70 Jahre "Bunte" "Jetzt wird's aber sehr privat"
12.04.2018, 16:26 Uhr
Mehr als Klatsch und Tratsch: Patricia Riekel in der Schule für palästinensische Beduinenkinder in Khan Al-Ahmar, Westjordanland.
(Foto: imago/photothek)
Sitzen drei Frauen auf dem Sofa. Sagt die eine: "Heute ist Mittwoch". Sagt die andere: "Morgen kommt die 'Bunte'." Sagt die Dritte: "Schon seit 70 Jahren übrigens." Gut, ganz so war es nicht, aber so ähnlich darf man sich das vorstellen, wenn Patricia Riekel, ehemalige Chefredakteurin von "Bunte", 20 Jahre das Gesicht und Richtungsgeberin der Wochenzeitschrift aus dem Hause Burda, und die Journalistin Beate Wedekind, auch eine Frau mit Burda-Vergangenheit, bei n-tv.de aufeinandertreffen.
In der zweiten Folge geht es um Angela Merkel und Königin Elizabeth II., um Julio Iglesias, den Papst und Bill Clinton und das, was sie gemeinsam haben.
n-tv.de: Ich würde gern über den Begriff der unveröffentlichten Gesellschaft sprechen. Wer ist das?
BW: Das sind für mich all die unbekannten Frauen und Männer, die unsere Gesellschaft wirklich vorwärtsbringen, weil sie verdammt viel für uns tun. Die werden aber nirgendwo erwähnt, weil sie eben nicht durch Prominenz oder Penetranz auf sich aufmerksam machen. Ehrenamtliche zum Beispiel. Die würden viel mehr verdienen, ab und zu ins Rampenlicht gestellt zu werden, als all die Fernsehsternchen in ihren schicken Fummeln. Was meinst du, Patricia?
PR: Ja, aber das sind auch die Prominenten, über die zwar immer und überall viel geschrieben wird, über die man aber trotzdem nichts weiß, weil sie diskret sind. Wir wissen zum Beispiel so gut wie nichts über Herrn Reitzle und Frau Ruge …
BW: … außer, dass der Wirtschaftsboss und die ehemalige "Leute Heute"-Moderatorin in der Toskana geheiratet haben, es seine zweite und ihre dritte Ehe ist und sie schon seit 17 Jahren hält.
Eine Ehe, die den Leser sicher mehr interessieren würde, wäre die von Angela Merkel und Joachim Sauer.
PR: (lacht) Ja, aber da weiß man tatsächlich nicht viel. Da wird auch nichts hinter den Kulissen erzählt.
BW: Es wird aber auch nicht mehr wirklich hingeguckt von den Kolleginnen und Kollegen, da möchte ich denen manchmal gern in den Hintern treten. Selbst, wenn direkt vor unseren Augen etwas zu sehen ist, wie die ganze Familie Merkel-Sauer auf der Besuchertribüne des Bundestags bei der Vereidigung der Kanzlerin, dann geht da kaum jemand drauf ein. Ich will doch wissen, warum Merkels Mann neben seinem Sohn und seiner Schwiegermutter die ganze Zeit mit aufgeklapptem Laptop und Knopf im Ohr dagesessen hat - hat er vielleicht seinen anderen Sohn in Chile per Facebook-Live daran teilnehmen lassen, dass seine Stiefmutter zum vierten Mal vereidigt wird?
Wir werden es so schnell nicht erfahren. Hier liegen jede Menge Zeitungen auf dem Tisch …
BW: Zeitungen, Tageszeitungen, deutsche, internationale. Also, ich bin ein Nachrichtenjunkie, ein Meinungsjunkie, aber Magazine interessieren mich gar nicht mehr so richtig.
Was interessiert dich denn wirklich an Prominenten?
BW: Es sind oft die Banalitäten des Alltags: Zum Beispiel, worüber Merkel und Sauer an so einem Morgen vor der Vereidigung am Frühstückstisch reden. Reden sie überhaupt beim Frühstück miteinander und wie oft frühstücken sie überhaupt zusammen?
PR: Ich hätte auch gerne gelesen, warum die Kanzlerin, die sich ja gerne über Farben mitteilt, an dem Tag Weiß getragen hat. Sie hat ja eine Art Uniform, aber die Farben bedeuten etwas. Angela Merkel ist letztendlich auch - nur - eine Frau.
