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"Ich hoffe auf den Aura-Effekt" Der Chef und die Plus-Size-Models auf ESC-Mission

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Der Eurovision Song Contest ist wieder Chefsache. Und so lässt Stefan Raab am Ende von Runde eins im Vorentscheid dann auch fünf Kandidaten wissen: "You're fired." Sieben Acts kommen hingegen eine Runde weiter und dürfen noch vom Sieg träumen. Die Richtigen?

Wer als Nicht-Kölner in diesen Tagen in der Domstadt ankommt, könnte meinen, Deutschland hätte den Eurovision Song Contest (ESC) bereits im vergangenen Jahr gewonnen und würde ihn deshalb jetzt hier austragen. Egal, wo man gerade geht oder steht, die Karnevalisten sind von der Leine gelassen - und Jecken und ESC-Fans sind sich in ihrer farbenfrohen Feierlaune ja nicht so ganz unähnlich.

Einzig Barbara Schöneberger schwimmt gegen den Trend, als sie am Freitagabend im eleganten Schwarzen durch die erste Runde des diesjährigen ESC-Vorentscheids führt. Ausgerechnet, war sie doch in der Vergangenheit eigentlich stets Garantin für eine Knallbonbon-Staffage in Glitzer, Satin und Tüll. Doch auch sie möchte wohl dem ganz besonderen Moment an diesem Abend Tribut zollen: Der ESC ist wieder "Chefsache".

Dafür hat sich tatsächlich nicht nur Schöneberger ordentlich in Schale geworfen. Die Chancen von Hürth bei Köln auf den Weltkulturerbe-Titel mögen zwar begrenzt sein, aber im schönsten Glanz erstrahlt zumindest auch das hiesige TV-Studio, in dem der Vorentscheid in diesem Jahr ausgetragen wird. Eine riesige Bühne mit Laufstegen zu beiden Seiten, eine gigantische Videoleinwand und zwei eigene Podeste für die Heavytones mitsamt ihren Instrumenten. Denn ja, hier wird live gespielt - nichts kommt vom Band.

"Große Koalition ohne Brandmauern"

Wo die Heavytones sind, kann Stefan Raab natürlich nicht weit sein - seit Kurzem nicht nur der neue Chef von RTL, wie er gerne von sich behauptet, sondern eben auch wieder der Chef vom ESC. Mit den Worten "Mission Platz eins" drückt Raab seine wilde Entschlossenheit aus, Deutschland im Eurovisions-Stadl wieder great zu machen. Dafür haben sich sogar ARD und RTL zu einer "großen Koalition ohne Brandmauern" zusammengetan, um es mit Schöneberger zu sagen.

Vorentscheid verpasst?
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(Foto: picture alliance/dpa/RTL)

"Chefsache ESC 2025 - Wer singt für Deutschland?" ist auf RTL+ abrufbar.

Insgesamt 3281 Bewerbungen für den ESC-Vorentscheid hat Raabs Team gesichtet. "Manchmal reichen zehn Sekunden", räumt der Entertainer ein, dass großzügig ausgesiebt wurde. Sogar ein etablierter Star wie Tim Bendzko fiel durchs Raster, wie im Vorfeld bekannt wurde. Doch 24 Sängerinnen, Sänger und Formationen blieben übrig, um sich im besten Fall durch insgesamt vier Shows - die ersten drei bei RTL, das Finale in der ARD - bis zum Ticket für den großen ESC in Basel zu trällern.

In Runde eins haben nun die ersten zwölf von ihnen die Chance, sich mit der Präsentation eines eigenen Songs oder aber einer x-beliebigen Coverversion bis ins Halbfinale zu hangeln, das am 22. Februar über die Bühne gehen wird. Doch zunächst gilt es selbstredend, Raabs eigene ESC-Historie noch einmal Revue passieren zu lassen. Zu Videoleinwand-Bildern von Guildo Horn, Lena oder sich selbst singt Max Mutzke Fragmente von "Guildo hat euch lieb", "Satellite" oder "Can't Wait Until Tonight" - die "Melodien unseres Chefs" halt, wie Schöneberger anmerkt.

Parforceritt durch alle Genres

Danach gesellt sich der ESC-Achtplatzierte von 2004, der im vergangenen Jahr mit einer erneuten Bewerbung im Vorentscheid gescheitert ist, als Gastjuror zum Trio Infernal, das in allen vier Shows den Hut aufhaben wird. Neben Sängerin Yvonne Catterfeld gehört auch Raabs Ex-Showpraktikant Elton dazu, den Schöneberger jedoch in den Rang des zweiten "Plus-Size-Models" neben sich selbst in der Sendung erhebt. Und natürlich der Chef persönlich, der zur Feier des Tages glatt das hellblaue Hemd im Schrank gelassen und sich in einen schwarzen Anzug geschmissen hat.

Ein Hauch von Lena: Julika.

Ein Hauch von Lena: Julika.

(Foto: RTL / Willi Weber)

"Ich hoffe auf diesen Aura-Effekt", bringt Max Mutzke die sehnsüchtige Erwartung vieler auf den Punkt, dass sich unter Raabs Ägide vielleicht ein ESC-Erweckungserlebnis wie damals bei Lena einstellen könnte. Prompt werden bei Julika, die eine Coverversion des ursprünglich von Snow Patrol stammenden und später von Leona Lewis berühmt gemachten Songs "Run" vorträgt, gleich bei Startnummer eins sanfte Erinnerungen an "lovely Lena" wach - vor allem wegen ihrer Optik. Doch auch ihre Stimme ist so stark, dass sie am Ende eine Runde weiterkommt.

