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"Do They Know It's Christmas?" Weihnachts-Hit wird 40 und ist umstrittener denn je

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Klassenfoto aus dem Jahr 1984: die Originalbesetzung von Band Aid.

Klassenfoto aus dem Jahr 1984: die Originalbesetzung von Band Aid.

(Foto: picture alliance / empics)

"Schädliche Stereotypen" und "Entmenschlichung": 40 Jahre nach Veröffentlichung von "Do They Know It's Christmas?" muss Band-Aid-Vater Bob Geldof Kritik für seine Charity-Single einstecken. Auch von Ed Sheeran, der in der 2014er-Version noch gerne mitgesungen hat.

Im Jahr 1984 trifft sich eine Gruppe Popstars in einem Studio im Westen Londons, um gemeinsam einen Song aufzunehmen, der Geschichte schreiben wird. Die Charity-Single "Do They Know It's Christmas?" nahm Millionen ein, inspirierte weltweit ähnliche Spendenaktionen und wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten diverse Male neu aufgenommen. Bob Geldof, der Frontmann der Boomtown Rats, hatte den Song zusammen mit Ultravox-Star Midge Ure als Reaktion auf die Berichterstattung über die damalige Hungersnot in Äthiopien geschrieben. Die Kombination aus damals angesagten Stars wie George Michael, Bono, Phil Collins, Sting oder Boy George mit einer eindringlichen musikalischen Botschaft, die Ärmsten der Welt nicht zu vergessen, während man Geschenke unter dem Weihnachtsbaum auspackt, funktionierte.

"Dieser kleine Popsong hat Millionen von Menschen am Leben erhalten", erklärte Bon Geldof jetzt 40 Jahre später in einem Interview der "Sunday Times". Mit seiner damals gegründeten Band-Aid-Initiative generierte der Musiker nach eigenen Angaben seitdem mehr als 140 Millionen Pfund (etwa 168 Millionen Euro) an Spenden.

Ed Sheeran übt Kritik am Weihnachts-Hit

Zum 40. Jubiläum ist "Do They Know It's Christmas?" nun noch einmal neu abgemischt veröffentlicht worden. An diesem Montag wird ein sogenannter "Ultimate Mix" mit Stimmen aus dem Original von 1984 sowie den Neuauflagen von 2004 (als Band Aid 20) und 2014 (als Band Aid 30) zum ersten Mal im BBC-Radio zu hören sein. Einer, der keine Lust hatte, auf der Jubiläums-Version vertreten zu sein, obwohl er 2014 noch dabei war, ist Sänger Ed Sheeran. Er hat sich in einem Statement in den sozialen Medien von "Do They Know It's Christmas?" distanziert. Auf Instagram schreibt Sheeran: "Meine Zustimmung wurde für diese neue Band-Aid-40-Veröffentlichung nicht eingeholt, und wenn ich die Wahl gehabt hätte, hätte ich die Verwendung meines Gesangs respektvoll abgelehnt. Ein Jahrzehnt später hat sich mein Verständnis für die damit verbundene Geschichte geändert."

Ed Sheeran hat keine Lust mehr auf "Do They Know It's Christmas?".

Ed Sheeran hat keine Lust mehr auf "Do They Know It's Christmas?".

(Foto: IMAGO/Fotoarena)

Als Begründung teilte der "Shape Of You"-Sänger in seinen Storys einen Post des britisch-ghanaischen Sängers Fuse ODG, in dem dieser seine Gefühle zu dem Song erklärte. "Sie mögen zwar Sympathie und Spenden generieren, aber sie halten dabei an schädlichen Stereotypen fest, die das Wirtschaftswachstum, den Tourismus und die Investitionen in Afrika bremsen", schreibt dieser über Wohltätigkeitsinitiativen wie Band Aid. Das zerstöre "die Würde, den Stolz und die Identität" des Kontinents und koste ihn Milliarden. Durch die Verwendung "entmenschlichender Bilder" werde eher "Mitleid als Partnerschaft" gefördert und "sinnvolles Engagement" behindert, so Fuse ODG. Lösungen für den Fortschritt Afrikas lägen längst in den Händen der Afrikaner.