An dem Tag war es aber vor allem wichtig, nichts Königsblaues zu tragen wie Frau Giffey und Frau Klöckner.
BW: Das stimmt allerdings (lacht). Aber jetzt mal wirklich: Was ist eine Geschichte, die du gerne lesen würdest, Patricia?
PR: Es gibt so viele! Und es muss nicht - wie von Männern gern angenommen, wenn sie im People-Journalismus arbeiten - eine Sensation sein. Nein, die Dinge im Hintergrund sind es, die in einer People-Zeitschrift stehen sollten. Man hat ja gar keine Wahl: Die Neuigkeiten verbreiten sich fast in Echtzeit online, da kann man mit einer Zeitschrift nicht mithalten. Die anderen Geschichten, die will ich dann in Ruhe in einem Magazin lesen. Mich interessiert der Standpunkt des Beobachters, des Schreibers, wie ordnet er oder sie das ein.
Nochmal zur Kanzlerin - warum Weiß am Tag der Vereidigung?
PR: Das müsste ich erst analysieren. Ich habe bisher vor allem ihre roten Sakkos verfolgt (lacht).
Noch ein anderes Beispiel als die Kanzlerin?
PR: Das beste Beispiel für gelungenen People-Journalismus hat das SZ-Magazin vor einiger Zeit mit einem Bericht über Naddel, also Nadja Abd El Farag, gebracht. Dort hat man sich ihr ohne Vorurteile genähert. Die haben ihr ins Herz geschaut, ihr zugehört. Und dann kommen die Autoren zu der Erkenntnis, dass diese Frau unter ihrer dicken Schicht von Make-up, Pech, Unfähigkeit und teilweise selbst verschuldetem Unglück ein wahnsinnig warmherziger, lieber Mensch ist, der Träume hat und Vorstellungen von der Zukunft. Eine gute Geschichte. Man kann in ihr nun eine andere Frau sehen und das ist wunderbar. Ganz ohne Zynismus, das ist mir wichtig.
Andere Facetten zu entdecken ist euer Job …
PR: Ja, und das haben wir bei "Bunte" immer geschafft. Finde ich.
BW: Und du hast es da ungleich schwerer gehabt als ich. Einen Blick hinter die Kulissen zu werfen, das war zu meiner Bunte-Zeit wirklich einfacher als heute. In den 80er-Jahren, als ich als "Bunte"-Reporterin unterwegs war, da gab es noch keine Promiberichterstattung im Fernsehen, kein RTL-"Exklusiv", kein ARD-"Brisant", kein ZDF "Leute Heute" und auch das Interesse des Feuilletons an Boulevardthemen existierte noch nicht. Internet gab es sowieso nicht und schon gar keine Selbstvermarktung der Promis über die sozialen Medien, da hatte niemand von denen eine eigene Webseite geschweige denn ein Instagram- oder Facebook-Profil. Da gab es wirklich noch sowas wie Exklusivität. Und es gab noch weltweit bekannte Prominente vom Kaliber eines Giovanni Agnelli oder Herbert von Karajan, die freuten sich echt, wenn man sie in St. Moritz oder in Saint Tropez besuchte. Die hatten einfach Freude daran, sich als Menschen zu zeigen und nicht als Industrieller oder Genie. Da habe ich Geschichten erlebt, die glaubt mir niemand! Kommt - fast - alles in meine Biografie (lacht).
Die ja just in diesen Tagen fertig wird ...
BW: (lacht) Mach' mir nur noch mehr Druck … Patricia, du wirst dich erinnern, einmal konnte ich drei Wochen mit Diana und Charles und Baby William durch Australien reisen. Solche authentischen Geschichten, in denen man die Protagonisten eines bestimmten Lebensstils wirklich in Ruhe beobachten kann, die vermisse ich schon sehr. Diese Storys macht heute keiner mehr.
Die kriegt heute keiner mehr!
PR: Ja, das ist leider so. Je transparenter die Welt wurde, desto mehr schotten sich die ab, die wirklich interessant sind. Ausnahmen bestätigen die Regel. So eine ehrliche Geschichte wie die über Martin Schulz im "Spiegel" zum Beispiel. Das hat mir diesen Mann endlich nähergebracht. Ich dachte hinterher, Mensch, das ist ein anständiger Typ. Mir nicht unbedingt sympathischer, aber jetzt kenne ich ihn besser.
