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Sie brachte die Tiefe in AbbaThank you for the music, Frida

15.11.2025, 14:25 Uhr
imageVon Linn Penkert
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Anni-Frid Lyngstad trug Abbas dramatischen und reiferen Songs. (Foto: IMAGO/TT)

Sie war nie die lauteste, nie die grellste, nie die plakativste Figur im Abba-Universum. Aber Anni-Frid Lyngstad war - und ist - jene Künstlerin, deren Präsenz den Raum füllt, auch wenn sie kaum spricht. Heute lebt Frida zurückgezogen in der Schweiz, wo sie nun ihren 80. Geburtstag begeht.

An diesem Mittag ist es noch bewölkt über den schneebedeckten Hängen von Zermatt. Irgendwo dort, in einem Chalet, sitzt Anni-Frid Lyngstad, die heute 80 Jahre alt wird, und genießt die Ruhe, die sie sich über Jahrzehnte erarbeitet hat. Eine Frau, deren Stimme Millionen weltweit gehört haben - und deren Lebensweg alles andere als geradlinig verlief.

Schon Anni-Frids Wurzeln sind von Dramatik geprägt. Frida, wie man die Sängerin später eher nennen wird, erblickt am 15. November 1945 im norwegischen Bjørkåsen das Licht der Welt. Ihre Mutter ist Norwegerin, ihr Vater ein deutscher Soldat. Nach dem Krieg flieht ihre Mutter mit Frida und der Großmutter nach Schweden - zu groß ist die Furcht vor den Nachwehen und der Stigmatisierung der sogenannten "Tyskerbarn", der Kinder deutscher Soldaten. Ihre Mutter stirbt jedoch früh, sodass Frida nahezu ausschließlich bei ihrer Oma aufwächst. Lange glaubt sie, ihr Vater sei bei Kriegsende mit seinem Schiff gesunken. Erst 1977, durch Recherchen der Jugendzeitschrift "Bravo", erfährt sie, dass der ehemalige Wehrmachtssoldat Alfred Haase noch lebt.

Musik ist für Frida schon früh eine Zuflucht und Bestimmung. Bereits als Jugendliche beginnt Frida zu singen, zunächst in Tanz- und Jazzbands. 1967 gewinnt sie den Talentwettbewerb "New Faces", was ihr einen Plattenvertrag einbringt. Anders als Agnetha Fältskog, die sich fast zeitgleich als junge Songwriterin mit eigener Fangemeinde etabliert, arbeitet sich Frida über Jahre und unzählige Auftritte in kleinen Städten nach oben, ein mühsamer, aber prägender Weg. 1971 lernt sie ihren späteren Ehemann Benny Andersson kennen - eine Begegnung, die den Grundstein für Abba legen soll.

Frida steht für künstlerische Tiefe

Als sich 1972 die Gruppe Abba formiert, haben alle vier Mitglieder - Frida, Benny, Agneta und ihr Ehemann Björn Ulvaeus - bereits berufliche Erfahrung hinter sich. In der öffentlichen Wahrnehmung wird oft Agnetha stärker wahrgenommen - blond, klarer Sopran, jugendliches Image, eine klassische Schwedin durch und durch. Das passt vor allem in die Zeit, in der die Welt in Schlaghosen, Plateauschuhen und Discokugeln explodiert. Doch Abba funktioniert immer auf zwei Ebenen: dem funkelnden Pop - und der tiefen Melancholie darunter. Frida ist dabei oft diejenige, die diese zweite Ebene trägt, mit ihrer Stimme, ihrer Präsenz, ihrer künstlerischen Tiefe.

Sie gilt weder als laute, grelle oder plakative Figur im Abba-Universum. Aber Frida ist jene Künstlerin, deren Präsenz den Raum füllt, auch wenn sie kaum spricht. Eine Frau, deren Stimme nicht nur Töne formt, sondern Stimmungen. Sie trägt die dramatischen und reiferen Songs der Band. Lieder wie "Money, Money, Money", "Fernando", "Knowing Me, Knowing You" oder "The Visitors" zeigen deutlich Fridas prägenden Einfluss auf den Abba-Sound.

