Unterhaltung

"Tatort" als Impro-Workshop Theater des Grauens

Prösterchen! Frau Odenthal ermittelt undercover.

Prösterchen! Frau Odenthal ermittelt undercover.

(Foto: dpa)

Ist es eine "Kriminaloperette ohne Gesang" oder eher ein "Amateurstadl ohne Konzept"? In "Babbeldasch" müssen Lena Odenthal und ein wackerer Laientheater-Cast ohne Drehbuch über die Runden kommen. Eine harte Prüfung für alle Beteiligten.

In den besseren Momenten des neuen "Tatorts" rechnet man jeden Augenblick damit, Helmut Körschgen könnte irgendwo aus dem Fenster schauen. Den Mund schürzen, eine Kippe aus der Schachtel ziehen, sein prächtiges Feinripp-Unterhemd zur Schau stellen und genüsslich eine schmauchen. Dann nämlich hat "Babbeldasch" durchaus etwas vom anarchisch-absurden Geist alter Helge-Schneider-Filme und seiner zerknitterten Helden. Kein Drehbuch, kein Timing, ambitioniertes Herumstehen und ins Wort fallen, Kameramänner ohne Anhaltspunkt und ein Geschehen, dass oft selbst nicht weiß, wo es eigentlich lang soll.

Mario Kopper (Andreas Hoppe, hinten), Johanna Stern (Lisa Bitter), Peter Beck (Peter Espeloer) und Frau Keller (Annalena Schmidt) warten auf den Auftritt der Kommissarin.

Mario Kopper (Andreas Hoppe, hinten), Johanna Stern (Lisa Bitter), Peter Beck (Peter Espeloer) und Frau Keller (Annalena Schmidt) warten auf den Auftritt der Kommissarin.

(Foto: dpa)

Nur leider sind diese Momente zum einen rar gesät, zum andern ist soviel künstlerische Überhöhung angesichts der homöopathisch dosierten Handlungsfortläufe wohl doch einem gewissen Deutungsnotstand geschuldet. Tatsächlich ist das, was hier am Sonntag zur Primetime aus dem Bildschirm ins Wohnzimmer purzelt, auf Länge drehbuchreduziertes Laientheater. Mit Spaß, mit Lust an der Improvisation, leider bleiben dabei Spannung und Entertainment für alle Nichtinvolvierten größtenteils auf der Strecke.

Zur Story: Kripo-Kollege Peter Becker (Peter Espeloer) lädt Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ins Theater ein, ins Ludwigshafener Mundarttheater "Babbeldasch". Die Schauspieler kauderwelschen auf Pfälzisch vor sich hin, nennen ihr Stück "Die Oma gibt Gas" und am Ende, bzw. lange vor selbigem, liegt Hauptdarstellerin und Theaterleiterin Sophie Fetter (Marie-Luise Mott) mausetot in der Umkleide. Todesursache: Allergische Reaktion auf das Mohn-Topping ihres Croissants. Johanna Stern (Lisa Bitter) übernimmt schließlich die Ermittlungen und Kollegin Odenthal, vom Überstunden-Plus in die Freizeit gedrängt, erschleicht sich einen Platz im Ensemble,um ihre Nachforschungen undercover anzustellen.

Im vorletzten Jahr lief "Babbeldasch"-Regisseur Axel Ranischs "Alki Alki" im Kino - ein Film, mit dem der junge Berliner sein "Sehr gutes Manifest", ähnlich wie Lars von Triers Dogma eine mittelkurze Liste mit Forderungen an den idealen Film, bislang am zutreffendsten umgesetzt hat. Nach Ranisch agiert das Filmteam im besten Fall ohne Bedienungsanleitung, der Film ensteht "in einem einzigen, rauschhaften Arbeitsvorgang" und "aus Leidenschaft. Die Themen sind wahrhaftig, die Helden kommen aus der Nachbarschaft und trotzdem bewegen sie sich zwischen Realismus und Fantasie, zwischen Alltag und Abstraktion." So weit, so gut. Nun also knöpft Ranisch sich den "Tatort" vor.

Mal früh ins Bett?

Und in der Tat sind die Protagonisten von "Babbeldasch", es handelt sich um die Darsteller des Amateurtheaters Hemshofschachtel, mit Leidenschaft im Spiel und freunden sich sichtbar mit diesem beinah kindlichen und freiheitsliebenden Ansatz an. "German Mumblecore" nennen die Filmemacher ihre Stilrichtung und gemumblet, also gemurmelt, wird hier zwischen Backstube und Bühne, bis der Arzt, oder besser der Leichenbeschauer, kommt. Auch für Ulrike Folkerts ein Schritt zurück zu den Anfängen. "Ich habe mich wie in der Schauspielschule gefühlt", so die Odenthal-Darstellerin über ihren 65. Fall.

Die Crux daran: Leider fühlt sich auch der Zuschauer wie in der Schauspielschule, und ob nun genau das sein Ansinnen ist, beim Einschalten der ARD am Sonntagabend um 20.15 Uhr, ist mehr als fraglich. Spannung Fehlanzeige, Action an der Nulllinie, bleibt eine Prise Täterrätsel und die Erkenntnis, dass alle auf der anderen Seite des Bildschirms ihren Spaß hatten. Ein Gefühl, das der Zuschauer gegen 21.45 Uhr, wenn er denn so lange dabei bleibt, mehrheitlich wohl eher nicht teilen wird.

Quelle: ntv.de

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