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Neuer Roman von Sendker Akiko sucht ihre Identität jenseits der Einsamkeit

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Akiko kämpft mit ihrer Trauer und den traditionellen Rollenbildern Japans.

Akiko kämpft mit ihrer Trauer und den traditionellen Rollenbildern Japans.

(Foto: imago images / Panthermedia)

Im neuen Roman von Jan-Philipp Sendker, "Akikos stilles Glück", steckt die junge Protagonistin in einer tiefen Lebenskrise. Sie kämpft mit der Einsamkeit und der Trauer um ihre verstorbene Mutter. Nach einer überraschenden Entdeckung stellt sie sich großen Fragen.

Akiko Nakamura hat vor knapp zwei Jahren ihre Mutter verloren. Seitdem steht deren Asche in einer Urne in der Wohnung, in der die junge Frau zusammen mit ihrer Mutter lebte. Zum zweiten Todestag will sie die Asche dem Meer übergeben.

Die Ich-Erzählerin im neuen Roman von Jan-Philipp Sendker "Akikos stilles Glück" hat sich an den Anblick der Urne gewöhnt. Er macht die Abwesenheit der Mutter erträglicher. Wenn sie nach den immer gleichen Tagen aus dem Büro einer namhaften Werbeagentur zurückkehrt, wo sie als Buchhalterin arbeitet, wartet da jemand oder etwas auf sie. Akiko und ihre alleinerziehende Mutter, das war lange ihre ganze Welt. Einen Vater oder Großeltern gab es nicht oder sie waren zumindest kein Teil ihres Lebens.

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Akikos stilles Glück
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Regelmäßig trifft sie sich mit zwei Freundinnen, dann essen und trinken sie zusammen. Es sind oberflächliche Begegnungen, die ohne tiefe emotionale Verbindungen zwischen Akiko und den anderen Frauen bleiben. Der jungen Frau ist es gleich. Sie schaut auf die freudlose Ehe und Mutterschaft der einen genauso leidenschaftslos wie auf die Solo-Hochzeit der anderen. Akiko ist überzeugt, gut alleine klarzukommen. Dabei ist ihre Einsamkeit unübersehbar. Sie steckt ganz offenkundig in einer tiefen Lebenskrise.

"Wer war ich? Akiko Nakamura, geboren in Nara, wohnhaft in Tokio. Alleinstehend. Blutgruppe A, 168 Zentimeter groß, Halbwaise oder Vollwaise. Wer weiß. Zu meinem Vater hatte ich seit 17 oder 18 Jahren keinen Kontakt mehr. Mochte ich mich? Muss man sich mögen? Spontan fielen mir jetzt nicht allzu viele Dinge ein, die ich an mir mochte, aber auch nicht viel, was ich an mir auszusetzen hatte. Vielleicht, dachte ich, war ich mir einfach nicht wichtig genug." (Auszug aus "Akikos stilles Glück")

Abschied von der perfekten Mutter

Doch dann trifft sie eines Abends auf ihren ehemaligen Schulkameraden und früheren Schwarm Kento. Es dauert ein wenig, bis sie ihn wiedererkennt, denn Kento ist in den vergangenen 13 Jahren zu einem Hikikomori geworden, einer jener Personen, die den Kontakt zur Außenwelt praktisch komplett abgebrochen haben. Gleichzeitig findet sie heraus, dass der Mann, der sie jahrelang regelmäßig besucht hat und den sie für ihren Vater hielt, von einer Agentur gemietet war und von ihrer Mutter bezahlt wurde.

Es scheint, als habe ihr die Mutter dieses Eingeständnis so hinterlassen, dass sie es finden musste. In die Trauer mischt sich zunehmend Unverständnis gegenüber der Mutter, die eine Weinbar betrieb und für die Tochter nur selten wirklich Zeit fand und deren Handeln sie bisher niemals infrage gestellt hat. Es beginnt ein Prozess der Ablösung, in dem Akiko herausfinden muss, was sie mit ihrem Leben anfangen will.

"Ich fühlte mich unwohl mit mir. In meiner Wohnung hielt ich es nicht lange aus. Sie war mir von einem Tag auf den anderen zu klein und eng geworden und der Anblick der Urne mit der Asche meiner Mutter bedrückte mich. Mir war, als wären wir zwei stille Menschen, die zusammen im selben Raum lebten und nicht mehr schweigen konnten, aber denen die Wörter fehlten, um auszudrücken, was sie sagen wollten."

"Akikos stilles Glück"
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Immer mehr Fragen stellen sich in einer bisher nicht gekannten Dringlichkeit. Will sie sich selbst heiraten, so wie es die Freundin getan hat? Will sie für immer die Buchhalterin sein, die gelegentlich der Kreativ-Abteilung ihres Konzerns mit einem überzeugenden Claim für die nächste Werbekampagne aushilft? Und wie konnte sie die Geschichten praktisch vergessen, die sie in der Schulzeit geschrieben hat und die Kento ihr Jahre später auswendig wieder erzählt?

Folie Japan

Jan-Philipp Sendker war viele Jahre Korrespondent in den USA und in Asien. Inzwischen hat er mehrere Bestseller geschrieben, deren Handlung in Asien angesiedelt ist. "Akikos stilles Glück" ist nach seinen Angaben der Beginn einer Trilogie, für die er sich auf das Wagnis eingelassen habe, aus der Perspektive einer jungen Japanerin zu schreiben, obwohl er weder jung noch Japanerin sei.

Wie authentisch diese Akiko ist, können vermutlich nur junge Japanerinnen beurteilen, doch Sendker hat mit seiner jungen Protagonistin und ihrem früheren Schulkameraden Figuren geschaffen, deren Weg Lesende in den Bann schlagen kann. Dass sie sich gleich mit mehreren Facetten des japanischen Zeitgeistes herumschlagen müssen, mit Solo-Hochzeiten, Miet-Vätern und Hikikomori, überfordert die Geschichte jedoch manchmal.

Sprecherin Leonie Landa gibt Akiko eine etwas kratzige Stimme, als habe sie lange nicht gesprochen. Zunächst zurückhaltend, manchmal fast tonlos, liest Landa die Geschichte, immer wieder pausierend. Jung klingt ihre Akiko, ein bisschen frech und verletzlich. Mit jeder Minute gewinnt sie an Kraft und auch Kento scheint sich zunehmend aufzurichten, je öfter er seine selbst gewählte Isolation verlässt. So werden aus den knapp 400 Seiten des Romans gute neun Stunden inspirierendes Hörerlebnis.

Quelle: ntv.de

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