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Teilzeitfeministin Heike Kleen "Lächel' mal, dann bist du viel hübscher"

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Lächelt ungern auf Bestellung: Heike Kleen. Dafür bringt sie die anderen gern zum Lachen.

(Foto: Eva Haeberle)

Wie oft haben Sie sich heute denn schon in die Tasche gelogen und von sich selbst behauptet, alles super hinzukriegen? Um dann abends festzustellen, dass dem doch nicht so war. Ärgern Sie sich nicht, das passiert den Besten unter uns! Journalistin, Mutter, Ehefrau, Autorin und "Teilzeitfeministin" Heike Kleen erzählt uns in ihrem Buch auf höchst vergnügliche Art und Weise, wie wir mit dem Dilemma in Zukunft vielleicht ein bisschen entspannter umgehen können. Mit ntv.de spricht Kleen über die drei großen K's (Karriere, Küche, Kinder) im Leben. Und die großen F's: Familie, Feminismus und Fun.

ntv.de: Das Thema Feminismus, und dann auch noch in Teilzeit - wann wurde es so drängend, dass du dachtest, daraus ein Buch machen zu müssen?

Heike Kleen: Es läpperte sich so zusammen, ich merkte, dass meine Ansprüche und die Wirklichkeit nicht zusammen passten, und ich wollte mich meiner Unzufriedenheit stellen. Seit ich Kinder habe, bin ich vormittags die Journalistin, die Texte über Gleichberechtigung schreibt. Und am Nachmittag werde ich zur Hausfrau und Mutter. Dabei wollte ich doch Feministin sein - passt das zusammen und wie zufrieden bin ich mit der Situation? Ich fürchte, wir lügen uns selbst sehr oft in die Tasche.

Was sind denn die typischen Lügen, die wir Frauen uns immer wieder selbst vorgaukeln?

"Ich kriege das super hin." "Ich wollte ja auch gar nicht mehr arbeiten." "Karriere war mir nie so wichtig." "Mein Mann macht genau so viel wie ich, erst gestern wieder hat er ganz toll gekocht." "Die Kleine schläft schon durch." (lacht) Ich wollte einfach mal ehrlich sein, und aufzeigen, mit welchen Widersprüchen wir Frauen leben - spätestens, als Mütter. Es war mir aber auch sehr wichtig, das mit Humor rüberzubringen.

Nicht so einfach, wenn es um Familie, Feminismus, und Gleichberechtigung geht.

Genau, das sind Themen, die einen oftmals eher runterziehen oder als spaßbefreit gelten. Da braucht es dringend Selbstironie.

Das funktioniert in dem Buch ja ganz gut, neben einigen "Aha!"-Momenten musste ich immer wieder sehr lachen. Du wolltest gerne Feministin sein, sagtest du eingangs …

Als Kind habe ich natürlich nicht gesagt: "Wenn ich groß bin, werd' ich Feministin." Ich dachte immer, dass mir die Welt offen steht. Ich darf studieren, ich kann Karriere machen, alles wird gut, es wird nie aufhören. In meiner Kindheit habe ich vieles nur in Nuancen mitgekriegt. Auf Fotos wurde mir etwa häufig gesagt: "Lächel' mal, dann bist du viel hübscher." Die Jungs in meiner Familie haben so etwas nie zu hören bekommen. Die Mutterschaft schließlich zerschmettert den Mythos von der Gleichberechtigung gnadenlos, wirft uns zurück oder reibt uns auf, weil wir alles gleichzeitig wollen.

Und mit einem Kind ändert sich dann plötzlich alles …

Ja, da kommt diese Zerrissenheit: Ich will für mein Kind da sein, ich will aber auch arbeiten. Ich will mich selbst verwirklichen, ich will mein Kind aber auch nicht den ganzen Tag weg organisieren. Ich hatte diese ganzen Emotionen und auch die körperliche Belastung total unterschätzt. Ich hatte immer gedacht, wenn ich mal ein Kind habe, dann nehme ich das einfach überall mit hin und das schläft dann dort, so wie ich das möchte. Die Realität sieht anders aus (lacht), wenn das Kind seinen Schlafrhythmus nicht bekommt, dann gehst du nirgendwo mehr hin. Weil du gar nicht mehr kannst vor Müdigkeit.