BW: Ich fand die Geschichte auch gut, vor allem aber war das ein Scoop des "Spiegel"-Reporters, dem es gelungen ist, so nah an Schulz ranzukommen.
Ihr habt einen Wunsch frei – wen wollt ihr interviewen?
PR: Wenn die Person die Wahrheit sagen müsste?
Nichts als die reine Wahrheit …
PR: Dann würde ich gern mein 13. Interview mit Angela Merkel führen. Sie müsste auf die Frage: "Welche Schuhe gefallen Ihnen denn persönlich" antworten, da hat sie mir nämlich letztes Mal geantwortet: "Jetzt wird's aber sehr privat, Frau Riekel." Als sie noch nicht Kanzlerin war, waren ein paar Journalisten und ich zum Wandern auf Rügen eingeladen und ich hatte ein paar ruhigere Momente mit ihr. Nach einem offiziellen Interview nimmt sie sich manchmal kurz Zeit für ein privates Gespräch.
Um was zu erzählen?
PR: Nichts! Aber von ihr wüsste ich gerne, wie es wirklich zu Hause bei ihr aussieht. Was sie kocht, ob sie die Schuhe ausziehen, ihr Mann und sie, wenn sie nach Hause kommen, wer da die Betten bezieht, was sie lesen, was sie im Fernsehen sehen. Ich würde gern hinter ihre Fassade gucken. Denn ich bin mir sicher, dass nicht alles an ihr abprallt. Und dann würde ich gern nochmal richtig mit meinem Freund Karl Lagerfeld reden. Der ist ja ein Autodidakt, wahnsinnig faszinierend, aber auch sehr kontrolliert. Schwer, hinter seine Fassade zu blicken. Und du, Beate?
BW: Ich würde gerne mit einer Gruppe junger Journalistinnen und Journalisten zu Königin Elizabeth reisen, am besten nach Windsor. Zwar bin ich mir ziemlich sicher, dass wir nicht viel aus ihr persönlich herauskriegen würden. Aber durch die Beobachtungen und Interpretationen aus den verschiedenen Blickwinkeln der jungen Journalisten, die ja ganz andere Dinge sehen als wir Routiniers, das würde man doch ein ganz anderes Bild zusammensetzen können als das Klischee, das sich bei uns fest gesetzt hat.
Wedekind war in den 80ern langjährige Society-Kolumnistin von "Bunte" ("Mein Rendezvous"), Gründungschefredakteurin der deutschen "Elle" und 1992/93 ebenfalls eine Weile Chefredakteurin von "Bunte". Beide Frauen kennen sich lange, schätzen und mögen sich, und: sie arbeiten hier und da wieder zusammen. Zwei sich Stichworte gebende, ins Wort fallende, lachende, intelligente, zukunftsorientierte Frauen, die der unterhaltsame Beweis dafür sind, dass Alter (die Damen sind Ende 60) etwas rein Biologisches ist und absolut kein Grund, in Unternehmungsgeist, Zielsetzung oder Lust aufs Leben nachzulassen. Jetzt reden sie darüber, was in den letzten 70 Jahren im deutschen Fachorgan für Stars und Sternchen - der "Bunte" - alles stand. Und was nicht. Denn nichts macht eine Boulevard-Reporterin glaubwürdiger, als in den wichtigen und richtigen Momenten die Klappe zu halten. Beide Frauen haben gut zu tun: Sie schreiben - und genießen es vor allem, dabei nicht auf die Textlänge achten zu müssen. Patricia Riekel bringt nach intensiven Gesprächen mit Willy Bogner eine sehr persönliche Biografie über seine verstorbene Frau, die Modedesignerin Sonia Bogner, heraus. Beate Wedekind liegt in den letzten Zügen ihrer Autobiografie. Und nach wie vor sind beide als Promi-Expertinnen gefragt.
PR: Tolle Idee.
