfte viele ebenfalls kaum tangiert haben.
Ganz anders im Falle von William. Bei zusehends strömendem Regen hielten sich die emotionalen Regungen bei den Fans der Königsfamilie grundsätzlich in Grenzen. Aber zumindest das Erscheinen des Thronfolgers löste bei denen, die auch ausharrten, als ihre König-Charles-Fähnchen schon ganz aufgeweicht waren, den einen oder anderen Begeisterungsschrei aus. Und natürlich der Moment, als dem Monarchen etwas unpünktlich um 12.02 Uhr die Krone auf das Haupt gesetzt wurde, gefolgt von einem donnernden Salutschuss im Herzen von London.
Die Krönung mag in gewisser Weise ins Wasser gefallen sein. Doch was sind schon ein paar Regentropfen angesichts der Stürme, die das britische Königshaus in jüngster Zeit zu überstehen hatte? Von den Unwettern, die auf Charles und die wankende britische Monarchie erst noch zukommen mögen, mal ganz zu schweigen.
Quelle: ntv.de