Wink mit dem Zaunpfahl gen USA Kanada erwägt Teilnahme am ESC

Ein rein europäischer Wettbewerb ist der Eurovision Song Contest längst nicht mehr. Schließlich mischen schon lange auch Länder wie Aserbaidschan, Israel oder sogar Australien mit. Nun denkt zudem Kanada über eine Teilnahme nach - auch ein Zeichen in Richtung USA.
Zuletzt deutete vieles darauf hin, dass die Europäische Rundfunkunion (EBU) und mit ihr der von ihr veranstaltete Eurovision Song Contest (ESC) am Streit über Israels Vorgehen im Gazastreifen zerbrechen könnten. Länder wie Irland, Slowenien, Island und die Niederlande drohten mit einem Boykott der Veranstaltung, sollte Israel weiterhin an dem Gesangswettbewerb teilnehmen. Mit Spanien schloss sich zuletzt sogar eines der "Big 5" genannten Länder, die als größte Geldgeber der EBU stets im ESC-Finale gesetzt sind, der Drohung an.
Aus Ländern wie Deutschland oder Österreich folgte prompt die Gegenreaktion. Hier wurden Stimmen laut, die wiederum einen Rückzug vom ESC fordern, sollte Israel tatsächlich von dem Event verbannt werden. Die EBU wollte ihre Mitglieder ursprünglich Anfang November über das Streitthema abstimmen lassen. Wegen der Waffenruhe, auf die sich Israel und die radikalislamische Hamas im Oktober einigten, wurde die Abstimmung jedoch auf Dezember verschoben.
Mitten in die Unsicherheit über die Zukunft des Song Contests platzt nun die Meldung herein, mit Kanada erwäge ein weiteres Land, das weit entfernt vom EBU-Kern-Territorium liegt, fortan bei der Veranstaltung mitzumischen. Denkbar wäre dies durchaus. Die EBU hat mit Ländern wie Aserbaidschan, Armenien und eben auch Israel nicht nur Vollmitglieder, die nicht auf dem europäischen Kontinent zu Hause sind. Der Senderverbund hat auch eine Reihe assoziierter Mitglieder, zu denen zum Beispiel Australien und eben auch Kanada zählen.
Den ESC-begeisterten Australiern erlaubte man 2015 erstmals die Teilnahme am Song Contest. Und weil's so schön war, machen sie seither regelmäßig mit - auch wenn es down under stets noch früh am Morgen ist, wenn der Wettbewerb über die Bühne geht.
"Schutz der Identität"
Nun wird der ESC in einem Entwurf für den Staatshaushalt in Kanada tatsächlich explizit erwähnt. Zur Sprache kommt der Wettbewerb in einer Passage, in der es um den Schutz des kulturellen Guts des nationalen Senders CBC geht. Wörtlich heißt es: "Die Regierung wird eine Modernisierung des Auftrags von CBC/Radio-Canada prüfen, um dessen Unabhängigkeit zu stärken, und arbeitet gemeinsam mit CBC/Radio Canada daran, eine Teilnahme am Eurovision Song Contest zu prüfen."
Kanadas Finanzminister François-Philippe Champagne machte in einem Gespräch mit dem Sender "Global News" deutlich, dass er das Vorhaben unterstützt. "Ich denke, es ist eine Plattform, auf der Kanada glänzen kann", so der Politiker. Und weiter: "Es geht darum, unsere Identität zu schützen - ja, wir wollen unsere Souveränität bewahren, aber wir wollen auch Menschen aus dem Kunst- und Filmsektor unterstützen, damit sie weltweit erfolgreich sein können. Und wir haben als Kanadierinnen und Kanadier viel zu bieten."
Die politischen Implikationen des Vorstoßes sind kaum von der Hand zu weisen. Kanada wehrte sich zuletzt vehement gegen die von US-Präsident Donald Trump wiederholt vorgetragenen Pläne, sich Kanada als weiteren Bundesstaat der USA einzuverleiben. Zudem wurde das Land von Trumps erratischer Zoll-Politik besonders hart getroffen.
ESC-Direktor bestätigt Gespräche
Als der kanadische Premierminister Mark Carney im März Frankreich und Großbritannien besuchte, erklärte er, Kanada sei "das europäischste aller nicht-europäischen Länder". Der britischen Zeitung "The Guardian" zufolge soll auch er eine Teilnahme seines Landes am ESC unterstützen.
ESC-Direktor Martin Green bestätigte mittlerweile gegenüber dem "Guardian", dass es Gespräche mit dem kanadischen Sender CBC über eine mögliche Teilnahme des Landes gibt. Allerdings befänden sich diese "noch in einem sehr frühen Stadium", beschwichtigte er. Man freue sich darauf, "den Austausch fortzusetzen". Schließlich sei es "immer erfreulich zu sehen, dass Rundfunkanstalten Teil der größten Live-Musikshow der Welt sein möchten".
Nicht ausgeschlossen also, dass nicht nur die USA irgendwann noch einmal erleben werden, wie Kanada die Siegerin oder den Sieger beim ESC stellen wird. Wie bitte? Noch einmal? Ja, 1988 gewann mit Céline Dion bereits eine Kanadierin erstmals den Wettbewerb. Allerdings ging sie für die Schweiz ins Rennen.