Jetzt können aber immer noch nur Frauen Kinder kriegen, auch wenn man für den Rest keinen Mann mehr braucht …

… mit jemandem an der Seite ist es aber schöner, …

… ja, auf jeden Fall, aber die Sache an sich wird sich rein biologisch nicht ändern. Was also tun?

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Kinder werden ja größer, das heißt, man wächst auch wieder raus aus dieser totalen Gluckennummer. Und man muss natürlich ständig daran arbeiten, am besten mit seinem Partner, dass es möglichst gleichberechtigt zugeht. Andererseits muss man sich wohl klarmachen, dass man sich um seine Kinder, weil man sie immer liebt, auch dann noch Sorgen und Gedanken machen wird, wenn sie längst ausgezogen sind.

Das ist so. Wenn es den Kindern nicht gut geht, egal wie alt sie sind, dann wird einen das wohl nie kalt lassen.

Das alles zu vereinbaren mit dem Leben, das man vor Kindern geführt hat, wird schwer. Sicher gibt es Frauen, die so super organisiert sind.

Was wäre denn deine Vorstellung einer idealen, gerechten Aufteilung?

Beide teilen sich die Elternzeit gerecht und arbeiten danach beide in den ersten Jahren höchstens 25-30 Stunden, nur dann kann man diese ganze Mental-Load-Belastung richtig verteilen und Zeit für Kinder haben. Aber das müsste von Arbeitgebern und Politik unterstützt werden.

In der Elternzeit dann mit dem VW-Bus und dem Baby durch Europa tuckern klingt immer so super, aber "hast du auch an die Ersatz-Schnuller, genug Windeln und die Globuli gedacht, Schatz"? Diese Frage geht doch meist immer noch an Frauen …

Das ist die ewige To-Do-Liste, die wir so mit uns herumschleppen, die kennt jede Frau.

Und am Ende des Tages bedanken sich dann alle bei Papa, weil er heute gekocht hat, aber dass die Frau die Wäsche zusammenlegt, ans Hundefutter gedacht hat und die Klassenfahrt bezahlt ist, das geht so vollkommen unter.

(lacht) Ja, das ist doch schlimm! Ich habe mich mal bei meinem Mann bedankt, dass er mir "den Rücken frei gehalten hat", während ich zwei Tage auf Dienstreise war. Da hat er zum Glück echt gelacht und gesagt, wieso bedankst du dich denn dafür? Und das stimmt ja irgendwie auch.

Das steckt noch immer in uns drin …

… es ist eine Form der Sozialisierung …

… und die Kinder finden es immer noch großartig, wenn Papa sie 15 Minuten zu spät von der Schule abholt, nölen aber, wenn die Mama nichts zu essen dabei hat, obwohl sie pünktlich ist. Wie kommen wir da raus?

Männer werden ja in den meisten Fällen weiter umsorgt, die Familie nimmt Rücksicht, wenn der schwer arbeitende Mann nach Hause kommt, "psst, Kinder, Papa muss sich erstmal ausruhen". Das ist in vielen Familien noch immer so.

Der Mann als eine Art Hilfe - eigentlich keine schöne Rolle ….

Stimmt, denn wir wollen ja keine Hilfe, sondern einen Sparringpartner, jemanden, der auch weiß, dass der Müll raus muss. Nicht jemanden, dem man sagt: "Bring doch mal bitte den Müll runter". Der das dann zwar macht, und bei dem wir, die Frauen, uns dann bedanken. Wofür? Ist doch auch sein Müll! Warum sieht er das nicht? Männer benutzen unsere Festplatten ganz selbstverständlich einfach mit, dieses Wissen rund um Kinder, Küche, Organisation, all das ist bei Frauen abgespeichert und wird nur bei Bedarf abgerufen. Die freien Kapazitäten bei den Männern können dann für andere Dinge genutzt werden.