"Abstraktes Wohlstands-Welt-Argument"

Bob Geldofs Reaktion auf Sheerans und Fuse ODGs öffentliche Kritik an seinem Projekt fällt deutlich aus. Er spricht im Interview mit der "Sunday Times" von einem "abstrakten Wohlstands-Welt-Argument", das mit der Realität nichts zu tun habe. "Es gibt 600 Millionen Menschen auf der Welt, die hungern - 300 Millionen davon sind in Afrika. Wir hätten gerne, dass es anders wäre, aber das ist es nicht", so Geldof. "Warum sollte Band Aid aufhören, Tausenden Kindern Essen zu geben, deren Mahlzeiten von uns abhängen?"

Haseeb Shabbir, Professor am Centre for Charity Effectiveness an der University of London, erklärte in einem Interview mit "The Guardian", dass das Problem bei Charity-Organisationen wie Band Aid oftmals darin läge, dass "Afrika immer als ein Ort dargestellt wird, an dem Kinder ständig in Gefahr sind". Die Afrikaner würden als "unfruchtbare Zivilisation" dargestellt, die Rettung nötig hätten, während es als "moralische Verpflichtung hauptsächlich weißer Spender dargestellt wird, eine Gruppe von Menschen zu retten, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen Probleme zu lösen". Mit dieser problematischen Darstellung stehe Band Aid allerdings nicht allein da, viele wohltätige Organisationen bedienten sich einem ähnlichen Narrativ. Doch bei dem von Geldof ins Leben gerufenen Projekt sieht Shabbir ein besonderes Problem: Diese kritische Botschaft sei durch den Song besonders "stark verbreitet und gefeiert" worden. Neben den Millionen von Streams der Originalsingle, die jedes Jahr abgerufen werden, erreichte Band Aid 30 vor zehn Jahren in 69 Ländern Platz eins.

Der internationale Entwicklungssektor habe sich in vier Jahrzehnten stark verändert, erklärte auch Lena Bheeroo, Leiterin der Abteilung für Antirassismus und Gleichberechtigung bei Bond, einem Dachverband für Entwicklungsorganisationen, gegenüber "The Guardian". "Bilder von Armut, Krankheit, Konflikten und unterernährten Kindern, die von Fliegen bedeckt sind" würden heutzutage nicht mehr verwendet. Auch keine "Formulierungen, die die Machtlosigkeit der Empfänger verstärken".

"Band Aid wurde in einer Zeit gegründet, in der (die Verwendung dieser Bilder) als das Richtige angesehen wurde. Aber wir leben nicht mehr im Jahr 1984, sondern im Jahr 2024, und die Diskussionen darüber, was es bedeutet, (in diesem Bereich zu arbeiten), haben sich verändert", so Bheeroo.

Umstrittene Textzeile wurde geändert

Bob Geldof wehrt sich gegen Kritik an seinem Charity-Superhit aus dem Jahr 1984.

Bob Geldof wehrt sich gegen Kritik an seinem Charity-Superhit aus dem Jahr 1984.

(Foto: picture alliance/dpa)

Geldof reagiert auf solche Kritik auch aktuell mit dem Hinweis auf die Erfolge von Band Aid: "Dieser kleine Popsong hat Hunderttausende, wenn nicht Millionen von Menschen am Leben erhalten. Tatsächlich hat Band Aid gerade heute Hunderttausende von Pfund gespendet, um denjenigen zu helfen, die vor dem Massengemetzel im Sudan fliehen, und genug Geld, um weitere 8000 Kinder in denselben betroffenen Gebieten Äthiopiens wie 1984 zu ernähren." Diejenigen, denen geholfen worden sei, "werden heute Nacht dank dieser wunderbaren kleinen Platte sicherer, wärmer und gepflegter schlafen".

Komplett perlt die Kritik allerdings auch an Geldof nicht ab. In der "Do They Know It's Christmas?"-Version von 2014 wurde die im Original von Bono gesungene umstrittene Textzeile "Well tonight thank God it's them instead of you" ("Danke Gott heute Nacht dafür, dass es sie trifft und nicht dich") durch "Well tonight, we're reaching out and touching you" ("Heute Abend reichen wir dir die Hand und berühren dich") ersetzt.

Die Aufnahme zum 40-jährigen Bestehen des Hilfsprojektes ist ein Zusammenschnitt der letzten drei Aufnahmen aus den Jahren 1984, 2004 und 2014, der auf Vinyl, als CD und als Stream verkauft werden soll. Von jeder verkauften Vinylplatte sollen britischen Medienberichten zufolge mindestens fünf britische Pfund (rund sechs Euro), von jeder CD 1,50 Pfund und von jedem Stream 0,50 Pence für die Afrika-Hilfe gespendet werden.

Quelle: ntv.de, csp/dpa

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