"Tatort" aus Dortmund Der Schmerzensmann
26.12.2024, 21:46 Uhr Artikel anhören
Vom Leben gezeichnet: Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann).
(Foto: WDR/Thomas Kost)
Als vom Leben Gezeichneter trat Peter Faber (Jörg Hartmann) vor zwölf Jahren seinen Dienst an. 25 Fälle später scheint ihn nur noch sein Parka vor dem völligen Auseinanderfallen zu bewahren. Wie lange geht das noch gut?
Waren das noch Zeiten, als der "Tatort" sich einst anschickte, zum allwöchentlichen Gast in deutschen Wohnzimmern zu werden. Die Kommissare, eine vielköpfige Riege von Charaktertypen. Der gemütliche Marek (Fritz Eckhardt) aus Wien, der zünftige Veigl (Gustl Bayrhammer) aus München, der schneidige Haferkamp (Hansjörg Felmy) in Essen, der kantige Kressin (Sieghardt Rupp), der Kieler Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf), ebenso bedächtig wie analytisch beschlagen. Später fluchte Schimmi (Götz George), behauptete sich Hanne Wiegang (Karin Anselm), brachte Walter Howald (Mathias Gnädinger) nur auf einen Fall, Kollegin Odenthal (Ulrike Folkerts) ist bereits bei 80 Einsätzen.
Ob Faber (Jörg Hartmann) es irgendwann auch einmal auf eine so stattliche Zahl bringen wird? So knuffig die Kommissare in den 70ern daherkamen, so zerschunden, zermürbt, zerrockt reüssieren sie diesseits der Jahrtausendgrenze. Kaputte Ehen, ungesunde Ernährung, zwischenmenschlich unbeholfen, vom Alltag überfordert. Doch keiner trägt am Schicksal wohl so schwer wie der Mann im Parka.
War Schimmis berühmte Jacke damals so etwas eine zweite Haut, scheint Faber seine schmutzig braune Joppe wie ein Außenskelett zu tragen. Ob er ihn irgendwann auch mal ausziehen würde, fragte ihn Kollegin Herzog im aktuellen Fall "Made in China" und man weiß die Antwort, noch bevor Faber sie gibt. Ohne meinen Parka? Niemals, scheint er doch überhaupt das letzte zu sein, was ihn noch zusammenhält.
Wie lang kann das noch weitergehen?
Gestartet war er 2012 mit dem Fall "Alter Ego" bereits als Gebeutelter. Bei einem Unfall hat er Frau und Kind verloren, bereits als Zehnjähriger seine Mutter, der Vater hatte ihn wenig später ins Internat verfrachtet. Seine Wohnung im Hochhaus sieht aus, als hause dort ein Penner, wie ein Kollege konstatiert. Es passt zu Faber, der auch in sich kaum ein Zuhause findet. Die Antidepressiva halten ihn nur mühsam in der Spur, immer wieder explodiert er, schon der geringste Anlass bringt ihn an die Grenze und darüber hinaus. Zwischenzeitlich gibt es Hoffnung in Gestalt von Anna Schudt (Martina Bönisch). Als die jedoch eines gewaltsamen Todes stirbt, bringt es Faber an den äußersten Rand des Erträglichen.

Peter Faber (Jörg Hartmann) besucht seinen Vater (Wolfgang Rüter) im Seniorenheim.
(Foto: WDR/Thomas Kost)
Dort taumelt er nun, muss sich mit einer neuen Vorgesetzten Ira Klasnić (Alessija Lause) herumschlagen, geht allein schon beim Anblick von Kriminaltechniker Haller (Tilman Strauß) an die Decke. Mit seinem absurd anmutenden Manta brettert er durch die Gegend wie ein der Zeit entkoppelter Reisender. Schaut man ihm beim Verzehr eines Döners zu, weiß man kaum, was man als erstes machen möchte - ihm den Mund abwischen? Sich abwenden? Umschalten? Wie lange das noch weitergehen kann, ist mehr als fraglich. Bekommt Faber wohl noch einmal die Kurve oder verschwindet er irgendwann wieder dorthin, wo er hergekommen ist, in die Anonymität des beschaulichen Lübecks?
Vielleicht ist es ja auch Rosa Herzog, die ihn, um es dramatisch auszudrücken, rettet. In einer zu Herzen gehenden Szene umarmten sich die beiden, sie familiär ähnlich unterverwöhnt wie Faber, wenngleich, so scheint es, längst nicht so ultimativ kaputt. Am Ende des 25. Falles - eines Jubiläums, das Faber kaum Grund zum Feiern bietet, außer vielleicht der Tatsache, überhaupt so lange durchgehalten zu haben - scheint es einen Moment lang so, als wolle man ihm den Rest geben, indem nun auch noch der Vater stirbt, während Faber daneben sitzt. Wie erleichternd ist der Schrecken, als Faber senior plötzlich hochschreckt. Rück' mal ein Stück, mosert Faber den alten Herrn an, legt sich neben ihn und gönnt sich das, was man ihm als Zuschauer wohl am sehnlichsten wünscht - einen Moment der Ruhe.
Quelle: ntv.de