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Kampf gegen AfD und Justiz Was bringt Enissa Amanis Haft-Wille?

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Würde für ihre Überzeugung weit gehen: Enissa Amani.

(Foto: picture alliance / xim.gs)

Enissa Amani würde für die Beleidigung eines AfD-Politikers ins Gefängnis gehen. Nicht, weil sie muss, sondern weil sie will. Der Künstlerin ist bereits jetzt etwas Wichtiges gelungen: Sie hat die Debatte über Rassismus angestoßen. Ob sie dafür wirklich den Knast braucht, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

"Wenn mich in der Nachbarschaft ein N**** anhustet, dann muss ich wissen, ob der krank ist oder nicht." Es sind fremdenfeindliche Äußerungen wie diese, die der bayerische Landtagsabgeordnete Andreas Winhart 2018 ins Publikum einer Wahlkampfveranstaltung brüllte. Als der AfD-Politiker schließlich vor Pflegekräften aus dem Ausland warnte, weil diese "einem die Bude ausräumen", jubelte ihm die Menge zu. Die Äußerungen Winharts triefen nur so vor Rassismus - allerdings sind sie bereits drei Jahre her. Was macht sie derzeit wieder aktuell und was hat die Comédienne Enissa Amani damit zu tun?

Zunächst einmal war die 39-Jährige fassungslos über den Auftritt Winharts. Zusammen mit vielen anderen zeigte sie den Politiker schon kurz nach dessen Auftritt wegen Volksverhetzung an. Im März 2019 machte sie dann auch über die sozialen Medien auf den Fall aufmerksam. "Andy Winhart, du elender Rassist", schrieb sie auf ihrer Instagram-Seite. Mit Bezeichnungen wie "Bastard" oder "Idiot" habe sie den AfD-Politiker "zwei Jahre lang nonstop beleidigt", schildert Amani das Geschehene nun auf einer Veranstaltung der Hochschule Frankfurt und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Das Ganze hat ein juristisches Nachspiel - für die Entertainerin. Denn der AfD-Politiker fühlte sich durch Amanis Posts "persönlich beleidigt" und zeigte sie an. Mit Erfolg: Amani wird wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Bis hierhin scheint es ein vor allem für prominente Persönlichkeiten normaler Rechtsstreit zu sein. Am Gehalt der Entertainerin gemessen, sind die 1800 Euro Strafe nicht einmal besonders hoch. "Ich glaube, die Staatsanwaltschaft wollte einfach, dass ich ganz schnell zahle und die Sache nicht noch größer mache", erklärt Amani, als sie in der Hochschule Frankfurt das erste Mal von ihrer Verurteilung berichtet. "Allerdings sind die bei mir an der falschen Stelle mit nicht größer machen."

Damit kam der Fall ins Rollen, denn Amani hat die Strafe nicht gezahlt. Auch als der Gerichtsvollzieher vor ein paar Wochen vor der Tür stand, bewegte sich kein Cent bei der Künstlerin. So kam es, dass ihr mittlerweile das Gefängnis droht. Denn wer seine Geldstrafe nicht zahlt, muss in Ersatzhaft. Das Gesetz schreibt einen Tag pro Tagessatz vor - für Amani hieße das 40 Tage Knast. Die Entertainerin ist sich dessen durchaus bewusst und erwartet ihre Ladung für den Haftantritt bereits im Dezember.

Winhart bleibt straffrei

Dass Amani nicht zahlt, ist per se noch nichts Besonderes. Der Grund dafür allerdings schon. Denn die Influencerin weigert sich nicht etwa, weil sie die Strafe nicht einsieht oder das Geld nicht hat. Im Gegenteil: "Ich finde es richtig, dass ich zahlen muss", betont sie in Frankfurt. "Ich finde es nur falsch, dass er nichts zahlen muss." Deswegen hat sich Amani entschieden: Sie wird nicht zahlen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen.

Das dürfte sich vor allem an die Justiz im bayerischen Traunstein richten. Denn die beschäftigte sich nicht nur mit der Verurteilung von Amani, sondern auch mit den Anzeigen gegen Andreas Winhart wegen Volksverhetzung. Im Gegensatz zur 39-Jährigen konnte der mittlerweile zum parlamentarischen Geschäftsführer aufgestiegene Politiker schnell aufatmen: Die Staatsanwaltschaft leitete kein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Sie sieht den Tatbestand der Volksverhetzung nicht verwirklicht. Winhart hat "die Menschenwürde von Personen oder Personenmehrheiten" laut Justiz also nicht derart angegriffen, "dass diese beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden". Eine Anklage wird es damit nicht geben.

Die Künstlerin betont in Interviews immer wieder, dass sie das deutsche Rechtssystem grundsätzlich sehr schätze. Das ist verständlich, denn die Deutsch-Iranerin flüchtete als Baby aus einem Land, in dem ihr Vater nur wegen seiner politischen Einstellung vier Jahre im Gefängnis saß. Allerdings zeigt der aktuelle Fall auch die Tücken hierzulande auf: Da Rassismus an sich nicht strafbar ist und der Tatbestand der Volksverhetzung Auslegungssache, kommt es vor, dass rassistische Äußerungen wie die von Winhart straffrei bleiben.