Die Karriere beispielsweise ….

Genau (lacht).

Wie erziehen wir denn nun unsere Kinder am besten?

Mädchen bekommen inzwischen viel mehr Unterstützung und ziehen aktuell an den Jungs vorbei, sie haben bessere Schulnoten, sind zielstrebiger, das Schulsystem ist aber auch eher für Mädchen gemacht. Da können Jungs schon benachteiligt werden, auch von Lehrern. Andererseits - was nützt es den Mädchen, wenn sie super Noten haben und eine super Ausbildung, wenn sie dann aber spätestens in dem Moment, wo sie ein Kind bekommen, von den ehemals schluffigeren Jungs dennoch überholt werden? Die machen einfach dadurch Karriere, dass sie – überwiegend und noch immer - ununterbrochen im Beruf bleiben. Über 70 Prozent der deutschen Frauen mit kleinen Kindern sind in Teilzeit, aber nur um die sieben Prozent der Männer. Da müsste man mal drüber reden, das machen wir doch nicht nur aus Genügsamkeit, sondern weil wir noch keine andere Lösung gefunden haben. Am Ende zuppelt sich also alles zurecht, und mein Mitleid mit den Jungs hält sich in Grenzen. Ich darf das übrigens sagen, denn ich bin Mutter eines Jungen und eines Mädchens (lacht).

Jungs sitzen später also doch wieder unter sich im Vorstand?

Ja, auch wenn ihre Leistungen gar nicht so doll waren, haben sie nicht diese biologische Bremse, und obendrein haben sie ein ununterbrochenes Netzwerk. Frauen müssen beginnen, sich gegenseitig mehr zu unterstützen, sich ihren eigenen Stil herausarbeiten, auch, zu führen. Es reicht nicht, die männliche Arbeitswelt zu kopieren, nein, sie müssen eine eigene Komponente da reinbringen. Es geht nicht nach den Macho-Maßstäben, wer hat den längsten Arbeitstag und wer am längsten das Licht anhat der wird am ehesten befördert. Das ist doch eh Quatsch.

Der Maßstab wird aber auch anders angesetzt

Ja, ein Mann ist durchsetzungsstark, eine Frau anstrengend, wenn sie auf ihrer Meinung beharrt. So funktioniert das nicht. Es wäre schön, wenn wir einen anderen Führungsstil entwickeln, dass wir von diesem "Mann/Frau"-, Schwarz/Weiß"-Ding wegkommen. Die Frage ist: Wie führen wir ganz einfach erfolgreich? Egal ob als Mann oder Frau - sondern als Mensch.

Und man - oder frau - will ja keine Männerhasserin sein, bloß um Frauen zu empowern, denn das wäre doch der falsche Umkehrschluss.

Deswegen steht in meinem Buch auch der Satz: "Ich liebe Männer." Wir müssen endlich begreifen, dass Feminismus auch gut ist für Männer. Wenn wir gleichberechtigt wären, sich jeder für alles zuständig fühlen würde, dann müssten Männer sich auch nicht mehr so abstrampeln, sich als Ernährer verstehen oder ihre Männlichkeit beweisen. Es gibt Studien darüber, dass Männer in gleichberechtigten Gesellschaften gesünder sind und mehr Sex haben - wenn das kein Argument ist.

Geschlechtsneutralität kann nicht das Ziel sein, oder?

Es gibt Männer mit weiblichen Zügen und Frauen mit männlichen. Es ist eine ganze Palette Grau zwischen Schwarz und Weiß, und das ist alles richtig. Weiblichkeit wird als negativ angesehen: Eine Frau ist schwach, devot und zurückhaltend. Aber auch empathisch, liebevoll und zärtlich. Grundsätzlich gute Eigenschaften, die nehmen wir dankend an, nur nicht ernst. Männlichkeit bedeutet dagegen stark, kraftvoll, dominant und führend zu sein. Diese Attribute könnten ja aber auch völlig neutral benutzt werden.

