Was bringt der Vergleich? Fragen und Antworten zu Prinz Andrew
16.02.2022, 16:36 Uhr
Hat sich die Sache damit ein für alle Mal für ihn erledigt? Prinz Andrew.
(Foto: picture alliance / dpa)
Möglicherweise ist es Prinz Andrew geglückt, einen brisanten Prozess gegen sich in den USA zu vermeiden. Jedenfalls hat er sich außergerichtlich mit Virginia Giuffre geeinigt, die ihm vorwarf, sie im Alter von 17 Jahren sexuell missbraucht zu haben. 2021 hatte die heute 38-Jährige deshalb in New York Klage gegen den Royal eingereicht. Der zuständige Richter muss dem Vergleich jedoch noch zustimmen. Was bedeutet all das für den Sohn von Queen Elizabeth II.? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was bedeutet der Vergleich?
Der Vergleich ist eine außergerichtliche Beilegung einer zivilrechtlichen Streitigkeit. Infolge des Vergleichs, der eine Zahlung von Prinz Andrew an Virginia Giuffre beinhaltet, wird es keinen Prozess geben.
Was wird im Vergleich vereinbart?
In einer gemeinsamen Erklärung, die bei Gericht eingereicht wurde, geben die Anwälte von Prinz Andrew und Virginia Giuffre die Höhe der Zahlung von Prinz Andrew nicht bekannt. Sie erklären aber, der Herzog werde eine "beträchtliche Spende" an Giuffres Wohltätigkeitsorganisation zur Unterstützung der Rechte von Opfern leisten. Die Höhe dieser Spende muss nicht immer geheim bleiben. Sie könnte bei der Veröffentlichung der Jahresberichte der Wohltätigkeitsorganisation bekannt gegeben werden, erläuterte Rechtsexperte Joshua Rosenberg gegenüber "Sky News".
Die Parteien erklären zudem, sie wollten innerhalb von 30 Tagen einen Antrag auf Einstellung des Prozesses einreichen. Sie bitten darum, bis dahin das Gerichtsverfahren auszusetzen.
Wird die Charity-Spende aus Andrews Privatvermögen getätigt?
Vertreter des Herzogs lehnen es ab, sich zur Herkunft der Mittel für die Spende zu äußern. Schriftsteller Nigel Cawthorne, Autor von "Prinz Andrew: Epstein and the Palace", betont allerdings, Prinz Andrew sei kein wohlhabender Mann. Die Öffentlichkeit werde daher wissen wollen, wie die Mittel aufgebracht werden. "Wir werden uns alle die Frage stellen: 'Wird seine Mutter in die Tasche greifen?'"
Die Summe des Vergleichs soll zwar nicht veröffentlicht werden. Britische Medien melden allerdings, sie werde auf zwölf Millionen Pfund (etwa 14,4 Millionen Euro) geschätzt. Ebenso heißt es, die Queen werde tatsächlich einen Teil der Kosten übernehmen.
Gibt Prinz Andrew etwas zu?
Prinz Andrew hat die Anschuldigungen in seiner Erklärung weder bestätigt noch dementiert. Er sagt, er bedauere seine Zusammenarbeit mit dem inzwischen gestorbenen Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und werde "sein Bedauern zeigen", indem er den "Kampf gegen die Übel des Sexhandels" und dessen Opfer unterstütze.
Zudem lobt er Giuffres "Tapferkeit" - früher hatte er dagegen noch behauptet, ihre Klage sei unbegründet und sie wolle nur Geld. "Prinz Andrew hatte nie die Absicht, den Charakter von Frau Giuffre zu verunglimpfen, und er akzeptiert, dass sie sowohl als erwiesenes Missbrauchsopfer als auch als Ergebnis unfairer öffentlicher Angriffe gelitten hat", heißt es nun in der Erklärung.
Was sagen beide Seiten zu dem Vergleich?
Prinz Andrews Vertreter erklären, sie würden sich nicht weiter äußern als in den Gerichtsdokumenten angegeben. David Boies, der Anwalt von Virginia Giuffre, sagt: "Ich glaube, dieses Ereignis spricht für sich."
Was hätte Prinz Andrew ohne den Vergleich gedroht und kann er noch strafrechtlich belangt werden?
