"Ballad of Songbirds & Snakes" "Panem" ohne Jennifer Lawrence - geht das?
16.11.2023, 16:54 Uhr Artikel anhören
Willkommen zurück in der Arena von Panem!
(Foto: Lionsgate/ LEONINE Studios)
Über zehn Jahre sind vergangen, seit die "Tribute von Panem" im Kino durch die Decke gingen - und mit ihnen Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence. Nun kommt mit "The Ballad of Songbirds & Snakes" ein Prequel auf die Leinwand. Neue Epoche, neue Story, neuer Cast. Haut das hin?
Wir schreiben das Jahr 2012. "Yolo" ("You only live once"), "FU" (für "Fuck You") und "Yalla!" sind soeben zu den drei Jugendwörtern des Jahres gewählt geworden. Und im Kino geht mit "Breaking Dawn - Bis(s) zum Ende der Nacht, Teil 2" gerade die "Twilight"-Filmreihe schmalztriefend zu Ende, die jahrelang die Kids in Wallung gebracht hatte. Machte aber auch nichts: Mit "Die Tribute von Panem" stand schließlich bereits der nächste Teenie-Kitsch in den Startlöchern. Das dachte man jedenfalls.
Die Reihe rund um die brachialen "Hungerspiele" in einer dystopischen Nachkriegslandschaft namens Panem sollte allerdings alsbald alle eines Besseren belehren. Die auf den Romanen von US-Autorin Suzanne Collins basierende Saga hatte nicht nur das Potenzial, bei Heranwachsenden für aufgeregte Schnappatmung zu sorgen. Das war Fantasy-Kino à la bonne heure, das auch Zuschauerinnen und Zuschauer jenseits des Zahnspangen-Alters zu begeistern wusste. Allein in Deutschland lösten mehr als zwei Millionen Menschen beim Auftakt der Filmreihe ein Ticket. Für das Finale "Mockingjay, Teil 2" strömten dann sogar mehr als vier Millionen Besucherinnen und Besucher in die Kinosäle.
War die Reihe so bahnbrechend, weil Jennifer Lawrence als Katniss Everdeen die Amazone mit Pfeil und Bogen so überzeugend verkörperte? Oder war es der Erfolg der Saga, der die Schauspielerin auf einmal so weit nach oben spülte, dass sie 2013 mit gerade mal 22 Jahren bereits ihren ersten Oscar einheimste? Nicht für "Panem", versteht sich, sondern für "Silver Linings". Das Fantasy-Spektakel wurde von der Academy geflissentlich ignoriert. An Lawrence kam man dann aber irgendwie doch nicht vorbei.
Im Fokus: Coriolanus Snow
Im Film "Die Tribute von Panem: The Ballad of Songbirds & Snakes", der jetzt - acht Jahre nach "Mockingjay, Teil 2" - in die Kinos kommt, spielt Lawrence nicht mit. Schließlich handelt es sich um ein Prequel, das ein paar Jahrzehnte vor den Ereignissen rund um Katniss Everdeen angesiedelt ist. Dennoch liegt auf dem Streifen der lange Schatten von Everybody's Darling in Hollywood. So steht in ihm der junge Coriolanus Snow im Mittelpunkt - und damit der Mann, der als Diktator von Panem später der von Lawrence verkörperten Figur das Leben zur Hölle machen wird.
War mit Donald Sutherland ein leinwanderfahrener Haudegen in die Rolle des gealterten Snows geschlüpft, mimt in "The Ballad of Songbirds & Snakes" der britische Newcomer Tom Blyth den jugendlichen Präsidenten in spe. Schon während Snow noch ein aufstrebender Eliteschüler im Kapitol ist, gibt es die "Hungerspiele". Neu jedoch ist die Idee, den Tributen bei ihrem Kampf um Leben und Tod einen Mentor an die Seite zu stellen. Nicht ganz zufällig muss Snow ausgerechnet das Mauerblümchen Lucy Gray Baird (Rachel Zegler) aus Distrikt 12 unter seine Fittiche nehmen - Dekan Casca Highbottom (Peter Dinklage) hat wenig für ihn und seine Familie übrig.
