"Tarantino ist wie ein Bruder" Robert Rodriguez - vom Kult zum Blockbuster
15.02.2019, 16:19 Uhr
Dank James Cameron nun Blockbuster-Regisseur: Robert Rodriguez.
(Foto: imago/Picturelux)
Mit "Alita: Battle Angel" wagt sich "Sin City"-Regisseur Robert Rodriguez an ein 200-Millionen-Dollar-Projekt. Mit n-tv.de spricht er über die Herausforderungen, Christoph Waltz in seiner Rolle als "Guter" und seine Freundschaften mit James Cameron und Quentin Tarantino.
n-tv.de: Sie haben stets erklärt, man könne gute Filme auch ohne ein großes Budget machen. "Alita: Battle Angel" dürfte allerdings der teuerste Film sein, den Sie je gedreht haben.
Robert Rodriguez: Oh ja, mit Abstand!
Es dürfte einige erstaunen, dass Sie sich auf so einen Blockbuster eingelassen haben. Mit Filmen wie "Desperado", "Machete" oder "Planet Terror" haben Sie sich einen gewissen Ruf als Independent-Regisseur und Film-Rebell erarbeitet. Hatten Sie keine Sorge, den zu ruinieren?
Nein. Der Grund, weshalb ich immer an diesen kleineren Filmen festgehalten habe, war der: Seit "El Mariachi" wusste ich, wie ich es anstelle, ein kleines Budget größer aussehen zu lassen. Ich dachte, das wäre meine Mission in Hollywood: "Halte das Budget klein, dann kannst du jeden Film machen, den du willst!" Mir war es wichtig, die kreative Freiheit zu haben, um Filme wie "Machete", "Desperado" oder "Sin City" zu machen.
Warum geht das bei einem großen Budget nicht?
Da hängt nun mal sehr viel dran: ein großes Studio, das beim Casting mitreden will, beim Drehen, beim Ende des Films, bei all dem. Sie wollen schließlich ihr Geld zurückhaben, was absolut verständlich ist. Ich hatte aber das Gefühl, dass mir das keinen Spaß machen würde.
Trotzdem haben Sie sich jetzt auf so einen Film eingelassen ...

James Cameron trat die Regie bei "Alita: Battle Angel" an Rodriguez ab, ist aber Mitproduzent des Films.
(Foto: Twentieth Century Fox)
Ja, aber bei "Alita: Battle Angel" war die Situation eine andere. Mit Jim (James Cameron, Anm. d. Red.) oder einem Studio zu arbeiten, ist nicht das Gleiche. Wir sind seit 25 Jahren befreundet. Und er ist der beste Mentor, Lehrer und Unterstützer, den man sich nur vorstellen kann. Mir ging es deshalb dabei auch nicht darum, einen Film mit einem großen Budget zu drehen. Ich wollte einen Film machen, wie Jim ihn macht! Einen Film, der in der ganzen Welt ankommt, den Abermillionen Menschen lieben. Jim ist der einzige Typ, der so was macht. Bedenken Sie nur: Von ihm stammen zwei der Top-Ten-Filme aller Zeiten!
Die Rede ist von "Titanic" und "Avatar" ...
Ja, Jim hat sie geschrieben und gedreht. Und ich würde das gerne lernen. Als er nun ein überzähliges Skript hatte, bei dem er keine Zeit hatte, Regie zu führen, hätte ich deshalb im Zweifelsfall auch angeboten, das umsonst zu übernehmen. (lacht) Ich empfinde es als großes Glück, die Chance dazu bekommen zu haben. Und ich wollte dafür sorgen, dass sich der Film letztendlich auch wie ein Jim-Cameron-Film anfühlt. Ich wollte, dass er davon beeindruckt ist und sich nicht am Ende denkt: "Ach, hätte ich ihn doch bloß selbst gedreht." (lacht)
Trotz allem soll auch in diesem Fall das Budget sicher wieder eingespielt werden - und wenn möglich, noch mehr. Schließen Sie aus, daran zu scheitern?
Jim hat gesagt: "Ich möchte, dass du diesen Film drehst. Denn wenn ich ihn drehe, kostet er das Doppelte." (lacht) Ich sagte: "Einverstanden, gib mir die Hälfte von deinem Budget und ich mache dir einen Film, der toll aussehen wird." Den Trick habe ich immer noch raus. Ich weiß auf jeden Fall, dass Jim von dem Ergebnis wirklich beeindruckt ist und findet, dass der Film rockt.
Nach "Sin City" ist es nicht das erste Mal, dass Sie mit "Alita: Battle Angel" einen Comic verfilmen. Aber die Herangehensweise ist komplett verschieden.

Mithilfe von Motion Capture beziehungsweise Performance Capture wird Alita-Darstellerin Rosa Salazar im Film zur Mangafigur.
