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 "Tatort"-Stammgast All you need is Lars

Inzwischen beinahe Dauergast im "Tatort":Lars Eidinger.

Inzwischen beinahe Dauergast im "Tatort":Lars Eidinger.

(Foto: HR / Bettina Müller)

Wenn Ulrich Tukur - oder besser Felix Murot - am Sonntagabend ermittelt, dreht es sich danach zumeist um die vertrackte Geschichte, ungewöhnliche Perspektiven, ums Metaphysische im Krimiformat. All das gerät auch diesmal unterhaltsam. Der Hingucker jedoch ist ein anderer. Mal wieder.

Am liebsten würde man an so einem Drehtag mal Mäuschen spielen. Das Team ist "on location", wie es so schön heißt. Kameras in Position, alles auf Anfang. Licht, Ton, letzte Anweisungen. Was sagt der Regisseur, in diesem Fall Rainer Kaufmann, dann wohl so als finales Briefing, bevor gedreht wird: "Gib' uns den Lars"? "Mach' den Eidinger"? Ach, man weiß es nicht. Ist natürlich auch Nonsens, naives Ansinnen aus Sicht eines Amateurs. Dennoch: Kaum kommt der Eidinger ins Bild, wird es traditionell, nun, wie soll man sagen … besonders, eigenwillig, exaltiert. Unique, um es mal postmodern auszudrücken.

Ist natürlich mal wieder eine Sache des "Tatort"-Timings, dass einige Zuschauer das Gefühl haben, Lars Eidinger mittlerweile öfter zu sehen als die eigene Omma. Der finale Schuss im letzten Fall aus Kiel ist kaum verhallt, der stille Gast blutüberströmt - und fortan für immer still - aufs Parkett geknallt, da gibt Lars Eidinger nur wenige Wochen später das Stehaufmännchen. Duplizität der Ereignisse: In "Borowski und der gute Mensch" hatte Eidinger alias Kai Korthals zum Auftakt Theater gespielt, in seiner Knastmimen-Truppen eine Probe zum Gefängnisausbruch genutzt. Und auch diesmal befindet sich Eidinger zum Entrée, in seiner Rolle als Paul Muthesius, auf einer Bühne wieder. Er gibt einen prallen Monolog übers Leben, übers Denken, die Hoffnung, das Verderben zum Besten.

Für einen Moment, nur ganz kurz, zuckt wohl so mancher an dieser Stelle innerlich zusammen. Nicht schon wieder der Eidinger. Hatten wir doch erst. Wie wäre es denn mal mit, sagen wir, Frederick Lau. Oder Louis Hofmann. Florian Bartholomäi? Wobei, der hat eventuell keinen Platz mehr auf seiner "Tatort"-Lochkarte frei, mit bisher 14 Auftritten, Stand 21. November, 21.50 Uhr. Aber dann lässt Eidinger halt den Lars von der Leine, oder umgekehrt, schwadroniert, monologisiert, philosophiert, als müsste er am nächsten Tag verstummen. Die Zigarette hält er dabei noch eleganter als Houellebecq.

Die Lust am Wahn

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Und so fulminant bleibt es in "Murot und das Prinzip Hoffnung", auch deswegen, weil an Eidingers Seite ein prächtiges Ensemble steht. Karoline Eichhorn etwa, auch nicht eben ein "Tatort"-Rookie, die mit all ihrer Verve betört, ihrer Fähigkeit, den Zuschauer mit einer Körperdrehung, einer Hand, die durchs Haar fährt, einem Millisekundenlächeln gefangen zu nehmen. Dazu Angela Winkler, die Grande Dame des deutschen Films, deren Spiel oftmals eine diffuse Verbindung aus eleganter Leichtigkeit und morbider Schwere eingeht. Barbara Philipp, deren bodenständige Hands-on-Aura nie konstruiert wirkt. Friederike Ott, leidenschaftlich und superb im Timing. Christian Friedel, der seinem tragischen Hallodri mit locker sitzender Pistole schauspielerischen Schmackes verpasst. Und natürlich Ulrich Tukur, dessen Schmunzeln an einigen Stellen so wirkt, als könnte er seinen persönlichen Spaß an Eidingers Irrsinn auch vor der Kamera kaum verbergen.

Was das nun genau ist, das die Zuschauer an dem 45-Jährigen Berliner ein ums andere Mal so vereinnahmt? Die Lust am Wahn. Irrsinn mit Ansage. Grandezza mit Lippenstift. Kippe mit Filter. Im bundesdeutschen Krimi-Kontext zudem die subtile Kombination geschätzter Kempen: Kinskis Großmaul. Das Verhuschte eines Peter Fricke. Das Freidrehende eines Martin Semmelrogge. Und natürlich das Eidingereske seiner selbst. Das Schrullige, das Schiefe, die Schönheit im Grauen, das Grausame im Schönen. Schon jetzt Vorfreude auf den nächsten "Tatort" mit Lars Eidinger. Vielleicht wird ja sogar mal eine Stelle als Kommissar vakant …

Quelle: ntv.de

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