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Kein Feingefühl im "Polizeiruf" Darf's noch ein bisschen Trauma sein?

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Haben beide mit Traumata zu kämpfen: Adam Dahl (Eloi Christ) und Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen).

Haben beide mit Traumata zu kämpfen: Adam Dahl (Eloi Christ) und Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen).

(Foto: MDR/filmpool fiction/Conny Klein)

Traumata gehören zu den Lieblingsthemen von Krimidrehbuchautoren: Ob frühkindlich oder posttraumatisch, wenn's dramatisch werden soll und ansonsten kein Motiv zu finden ist, wird es schon die Belastungsstörung richten. Oder etwa nicht?

Es ist eine Stimme aus seiner Kindheit, die Adam Dahl (Eloi Christ) mit dem Rettungshammer zuschlagen lässt. Immer und immer wieder, bis der Schädel des eben erst in die Regionalbahn eingestiegenen Fremden nur noch Brei ist. Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) zerbricht sich im letzten "Polizeiruf" vor der Sommerpause fast 90 Minuten lang den Kopf über das Motiv des eigentlich friedfertigen und ein bisschen schüchternen jungen Mannes, der selbst keine Ahnung hat, was ihn da eigentlich geritten hat.

Weiß keinen Ausweg mehr: Adam Dahl (Eloi Christ).

Weiß keinen Ausweg mehr: Adam Dahl (Eloi Christ).

(Foto: MDR/filmpool fiction/Conny Klein)

Erst als zum Schluss herauskommt, dass Dahl als Kind den Tod seiner Mutter miterleben musste, die als Prostituierte arbeitete und den brutalen Sexpraktiken eines Freiers erlag, scheint alles Sinn zu ergeben: Der kleine Junge versteckte sich damals unter dem Bett und hörte nur die Stimme des Mannes, der seine Mutter umbrachte. Als der Fremde in der Film-Gegenwart laut telefonierend in Dahls Abteil kommt, triggert das Dahls Unterbewusstsein, das verdrängte Trauma bricht los, der junge Mann schlägt zu - und der "Polizeiruf" hat ein ebenso ungewöhnliches wie schwer nachvollziehbares Motiv gewonnen.

Fatal für so ein sensibles Thema

Alles gut also in "Black Box"? Leider nicht, denn der Film will einfach zu viel: "Als ich das Drehbuch das erste Mal gelesen habe, hab ich vielleicht ein, zwei traumatisierte Menschen entdeckt, und wenn man es dann doch tiefer und intensiver durcharbeitet, sieht man, dass die Anzahl der traumatisierten Menschen in diesem Plot deutlich zunimmt", sagt Wolfgang Jordan, der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Magdeburg. Der Professor ergänzt diplomatisch: "Aus Sicht des Fachberaters ist das eine oder andere vielleicht selten, es ist aber möglich."

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Man könnte auch sagen: Der Film ist hoffnungslos überfrachtet, Regisseurin Ute Wieland reizt die offenbar bereits im Drehbuch angelegten multiplen Traumata der Protagonisten bis zum Letzten aus. Nicht nur die von ihrem vorherigen Fall schwer gezeichnete Brasch und Adam Dahl stehen permanent kurz vor der Implosion, auch die vermeintlichen Eltern des jungen Mannes agieren ihre eigenen Traumata auf fast schon absurde Weise aus. Das wäre einigermaßen okay, wenn die schauspielerische Leistung stimmen würde, das tut sie in "Black Box" aber einfach nicht: Bis auf Michelsen sind so gut wie alle Protagonisten einen Tick zu viel, Overacting gehört in diesem "Polizeiruf" zum guten Ton. Und das ist fatal für ein Thema, das sensibel und mit dem nötigen Feingefühl angegangen werden sollte.

Denn die Sonntagabendkrimis im Ersten haben trotz des Unterhaltungsformats auch immer Vorbildcharakter - und eine derart platte Darstellung traumatisierter Menschen und ihrer Handlungen machen das Leben für Betroffene in der echten Welt nur noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Ein Blick zu den Dortmunder Kollegen und der Charakterentwicklung eines Kommissars Faber (Jörg Hartmann) zeigt, wie man es besser macht und die Zuschauer dabei trotzdem glänzend unterhält.

Quelle: ntv.de

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