Keine "Bühne der Ausgrenzung" Weimer kritisiert ESC-Boykott-Drohungen wegen Israel
20.09.2025, 15:40 Uhr Artikel anhören
Israels ESC-Teilnehmerin von 2025 überlebte die Terror-Attacke der Hamas.
(Foto: picture alliance / Mandoga Media)
Länder wie Spanien, Irland und die Niederlande wollen beim Eurovision Song Contest aussteigen, sollte Israel nach dem Vorgehen im Gazastreifen nicht ausgeschlossen werden. Kulturstaatsminister Weimer kritisiert die Pläne und spricht von einer "Cancel Culture".
Spanien, Irland, die Niederlande, Island und Slowenien drohen bei einer israelischen Teilnahme im kommenden Mai in Wien mit einem ESC-Boykott. Weitere Länder wie Belgien und Schweden erwägen ebenfalls einen Ausstieg. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat den angekündigten Israel-Boykott scharf kritisiert. Der ESC sei gegründet worden, um Länder zusammenzubringen, erklärte Weimer: "Wer heute Israel ausschließt, stellt diesen Grundgedanken auf den Kopf und macht aus einem Fest der Verständigung ein Tribunal."
Der Boykott wird unter anderem mit dem "anhaltenden und schwerwiegenden menschlichen Leid" im Gazastreifen begründet. Beim diesjährigen ESC wurde die israelische Sängerin während des Live-Auftritts teils ausgebuht - obwohl die ESC-Verantwortlichen stets betonen, der Musik-Wettbewerb solle unpolitisch sein und Musik alle Länder verbinden.
ESC aus "Trümmern des Krieges" geboren
Für Kulturstaatsminister Weimer ist das "Cancel Culture". Dabei sei die Idee des ESC, Künstlerinnen und Künstler nach ihrer Kunst, nicht nach ihrer Nationalität zu beurteilen, erklärte er. "Gerade, weil der ESC aus den Trümmern des Krieges geboren wurde, darf er nicht zu einer Bühne der Ausgrenzung verkommen."
In Deutschland gibt es bisher keine Anzeichen für einen möglichen Boykott. Der neuerdings für die ESC-Vorbereitung zuständige Südwestrundfunk arbeitet planmäßig an der Vorbereitung des deutschen Vorentscheids. Die Kooperation mit Stefan Raab und RTL ist nach einem Jahr ausgelaufen.
Auch Wien kritisiert Boykott-Ideen
Unterdessen kritisierte Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, ein von Ländern wie Slowenien, Spanien, Niederlande und Belgien zumindest angedachter Boykott würde "die Möglichkeiten für einen wichtigen Dialog zwischen Künstlern und der Bevölkerung verunmöglichen - ohne die Lage vor Ort in Israel und Gaza zu verbessern", schrieb Österreichs Chefdiplomatin an ihre Amtskollegen und -kolleginnen.
Als Außenministerin des Gastgeberlandes sei sie "zutiefst besorgt über die Gefahr einer Spaltung zwischen den Mitgliedern der Europäischen Rundfunkunion in dieser Frage", so die Ministerin. Zwar dürften politische Entwicklungen, gerade wenn sie mit humanitärem Leid einhergingen, nicht ignoriert werden. Sie sei aber überzeugt, dass der ESC sich nicht für Sanktionen eigne, so die Außenministerin. Solche Debatten würden in etablierte politische Foren gehören.
Spanien zählt zu größten ESC-Geldgebern
Jährlich schauen rund 170 Millionen Fernsehzuschauer mit Teilnehmern aus mehr als 35 Ländern zu. Finanziert wird der Wettbewerb von den Mitgliedern der Europäischen Rundfunkunion (EBU). Spanien zählt zu den Big Five, den fünf großen Geldgeberländern des ESC. Sollte Spanien also boykottieren, fehlen nicht nur viele Millionen TV-Zuschauer - der kostspieligen Show fehlt dann auch viel Budget.
Ausschlüsse vom Wettbewerb aus politischen Gründen hatte es beim ESC allerdings in der Vergangenheit wiederholt gegeben. So darf Russland wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht mehr teilnehmen. In den 1990er Jahren traf es etwa Serbien. "Wir verstehen die Bedenken und tiefen Überzeugungen hinsichtlich des anhaltenden Konflikts im Nahen Osten", erklärte ESC-Direktor Martin Green. Im Dezember will die EBU bei ihrer Generalversammlung über die Teilnahme Israels entscheiden.
Quelle: ntv.de, bho/AFP/dpa