"Recht auf polemische Zuspitzung"

So schreibt die Staatsanwaltschaft Traunstein, sie habe sich bei ihrer Entscheidung an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Meinungsfreiheit orientiert. Die stehe gerade im politischen Wahlkampf unter besonders hohem Schutz. Der AfD-Politiker hatte "ein Recht auf polemische Zuspitzung und zur bewussten Provokation". Und wenn das die Würde anderer Menschen verletzt?

Laut BVerfG sind Äußerungen so lange erlaubt, wie es mindestens eine Möglichkeit gibt, sie straffrei zu deuten. Oder einfacher: Aus Winharts Warnung vor albanischen und kosovarischen Pflegekräften wird Kritik an der Gesundheitspolitik. Die Äußerung des Politikers "die Soros-Flotte mit den ganzen Rettungsbooten im Mittelmeer zu versenken", könnte man auch als Kritik an Deutschlands Flüchtlingspolitik verstehen. So zumindest interpretiert es die Staatsanwaltschaft Traunstein.

Und wenn sich nun doch die eine oder andere Person of Color gedemütigt fühlt? Dann kann sie Winhart zumindest nicht wegen Beleidigung anzeigen, denn persönlich angesprochen hat er sie nicht, und Kollektivbeleidigungen gibt es in Deutschland nicht.

Von der Comédienne zur Aktivistin

Die Meinungsfreiheit ist ein für die Demokratie schlechthin konstituierendes Grundrecht - das lernt jeder Jura-Student im ersten Semester. Es ist nicht leicht und eine Gratwanderung, die richtige Balance zwischen ihr und anderen Rechten zu finden. Auch im Fall Amani geht es um die Meinungsfreiheit in einer politischen Auseinandersetzung. Die Comédienne hätte sich einen Anwalt nehmen, auf ihre Kunstfreiheit berufen und das Urteil mit Rechtsmitteln angreifen können. Doch all das wollte sie nicht. Was sie will, ist ein Zeichen dagegenzusetzen, "dass sich ein deutscher, weißer Mann hinstellt und sagt: 'Alle schwarzen Menschen sind krank.'" Dafür lässt sich die Künstlerin im Zweifel auch die Freiheit nehmen.

Das Mittel klingt radikal, doch Amani bezeichnet sich mittlerweile selbst "mehr als Aktivistin, als als Künstlerin". Ihr Bühnenprogramm hat sich im Laufe der Jahre verändert. Wo sie früher über ihre Nasen-OP und ihren Ex-Freund sprach, will sie heute den politischen Diskurs anschieben. Als es für die WDR-Sendung "Die letzte Instanz" Rassismus-Vorwürfe hagelte, organisierte Amani ihre eigene Show mit dem Titel "Die beste Instanz" und sprach über Antisemitismus und das Z-Wort. Für ihre Beteiligung an der Debatte bekam sie den Grimme-Preis.

Nun nutzt Amani auch im Fall Winhart ihre Reichweite, um die öffentliche Debatte um die politische Einstellung der Justiz und den Umgang mit rassistischen Äußerungen anzutreiben. Mit Erfolg: In den sozialen Medien bekommt sie viel Zuspruch, und etliche Medien berichten über den straffreien AfD-Politiker und Amani, die bereit ist, deswegen ins Gefängnis zu gehen.

Wie weit muss es gehen?

Allerdings kann das Medieninteresse noch so groß und ihre Haft noch so lang sein - für eine mögliche Strafe für Winhart spielt das keine Rolle. Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Verfahren. Die Entertainerin betont, es würde ihr reichen, wenn der bayerische Abgeordnete "nur 50 Euro zahlen muss". Allerdings setzt eine noch so geringe Strafe voraus, dass Winhart einen Straftatbestand erfüllt. Das tut er - laut Staatsanwaltschaft Traunstein - eben nicht.

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Eine Botschaft an die Justiz hat sie mit ihrer Weigerung bereits gesendet. Vielleicht hätte die sogar noch größer sein können, wenn Amani statt die Strafe hinzunehmen in Berufung gegangen wäre. Das hätte Winhart zwar keinen Cent abgewonnen, allerdings hätten sich Richter und Staatsanwaltschaft zumindest noch einmal mit dem Geschehenen befassen müssen. Die Künstlerin hätte in der Verhandlung eine weitere Plattform gehabt, auf das Thema hinzuweisen.

Denn darum geht es ihr als Aktivistin: Laut sein, aufmerksam machen und die rassistischen Äußerungen Winharts nicht in Vergessenheit geraten lassen. All das kann Amani nicht, wenn sie 40 Tage in einer Zelle sitzt. Noch könnte sie das vermeiden - indem sie die Strafe zahlt.

Quelle: ntv.de

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