Abweichen vom Mainstream wird gerade vor allem von Männern in den sozialen Medien gezeigt, die ihre Weiblichkeit betonen und Röcke anziehen, Lippenstift benutzen und so weiter.

Das ist wunderbar. In meiner Generation fiel es manchen ja noch schwer, sich als homosexuell zu outen, aus Angst vor den Reaktionen der Umwelt. Wenn Menschen, die sich nun also divers fühlen oder queer, Vorbilder in den Medien sehen, dann hoffe ich, dass das immer mehr werden. Dass man sich an der Vielfalt erfreut, und nicht, dass man sie verurteilt.

Dein Rat an junge Frauen?

Finanzielle Unabhängigkeit. Faire Aufteilung in einer Beziehung, das muss immer wieder neu verhandelt werden, gerade am Ende der Elternzeit. Sonst bleibt das meiste bei den Frauen hängen. Wenn eine Frau wegen der Kinder mehr zu Hause bleibt, dann ist das nicht zu verurteilen, sondern von dem Mann auszugleichen, indem er in ihre Rentenkasse einzahlt zum Beispiel. Wenn die Frau in Teilzeit geht, dann hat sie ihre Arbeit UND den Haushalt, denn der Mann arbeitet meist ja trotzdem voll weiter, während sie in der Altersarmut landet. Das geht nie gerecht aus. Dieses Care-Arbeits-Modell hat nichts mit Emanzipation zu tun, das ist Ausbeutung.

Ein Satz zur Corona-Pandemie: Die hat Frauen und Familien nicht nur gesundheitlich schwer zu schaffen gemacht, oder?

Das sehe ich ähnlich. Wenn meine Kinder etwas gelernt haben in dieser Zeit, dann Politikverdrossenheit. Und wenn mich persönlich etwas wirklich enttäuscht hat in dieser Zeit, dann die Art und Weise der Regierung, mit Familien und Schule umzugehen. Wenn meine Kinder sich gewundert haben, dass Fitnessstudios vor Schulen öffnen, Flugzeuge voll besetzt sein können aber Schulklassen nicht, dann konnte ich ihnen nur erklären, dass ihre Stimme einfach nicht zählt und sie relativ uninteressant für die Wirtschaft sind. Dabei hat schon John F. Kennedy gewusst: "Es gibt nur eine Sache, die teurer ist als Bildung. Und das ist keine Bildung."

Ich habe den Eindruck, dass es manchmal sogar wieder schwieriger ist, eine Frau zu sein, wenn man sich öffentlich zu etwas äußert. Oder ganz einfach nur Fußball-Kommentatorin ist ...

Auf jeden Fall. Die Frauenfeindlichkeit wächst momentan, das Netz bietet die perfekte Möglichkeit, sie anonym zu beschimpfen. Je lauter eine Frau ist, je öffentlicher und je mehr sie leuchtet, desto mehr Gegenwind bekommt sie. Umgekehrt bekommen Frauen mehr Likes, wenn sie sich einem tradierten Rollenmuster entsprechend verhalten, wenn sie beispielsweise auf YouTube Schmink- oder Backtipps geben. Aber nicht, wenn sie sich politisch äußern oder witzig sind oder abenteuerlustig.

Dein Plädoyer für Feminismus am Schluss …

Feminismus ist wichtiger denn je und sollte selbstverständlich sein. Blicken wir nach Afghanistan, dort werden Frauen umgebracht, einfach, weil sie Frauen sind, die in den letzten 20 Jahren ein aktives Leben geführt haben. Da komme ich mir fast albern vor als weiße privilegierte Frau mit meinen Forderungen für Frauen in unseren Breitengraden. Aber dennoch: Feminismus muss gelebt werden, überall. Wir werden dadurch zum Vorbild für andere.

Mit Heike Kleen sprach Sabine Oelmann

Quelle: ntv.de

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