Da dem Mentor des erfolgreichen Tributs jedoch eine Karriere im Kapitol winkt, legt sich Snow kräftig ins Zeug, seine Schutzbefohlene auf den Kampf in der Arena vorzubereiten und ihr dortiges Überleben zu sichern. Dazu greift er schon auch mal zu der einen oder anderen List, wenn er sich etwa von der Obersten Spielemacherin Dr. Volumnia Gaul (Viola Davis) in die von ihr erdachten Tücken für die Tribute einweihen lässt. Das bleibt nicht ohne Folgen - weder für ihn noch für Lucy Gray, zu der er sich mehr und mehr hingezogen fühlt …
Drei Kapitel, ein Film
Die Geschichte ist in drei Kapitel unterteilt - vom Weg zu den "Hungerspielen" über die Spiele an sich bis hin zu den Geschehnissen danach. Regisseur Frances Lawrence, der mit Jennifer Lawrence übrigens weder verwandt noch verschwägert ist, schwingt zum nunmehr vierten Mal das Zepter in "Panem". Nachdem er es im Nachhinein bedauert hatte, "Mockingjay" in zwei Teilen inszeniert zu haben, wollte er diesen Fehler nun offenbar nicht noch einmal begehen. So packte er die gesamte Handlung von "The Ballad of Songbirds & Snakes" in nur einen, rund zweieinhalb Stunden langen Film - und das, obwohl die deutsche Ausgabe der Romanvorlage sogar rund 200 Seiten dicker ist als die, auf der die beiden "Mockingjay"-Teile basierten.
Dramaturgisch kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen. Langweilig wird einem im Kinosessel nicht, die Erzählung ist dicht und stringent, ohne dabei zu hetzen. Dennoch tut sich "The Ballad of Songbirds & Snakes" schwer damit, mit den Vorgänger-Streifen mitzuhalten, obwohl oder gerade weil sich das Prequel an einigen der bisherigen Erfolgskriterien sattsam bedient.
Es wird diesmal wirklich viel gesungen im apokalyptischen Panem. Das Lied "The Hanging Tree" aus "Mockingjay, Teil 1" etwa, das 2014 den Sprung aus den Kinos in die Charts schaffte, kommt zu voller Geltung. Und das schon beinahe über Gebühr. Keine Frage, Peter Dinklage ist - wie in den Filmen zuvor etwa auch der inzwischen verstorbene Philip Seymour Hoffman - ein toller Schauspieler. Nur hat man sich seit "Game of Thrones" an seiner Rolle eines zwielichtigen Halbwüchsigen dann vielleicht doch schon zu Genüge sattgesehen.
Rachel Zeglers undankbare Aufgabe
Die undankbarste Aufgabe, sich an Jennifer Lawrence messen zu lassen, fällt jedoch Rachel Zegler zu. Der Augenaufschlag der durch Steven Spielbergs "West Side Story" bekannt gewordenen Selfmade-Sängerin und -Schauspielerin mag noch so verführerisch sein - an die emotionale Tiefe ihrer Vorgängerin in der Heldinnenrolle kommt sie dennoch bei weitem nicht heran. Und so wie es aussieht, wird sie dazu vorerst auch keine Gelegenheit mehr erhalten. Wenngleich "The Ballad of Songbirds & Snakes" so einige Anknüpfungspunkte für eine abermalige Fortsetzung bietet - bislang hat Suzanne Collins diese nicht geschrieben.
Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings auch: Wenngleich Lucy Gray und "The Ballad of Songbirds & Snakes" den Geschichten rund um Katniss Everdeen nicht ganz das Wasser reichen können, bleibt der Film für "Panem"-Fans natürlich dennoch ein Muss. Wer weiß, ob und wann es noch einmal ein Wiedersehen gibt.
Quelle: ntv.de