Kino

"Die Mitte der Welt" im Kino Andere Familien sind auch Mist

Phil (Louis Hoffmann, r.) erlebt in "Die Mitte der Welt" seine erste Liebe - mit einem Jungen.

Phil (Louis Hoffmann, r.) erlebt in "Die Mitte der Welt" seine erste Liebe - mit einem Jungen.

(Foto: Universum)

Die erste Liebe ist herrlich und furchtbar. Phil erlebt sie. Der Film "Die Mitte der Welt" erzählt aus dem Leben eines normalen Teenagers - mit außergewöhnlichen Bildern und einem weltoffenen Blick, der seinesgleichen sucht.

Ganz normal schwul könnte man Phil nennen. Nur weiß man das zu Beginn der Geschichte noch nicht. Ist aber auch gar nicht so wichtig - beziehungsweise nur so wichtig wie nötig. Der Film "Die Mitte der Welt" zehrt nämlich dankenswerterweise nicht von Coming-Out-Dramatik, sondern thematisiert ganz einfach die Probleme der ersten großen Liebe und das, was drumherum noch so alles passieren kann.

Obwohl ihm bald so einige Außergewöhnlichkeiten passieren werden, ist der 17-jährige Phil (Louis Hoffmann) zunächst mal einer von vielen. "Ich bin ein ganz normales Landei. Vielleicht ein bisschen schwuler als andere, aber sonst Standardausstattung", beschreibt er sich selbst. Phil hat einen Vater, den er nicht kennt, eine Mutter (Sabine Timoteo), deren erklärtes Ziel es zu sein scheint, sich in ihrer Andersartigkeit gegen alle zu behaupten, eine Schwester (Ada Philine Stappenbeck), die plötzlich nicht mehr mit ihm spricht, eine beste Freundin (Svenja Jung), der er nicht vertrauen kann, und mit der Liebe geht es ja gerade erst los. Wenn "Die Mitte der Welt" nach etwas schmecken würde, dann vielleicht nach Karamell und Kotze - im besten Sinne.

Die Romanvorlage von Andreas Steinhöfel ist ein ordentlicher Schinken und so verwundert es kaum, dass der Regisseur des Films, Jakob Erwa, gleich ein paar Jahre investieren musste, um die Geschichte für die Leinwand einzudampfen. Wo Handlungsstränge verschwinden mussten, hat er die Lücken mit Bildern gefüllt, die nicht einfach atmosphärisch sind, sondern tatsächlich von Gefühlen erzählen. "Die Mitte der Welt" ist durchsetzt von märchenhaft anmutenden Sequenzen. Manchmal wirkt das wie ein verzweifeltes Ringen um künstlerische Wertigkeit abseits der doch recht pädagogischen Botschaft des Films, manchmal funktioniert es.

"Sicherheit gibt es in keiner Beziehung"

"Die Mitte der Welt" ist revolutionär in der Erzählweise, insofern als der Film nicht von der Dramatik des einzelnen Schicksalsschlags gespeist wird, sondern erst in seiner Akzeptanz der verschiedenen Faktoren als ein rundes Leben seine volle Wirkung entfaltet. "Sicherheit gibt es in keiner Beziehung", lautet ein Rat den Phil zu einem Zeitpunkt annehmen muss. Damit sind nicht nur Liebesbeziehungen gemeint. Was die Protagonisten als titelgebende Mitte ihrer jeweils eigenen Welt ausmachen, wird sie am meisten verletzen, wird sie am meisten lehren und prägen, bis sie es als einen Teil ihrer Vergangenheit wie ihrer gegenwärtigen Identität gleichermaßen annehmen.

Auch auf dem sinkenden Schiff sitzt man noch im gleichen Boot. Irgendwie so funktioniert Familie und auch Freundschaft, wenn sie es wert ist. "Die Mitte der Welt" sprengt etablierte Kategorien der Zugehörigkeit - zwischen Eltern und Kind, zwischen besten Freunden und zwischen Partnern, doch nur, um ehrlichere, echtere und vor allem dauerhafte Formen einer Gemeinsamkeit zu entwickeln. Wollen sie sich wirklich nah sein, müssen die Figuren einander die Wahrheit zumuten. Authentizität ist eine dieser Eigenschaften, die in Zeiten von Social Media & Co. alle gern für sich beanspruchen. "Die Mitte der Welt" beweist, dass sie Leben rettet.

"Die Mitte der Welt" läuft seit 10. November in den deutschen Kinos.

Romanvorlage "Die Mitte der Welt" bei Amazon bestellen oder bei iTunes downloaden

Quelle: ntv.de

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