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Überraschendes CombackReinhard Mey dankt Haftbefehl für Chartrekord

10.11.2025, 17:49 Uhr
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"In meinem Garten" ist Reinhard Meys bislang höchstplatzierter Charthit. (Foto: picture alliance / Ralf Mueller)

Musikalisch trennen sie eigentlich Welten. Der Liedermacher Reinhard Mey und der Rapper Haftbefehl spielen auch in den Charts in verschiedenen Ligen. Durch eine Doku über das extreme Leben des Rappers finden sie nun zueinander.

Sänger Reinhard Mey hat sich bei Rapper Haftbefehl für seinen späten Charterfolg bedankt. "Danke, Aykut, für Deine Zuneigung und all das, was gerade daraus in unserem Garten erblüht", wandte sich der 82-Jährige in Anspielung auf sein Lied "In meinem Garten" auf seiner Internetseite an Haftbefehl, der bürgerlich Aykut Anhan heißt.

Die Doku "Babo - Die Haftbefehl-Story" hat dem Song des Liedermachers zu einem überraschenden Comeback verholfen. "In meinem Garten" aus dem Jahr 1970 landete auf Platz 15 der deutschen Charts. "Es ist nach 'Annabelle, ach Annabelle' (1972, Platz 29) und 'Mann aus Alemannia' (1974, Platz 18) Meys dritter - und bislang höchstplatzierter - Charthit", teilte GfK Entertainment mit.

Damit stellt Lied zudem einen außergewöhnlichen Rekord auf. Mit rund 55 Jahren seit der erstmaligen Veröffentlichung des Songs ist es die bislang längste Zeitspanne, nach der ein deutschsprachiger Titel sein Debüt in den Charts gefeiert hat. Zuvor war "In meinem Garten" unter anderem bereits bei Spotify in die Top 50 eingestiegen.

Die Netflix-Doku ist derzeit ein großes Gesprächsthema. Der Film spannt einen Bogen von dem kometenhaften Aufstieg von Haftbefehl als Musiker bis hin zu psychischen Problemen und Drogenkonsum, die fast in den Tod führen. Schonungslos und voller Selbsthass spricht der 39-jährige Rapper darin über seine Drogenabhängigkeit. In einer Szene spielt Reinhard Meys erstmals 1970 veröffentlichtes Lied "In meinem Garten" eine besondere Rolle.

Anhan zeigt auf einem Foto auf seine Kinder, dann auf sich selbst und bezeichnet sich mit heiserer Stimme als "Dreck". Dann spielt er auf seinem Handy das Lied von Reinhard Mey und singt mit brüchiger Stimme die Zeilen mit: "In meinem Garten, in meinem Garten / blühte blau der Rittersporn / Zwischen dem Unkraut in meinem Garten / Im Geröll in meinem Garten / Wo die anderen Blumen verdorr'n". Anschließend sagt Haftbefehl dazu: "Brutaler Song, Alter".

Nähe zwischen zwei verschiedenen Welten

Das mit brutaler Ehrlichkeit dargestellte Rapstar-Leben zwischen Drogensucht und Blitzlichtgewitter hat nicht nur viele Fans fassungslos zurückgelassen, sondern auch eine Debatte über Drogen und selbstzerstörerisches Verhalten ausgelöst. Doch die Netflix-Doku zeigt mehr als nur die Drogenabhängigkeit eines berühmten Mannes. Sie zeigt auch, wie ein im sozialen Elend Offenbachs aufgewachsener Junge, der mit 13 Jahren den Suizid des eigenen Vaters verkraften musste, zur Identifikationsfigur einer Generation migrantischer Arbeiterkinder wurde.

Dass die Dokumentation vor allem in der migrantischen Jugend so gut ankommt, dürfte auch daran liegen, dass Haftbefehls Lebensweg jene Brüche sichtbar macht, die viele von ihnen aus der eigenen Familie kennen: Armut, Vernachlässigung, Gewalt – und den Versuch, trotzdem einen Platz in der deutschen Gesellschaft zu finden. Geradezu ikonisch wirkt vor diesem Hintergrund die Szene, in der Haftbefehl, sichtlich gezeichnet von gesundheitlichen Beschwerden und Selbstzweifeln, eine Ballade von Reinhard Mey nachsingt. Es ist ein seltenes Bild der Nähe zwischen zwei verschiedenen Welten.

Als Haftbefehl Anfang der 2010er Jahre auf der Bildfläche erschien, rappte er über das Leben auf der Straße, über Drogengeschäfte und Kriminalität. Mit einer eigentümlichen Mischung aus Arabisch, Kurdisch, Türkisch und Deutsch transportierte er die Sprache der sozialen Brennpunkte eins zu eins in seine Musik. Er rappte so, wie die jungen Menschen in den Hochhausvierteln sprachen: roh, ungeschliffen und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten.

Quelle: ntv.de, gut/dpa/spot

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