Was danach folgt, ist ein Parforceritt durch so ziemlich alle nur erdenklichen Genres und Stilrichtungen, egal, ob es um Optik oder Musik geht. Benjamin Braatz etwa wurde zwar erst zur Jahrtausendwende geboren, ist aber dennoch bereits in den 70ern hängengeblieben. Mit Schlaghose, Tony-Marshall-Gedächtnis-Minipli und Akustikgitarre zum eigenen Song namens "Breakfast" singt er sich in die Herzen der Jury und bis ins Halbfinale.

"Dragostea din tei" und "Der Sohn von ..."

Die Kandidatin mit der zweifelsohne besten Stimme im Rennen ist Soul-Röhre Cage. Dass sie mit ihrem H.E.R.-Cover "Wrong Places" hier genau am richtigen Ort ist, kann niemand überhören. Das Geschwister-Duo Abor & Tynna nimmt sich wiederum "Skyfall" von Adele vor und hüllt den James-Bond-Hit in ein mystisches Korsett, während die Gruppe Cosby im Glamrock-Outfit samt einer nackten Po-Hälfte der Sängerin ihren eigenen Song "Loved For Who I Am" zum Besten gibt. Sie alle gehen eine Runde weiter.

Gestatten: Jonathan Henrich, Olli Dittrichs Sohn.

Gestatten: Jonathan Henrich, Olli Dittrichs Sohn.

(Foto: RTL / Willi Weber)

Ebenso Jonathan Henrich und die Formation Feuerschwanz, die zudem für das größte Rätsel beziehungsweise die größte Unverschämtheit des Abends sorgen. Während Schöneberger in der Sendung nicht verraten will, wer denn nun Henrichs berühmter Vater ist, plaudern wir es gerne ungeniert aus: Es ist Comedian Olli Dittrich, der zwar nicht mit den Doofen, wohl aber als Drummer der Band Texas Lightning 2006 selbst am ESC teilgenommen hat. Sein Sohnemann hat es mit dem Jvke-Cover "Golden Hour" jetzt aber auch ganz ohne Papis Unterstützung geschafft.

Feuerschwanz wiederum brauchen so oder so von niemandem Hilfe. Die Nürnberger Mittelalter-Rocker sind schon seit 2004 im Geschäft. Bereits vor ein paar Jahren leisteten sie sich die Dreistigkeit, dem "Kack-Song" (O-Ton Raab) "Dragostea din tei" von O-Zone ein Metal-Gewand zu verleihen. Wie man mit dem Lied "aus Scheiße Gold macht" (noch einmal O-Ton Raab), demonstrieren sie jetzt auch beim Vorentscheid erfolgreich.

Die Assistentin übernimmt

Für fünf andere Kandidatinnen und Kandidaten heißt es indes am Ende "You're fired" vom Chef. Die Schweizerin Fannie versucht mit "Easy" ebenso vergebens gute Laune zu verbreiten wie Equa Tu mit "Gaga". Chase kopiert bei "Million Years Ago" von Adele ein bisschen zu offensichtlich den französischen ESC-Beitrag des vergangenen Jahres. Janine mit "Can't Help Falling In Love" von Elvis Presley sowie Enny-Mae x Paradigm mit dem Duncan-Laurence-Cover "Arcade" sind indes gesanglich einfach zu schwach auf der Brust.

Die Jury steckt tatsächlich bis kurz vor Bekanntgabe ihrer Entscheidung die Köpfe zusammen und ist intensiv am Diskutieren. Abgekartet oder bereits nach der Generalprobe vorentschieden ist hier offenkundig nichts. Den Job, den Ausgeschiedenen mitzuteilen, dass der Chef heute leider kein Foto für sie hat, überlässt Raab am Ende dann aber lieber Schöneberger. "Kein Bock", reicht er den Umschlag mit der Entscheidung an seine persönliche Assistentin weiter.

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Die wird die unangenehme Aufgabe wohl auch am Samstag wieder übernehmen, wenn um 20.15 Uhr bei RTL und auf RTL+ bereits die zweite Runde des Vorentscheids mit zwölf weiteren Acts eingeläutet wird. Danach werden wir wissen, welche insgesamt 14 Beiträge im Halbfinale zu sehen sein werden, dann auch schon mit ihren jeweiligen Bewerbungssongs für den ESC. Neun von ihnen schickt die Jury schließlich in das Finale am 1. März. Dort wird dann das Fernsehpublikum den deutschen Star für Basel küren.

Nein, den erhofften "Aura-Effekt" gibt es bislang noch nicht, auch wenn summa summarum die Richtigen die erste Runde des Vorentscheids überstanden haben. Das dürfte angesichts des Konzepts allerdings auch nicht so ganz einfach werden. Während Lena seinerzeit bei "Unser Star für Oslo" über Wochen Zeit hatte, sich immer tiefer in die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer zu singen, müsste der Funke diesmal deutlich schneller überspringen. Ob das gelingt, muss sich noch zeigen. Raab hat sich die Messlatte selbst hoch gelegt. Aber am Ende ist ein Chef halt eben doch auch immer nur so gut wie sein Personal.

Quelle: ntv.de

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