Wäre der Fall vor Gericht gegangen und hätte Virginia Giuffre gewonnen, hätte Prinz Andrew zur Zahlung von Schadenersatz an sie verurteilt werden können. Sie hatte einen nicht näher bezifferten Betrag gefordert.
Prinz Andrew wurde aber nicht strafrechtlich angeklagt. Bei Giuffres Klage handelt es sich um einen Zivilprozess. Eine strafrechtliche Anklage hätte aus ihm nicht resultieren können.
Ist der Vergleich das Ende der Angelegenheit?
Das ist nicht eindeutig zu beantworten. Virginia Giuffre könnte irgendwann ein Enthüllungsbuch veröffentlichen. Dies hänge davon ab, ob eine Geheimhaltungsvereinbarung unterzeichnet worden sei, erklärt Rechtsexperte Rosenberg dazu. "Vermutlich hat Prinz Andrew dies als Teil der Einigung verlangt. Ob er das durchsetzen konnte, weiß ich nicht", sagt er.
Wie hat sich die Klage auf Prinz Andrew ausgewirkt?
Die Anschuldigungen haben dem Ruf des Prinzen erheblichen Schaden zugefügt. Im Januar teilte der Buckingham Palast mit, dass Prinz Andrew nicht mehr als "Seine Königliche Hoheit" bezeichnet werden soll und dass seine offiziellen Aufgaben und Schirmherrschaften an andere Mitglieder der königlichen Familie übertragen werden.
Außerdem wurden ihm seine militärischen Ehrentitel aberkannt. Er verteidigte sich im Fall Giuffre als Privatmann. Bereits einige Tage nach einem missglückten Interview mit der BBC im November 2019 war er von seinen öffentlichen Ämtern zurückgetreten.
Was passiert mit seinen anderen Titeln und dem Besitz?
Es gibt weitere Forderungen, dem Sohn der Königin auch seine restlichen Titel zu entziehen. Zum einen ist dies der des Herzogs von York. Diesen Adelstitel kann die Queen ihm aber nicht einfach entziehen, dafür wäre ein Parlamentsbeschluss erforderlich.
Zum anderen ist er Staatsrat. Dies bedeutet, er könnte theoretisch an der Stelle der Königin einige offizielle Aufgaben erfüllen, falls diese wegen Krankheit oder Abwesenheit im Ausland nicht dazu in der Lage wäre. Zu den Staatsräten gehören laut Gesetz der Ehepartner des Herrschers und die nächsten vier Personen in der Thronfolge, die älter als 21 Jahre sind. Die anderen drei Staatsräte sind Prinz Charles, Prinz William und Prinz Harry.
Prinz Andrew ist laut einer von "i News" zusammengetragenen Liste auch immer noch Vizeadmiral der Marine. Die an seinem 60. Geburtstag im Jahr 2020 erwartete Beförderung zum Admiral hat er nicht erhalten, da er darum gebeten hatte, das Protokoll zu verschieben, nachdem er sich ein Jahr zuvor von öffentlichen Aufgaben zurückgezogen hatte.
Als Vergünstigung wird zudem sein Haus in Windsor genannt. Prinz Andrew lebt in der Royal Lodge, einem denkmalgeschützten Gebäude, drei Meilen von Schloss Windsor entfernt.
Könnte Prinz Andrew rehabilitiert werden?
"Natürlich kann die königliche Familie tun, was sie will, aber es ist unwahrscheinlich, dass er sie zurückbekommt", sagt Rosenberg mit Blick auf Prinz Andrews Privilegien. "Es ist passiert, er muss sich mit diesem Fall befassen und es gibt Konsequenzen." So gesehen habe er die königliche Familie in Verlegenheit gebracht.
Doch Rosenberg sagt auch: "Andererseits hat er nichts zugegeben, er hat sich nicht für irgendetwas entschuldigt, was er getan hat, abgesehen von seinem Bedauern über seine Verbindung zu Jeffrey Epstein", fasst er zusammen und fügt hinzu: "Ich denke, die königliche Familie reagiert sensibel auf die öffentliche Meinung und wird abwarten, wie die Menschen auf den Vergleich reagieren und was er tatsächlich beinhaltet."
Quelle: ntv.de, vpr/spot