Einige Fans und Kommentatoren sprechen bis heute davon, dass die Rothaarige im Vergleich zu Agnetha "zu kurz gekommen" sei. Doch sie selbst betont einmal: "Agnetha und ich waren keine Rivalinnen. Wir waren zwei sehr unterschiedliche Stimmen und genau das hat funktioniert." Musikalisch ist ihre Synergie sogar unschlagbar. Das Zusammenspiel von Fridas warmen, erdigen und reichhaltigen Mezzosopran mit Agnethas kristallklarem Strahlen sind ein prägendes Element des Bandklangs. In Songs wie "On and On and On" teilen sich die beiden Frauen die Leadstimme - ein harmonischer Dialog, der die Vielschichtigkeit von Abba betont. Die Studioarbeiten sind präzise und intensiv: "Wir haben oft stundenlang nur an einer einzigen Harmonie gefeilt. Die Perfektion war unser Markenzeichen", berichtet Frida später.

"Wir hatten Erfolg, aber kein Privatleben"

Für Frida und Agnetha sind die internationalen Tourneen aber besonders anstrengend. Sie haben kleine Kinder und die langen Reisen, Zeitverschiebungen und der dichte Terminplan setzen ihnen zu. Agnetha spricht später von einer "ständigen Zerrissenheit" zwischen Bühne und Familie. Frida erinnert sich: "Wir hatten Erfolg, aber kaum ein Privatleben." Es ist diese Belastung, die erklärt, warum beide Sängerinnen den Wunsch nach Normalität und späterer Zurückgezogenheit besonders stark empfinden - mehr als ihre männlichen Kollegen.

1979 zerbricht zunächst die Ehe von Agnetha und Björn - ihre Trennung belastet die Band enorm, inspiriert mit "The Winner Takes It All" aber auch einen ihrer größten Hits. Zwei Jahre später ziehen Frida und Benny nach nur drei Ehejahren den Schlussstrich, was in Songs wie "When All Is Said and Done" musikalisch verarbeitet wird. Die Dynamik der Band ist aber nicht mehr dieselbe, Abba strahlen nicht mehr die ungebrochene Leichtigkeit früherer Jahre aus. Frida fasst die Situation später nüchtern zusammen: "Wir waren vier Menschen mit vier Leben. Und plötzlich sollten wir ein einziges Leben führen. Das kann nicht lange gutgehen." Sie soll recht behalten. 1982 lösen sich Abba nach zehn Jahren wahnsinnigen Erfolgs auf.

Zurückgezogen in Zermatt

Im selben Jahr veröffentlicht Frida das englischsprachige Album "Something's Going On", produziert von Phil Collins, mit der erfolgreichen Single "I Know There's Something Going On". 1984 folgt das weniger erfolgreiche "Shine", danach zieht sie sich weitgehend aus dem Popgeschäft zurück.

Privat ist Fridas Leben nicht frei von Schmerz. Aus einer ersten Ehe hat sie zwei Kinder, Hans Ragnar und Ann Lise-Lotte. Besonders tragisch ist der Tod ihrer Tochter 1998 bei einem Autounfall in New York. 1992 heiratet sie Heinrich Ruzzo, Prinz Reuß von Plauen, mit dem sie in der Schweiz lebt, bis er 1999 an einem Lymphom stirbt. Nach derartigen Verlusten zieht sie sich noch weiter zurück, engagiert sich dort still für Umwelt- und Wohltätigkeitsprojekte, tritt aber nur noch selten öffentlich auf. Trotz ihrer Schicksalsschläge hat sie es geschafft, sich auf eine neue Liebe einzulassen. In Zermatt lebt sie mit ihrem Partner Henry Smith, 5th Viscount Hambleden.

Während in London täglich Hunderte Menschen in die Abba-Arena pilgern, um die digitale "Voyage"-Show zu sehen, feiert Anni-Frid Lyngstadt nun also ihren 80. Geburtstag in den Schweizer Bergen - bewusst fern vom noch immer anhaltenden Trubel um ihre Person. Der ungebrochene Abba-Hype zeigt, wie stark die Songs und Stimmen bis heute wirken. Frida selbst sagte einst, dass sie es genieße, "in Ruhe und mit genügend Abstand leben zu können" - ein Kontrast zu den Jahren, in denen Termine, Tourneen und Studiozeiten ihr Leben bestimmten. Heute dirigiert sie ihren Alltag selbst, so leise und privat, wie sie es lange wollte, während die Welt ihre Musik weiterträgt.

Thank you for the music, Frida.

Quelle: ntv.de

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