(Foto: Twentieth Century Fox)
Das stimmt. Aber auch die beiden Vorlagen sind vollkommen unterschiedlich. "Sin City" war eine Sammlung von Kurzgeschichten. Da konnte ich vier auf einmal in nur einen Film packen. "Alita" ist dagegen eine ausgedehnte Saga. Da muss man erst einmal herausfinden, was die Geschichte im ersten Film sein soll. Jim hat im Wesentlichen drei Stränge herausgearbeitet, um zu sehen, was im ersten Film passiert und was beiseitegelegt wird. Mir hat das sehr geholfen. Hätte er mir einfach nur die ganzen Comics in die Hand gedrückt, hätte es deutlich länger gedauert, bis ich auch nur gewusst hätte, wo ich anfangen soll.
Hauptdarstellerin Rosa Salazar ist als "Alita" kaum wiederzuerkennen. Als Zuschauer ist schwer nachvollziehbar, wie das sogenannte Motion Capture funktioniert. Wie ist das als Regisseur? Brauchen Sie viel Vorstellungskraft, wenn Sie damit arbeiten?
Ja, normalerweise brauchte ich die immer. Man steht da mit all den Schauspielern vor einem Green Screen und muss sich währenddessen irgendwie vorstellen, wie das am Ende sein wird: "Hey, okay, also denk dran: Du bist gerade auf einer Brücke ..." (lacht) Aber auf diesem Niveau ist es anders. Hier haben wir richtige Sets aufgebaut und an realen Orten gedreht. Und schon bevor wir mit dem Drehen überhaupt angefangen hatten, gab es jede Menge Illustrationen, wie es am Ende sein würde. Jims Leute hatten alles schon aufgezeichnet. Wir konnten das allen zeigen: "Du bist hier am Set, aber guck mal: So sieht es später aus!"
Trotzdem hängen Sie unglaublich von der Technik ab. Sie und die Schauspieler können noch so einen guten Job machen - wenn die Technik nicht stimmt, sieht es am Ende vielleicht billig oder nicht authentisch aus und der Film wird dennoch nicht gut.
Da haben Sie absolut recht. Und ich hätte mir größere Sorgen gemacht, wenn ich Jim nicht schon gekannt hätte. So aber wusste ich, worauf ich mich einlasse. Jim hat mich seine ersten Entwürfe zu "Avatar" schon lesen lassen, als ich 1995 "Desperado" machte. Und als "Avatar" dann gedreht wurde, war ich auch am Set. Er zeigte mir seine Arbeit mit Performance Capture. Das war für mich echt bizarr - ich hatte bis dahin noch nie davon gehört. Und er zeigte mir all die Illustrationen, wie am Ende hoffentlich alles aussehen würde. Ich sagte zu ihm: "Verdammt, wie kannst du das alles nur im Blindflug machen. Das ist verrückt! Ich weiß nicht, ob ich das könnte." Aber jetzt habe ich es auch gemacht. (lacht)
Ich habe mich gefragt, ob ich Christoph Waltz je in einer Rolle gesehen habe, in der er nicht der Bösewicht war. Mir ist dann der Film "Downsizing" eingefallen ...
Ja, stimmt.
Trotzdem denken bei ihm viele erst einmal an einen Schurken. Konnten Sie ihn sich von Anfang an in der Rolle des Doktors Dyson Ido vorstellen?
Ich war der Einzige, der ihn sich vorstellen konnte. Und er war tatsächlich die erste und einzige Person, an die ich für die Rolle gedacht habe. Ich habe ihn direkt getroffen, nachdem feststand, dass wir den Film machen würden. Ich habe eigentlich schon immer Schauspieler für scheinbar ungewöhnliche Rollen in meinen Filmen verpflichtet, weil ich an ihnen noch Seiten sah, die anderen vielleicht nicht auffielen. Das war auch schon bei "From Dusk Till Dawn" so. Quentin (Tarantino, Anm. d. Red.) meinte damals, Harvey Keitel wäre eventuell zu rau, um den süßen Vater zu spielen. Aber ich dachte: "Harvey ist ein großartiger Schauspieler." Und wenn man ihn in dem Film sieht, kann man ihn sich gar nicht mehr tough vorstellen. Man hält ihn geradezu für gebrechlich. (lacht)
Christoph Waltz verdankt Tarantino viel mit Blick auf seine internationale Karriere. Und Sie sind mit Tarantino gut befreundet. Er hat es ja geschafft, mit nur einer Handvoll Filme Kultstatus zu erlangen ...
Aber mit was für Filmen!
Hatten Sie je ein Konkurrenzgefühl zu ihm?
Nein! Das ist sehr ähnlich wie bei mir und Jim. Beide sind ein bisschen älter als ich. Und sie sind für mich wie der coole, ältere Bruder, dem man nacheifert. Sie verhalten sich auch so: "Komm, ich zeig's dir ..." Sie helfen dir, sie sind Lehrer und Mentoren. Sie begeistern mich und das sind tolle, von Kameradschaft geprägte Freundschaften.
Gibt es eine Fortsetzung, falls "Alita: Battle Angel" beim Publikum ankommt?
Oh, von mir aus auf jeden Fall! Ich stünde sofort parat. Ich habe das Set behalten. Es steht auf meinem Studiogelände - über 8000 Quadratmeter Iron City.
Mit Robert Rodriguez sprach Volker Probst
"Alita: Battle Angel" läuft derzeit in den deutschen Kinos
Quelle: ntv.de