BW: Kannst ja mitkommen und ich komm mit dir zu Lagerfeld. 1986 war ich übrigens im Buckingham-Palast, als Mitglied einer Delegation des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Ich habe mich bei einem festlicher Dinner mit der Queen furchtbar blamiert: Ich habe heimlich ein Brottellerchen auf meinen Schoß genommen und umgedreht, weil ich nachgucken wollte, was für ein Porzellan das war. Da kam ein livrierter Lakai aus dem Hintergrund. Ob er wohl gedacht hatte, ich wollte es mitgehen lassen? Aber er überreichte mir nur eine kleine goldumrandete Karte, auf der der Name der Porzellanmanufaktur stand. Und dann würde ich wahnsinnig gerne noch einmal über Julio Iglesias berichten. Mit dem habe ich 1981 mein allererstes Promi-Interview gemacht und später hat er mir in Amerika viele Türen geöffnet. Über ihn habe ich Frank Sinatra kennengelernt und Quincy Jones, Nancy Reagan und über sie Elizabeth Taylor. Wir haben uns das letzte Mal vor zehn Jahren gesehen. Julio lebt seit vielen Jahren in der Dominikanischen Republik und hat dort eine ganze Ortschaft gebaut für seine Familie, samt Schule für seine kleinen Kinder und denen seiner Angestellten. Der ist so viel mehr als der Troubadour, der mehr als 1000 Frauen vernascht hat.
Die beste Voraussetzung für guten People-Journalismus zeigt ihr mir gerade: Freude an Menschen, ein gewisses Maß an Neugier und der Wille, sich und andere zu amüsieren.
BW: Wer dem Leben nichts Amüsantes abgewinnen kann, der tut mir sehr leid.

Bei aller Professionalität - man darf schon mal ins Schwärmen geraten, wenn Julio auf der Bettkante hockt ...
Welcher Mann hat dich denn so richtig beeindruckt, Patricia? Also bei dir, Beate, ist es ja wohl Julio Iglesias.
PR: Bei mir ist es - dazu muss ich länger ausholen: Ich gehörte zu einer Delegation des Baden-Badener Unternehmers Karlheinz Kögel, die Bill Clinton den Deutschen Medienpreis überreicht hat. Dieser Mann kann sich auf einen konzentrieren, das gibt's kein zweites Mal. Der nimmt deine Hand, so, ganz sanft, aber doch fest, und guckt dir mehrere Sekunden tief in die Augen, als würde man sich ewig kennen …
BW: (lacht) … und Patricia floss dahin …
PR: Nein, der hat nicht mit mir geflirtet, ich bin nicht sein Beuteschema (lacht), das stand neben mir in Gestalt von Frau Kögel, einer wunderschönen großen Frau. Ich bin ja nur 1,60 Meter. Ihre Beine enden also ungefähr da, wo meine Nase sitzt (lacht). Aber er konnte nicht anders, als diese Frau anzugucken, er hat sie mit seinen Blicken verschlungen.
Er hat demnach eine Aura …
PR: Ja, und was für eine. Ich bin ihm noch öfter begegnet. Der ist schon sexy. Aber auch konzentriert, intelligent. Und mit dieser Ausstrahlung: "Vielleicht haben wir nur diesen einen Moment in unserem Leben, aber ich nehme dich wahr." Also ich fühlte mich wahrgenommen (seufzt).
Und die andere Person?
PR: Ich bin Atheistin. Ich glaube wie Stephen Hawking, dass das Gehirn ein Computer ist. Wenn es ausgeschaltet ist, dann ist es eben weg. Aber letztes Jahr habe ich Papst Franziskus im Vatikan getroffen. Ich war erstmal ein bisschen spöttisch, habe mir alles angeguckt, und dann kommt da eine Schar von katholischen Würdenträgern. Toll sahen die aus, polierte Kreuze, gewienerte Schuhe, feinste Stoffe, und mittendrin ein älterer Herr, mit einem Blechkreuz und in Gesundheitsschuhen, so bescheiden. Ich hatte mich natürlich vorbereitet, aber ich war so geflasht in dem Moment, als er sich an mich wandte, von seiner Aura, dieser Demut, dieser Liebe, dass ich tatsächlich seinen Ring geküsst habe.
BW: Ist nicht dein Ernst? (lacht)
PR: Doch. Und auch er hat mir die ganze Zeit in die Augen geschaut, während ich meine kleine Ansprache gehalten habe. Ich trete deswegen immer noch nicht in die Kirche ein, aber wenn man einem Menschen begegnet, der so voller Liebe und Demut und Ehrlichkeit ist, dann ist das beeindruckend. Und vor der Queen würde ich auch einen Knicks machen.
So viel dazu, was die beiden Journalistinnen mit der High-Society erlebt haben. In Teil drei erzählen sie, was ihr Leben außerdem prägt, bestimmt und ausmacht. Was sie vorhaben, wie sie leben ...
Quelle: ntv.de