"Tatort" aus Dresden Geteilte Freude - doppelte Freude?
08.01.2023, 22:02 Uhr Artikel anhören
"Tatort: Totes Herz": Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Kommissariatsleiter Peter-Michael Schnabel (Martin Brambach) am Tatort in der Gärtnerei Teichmann.
(Foto: picture alliance/dpa/MDR/MadeFor/ARD)
In einem Krimi voller Sollbruchstellen war die Sache mit der zweifachen Gattin das wohl fragwürdigste Detail: Gärtnermeister Teichmann merkt nicht, dass er plötzlich mit dem mörderischen Zwilling seiner Ehefrau im Bett liegt - ist das realistisch?
Zugegeben - am Sonntagabend gegen 20.15 Uhr ist es zuweilen von Vorteil, den persönlichen Logikfilter etwas grobmaschiger zu justieren. Krimis im allgemeinen, der "Tatort" in diesem Fall im Speziellen, auf 90 Minuten zusammengedampftes Geschehen, inklusive Familiengeschichten, Team-Geplänkel, Plot-Twists und Hintergründen, da ist schon mal Nachsicht angesagt, wenn es darum geht, wasserdichten Realismus gegen storydienliche Elastizität zu stellen.
Dass Abteilungsleiter Schnabel (Martin Brambach) sich so schnell von seiner vor zwei Monaten in der Folge "Katz und Maus" erlittenen Schussverletzung erholt hat - sei es drum. Aber dass der gute Patrick Teichmann (Nico Rogner) wirklich nicht merkt, dass er eines Tages statt Gattin Nadine (Kristin Suckow) ihre Zwillingsschwester Sonja (ebenfalls Kristin Suckow) im Arm hält - geht so etwas? Wohl eher nicht. In Sachen Zwillingsromantik ist dennoch einiges los.
Skurrile Zwillings-Konstellationen
Die Recherche zu diesem Thema erweist sich zwar als etwas holprig, fördert jedoch einiges an, höflich ausgedrückt, skurrilen Konstellationen zutage. Da ist zum Beispiel Ben Byrne im australischen Perth. Der 39-jährige Elektriker, selbst ein Zwilling, ist mit Anna und Lucy Decinque zusammen. Die Zwillingsschwestern hatten sich mit Byrne erst über Facebook angefreundet, später kennen- und liebengelernt. Heute führt das Trio eine Beziehung zu dritt.
"Es muss alles ganz ausgeglichen sein, niemand darf übervorteilt werden, sonst hab' ich ein Problem", so Byrne im Interview mit der "Daily Mail". Für seine Kumpels ist das Ganze ein "cooles Problem", Mutter Byrne hat auch ihren Segen gegeben. Anna und Lucy, die sich sogar Schönheits-OPs unterzogen, um einander noch ähnlicher zu sehen, nennen ihn "The Chosen One", den Auserwählten. Der US-Sender TLC widmete ihnen mit "Extreme Sisters" sogar eine eigene Reality-Show, Nachwuchs ist das nächste große Thema.
"Rinki und Pinki - allein zu Haus"
Für Atul Uttam Autade lief es im vergangenen Jahr weniger erfolgreich. Der Mann aus Mumbai, Chef einer Reise-Agentur, hatte sich ebenfalls doppelt verknallt, wollte das Ganze schließlich in feste Bahnen lenken. In einer feierlichen Zeremonie heiratete er die Zwillinge Rinki und Pinki Padgaonkar, postete danach Videos von der Party auf Social Media. Als die Behörden davon Wind bekamen, stand die Polizei vor der Haustür. "Das Ganze fällt unter Paragraf 494 des indischen Gesetzbuchs", so Shirish Sardeshpande, einer der Ermittler. Möglicherweise heißt es demnächst "Rinki und Pinki - allein zu Haus", denn Autade droht eine Gefängnisstrafe wegen Bigamie.
Für Nick und Zach Lewan beziehungsweise Krissie und Kassie Bevier, eineiige Zwillinge aus Michigan, lief es um einiges runder, Stichwort Parität. Die beiden Doppel lernten sich an der Grand Valley State University kennen, wo sie Psychologie studierten. Beim ersten Date traf man sich zu viert am Sonntag in der Kirche. Das mit dem göttlichen Segen scheint geklappt zu haben. Heute sind Nick und Kassie ebenso miteinander verheiratet wie Krissie und Zack. Eines ihrer regelmäßigen Ausflugsziele als Eheleute: das Twins Day Festival in Twinsburg.
Auch in Europa gibt es solche Zwillingskonvents, zum Beispiel im schweizerischen Bremgarten, wo 2019 mehr als 100 Zwillinge am großen Treffen teilnahmen. Dort waren auch, wie überhaupt immer bei diesen Zusammenkünften, die Rahms dabei, zwei Ehepaare, Hans und Doris sowie Heidi und Peter. Seit 1993 sind die Vier aus Winterthur beziehungsweise Pfäffkorn glücklich miteinander verheiratet, ständig zusammen unterwegs, immer identisch gekleidet. Ihre Freunden haben einen Spitznamen für das Kleeblatt: Doppel-Rahm.
Umfeld- und Partner-Täuschung
Gut möglich, dass die Rahms auch am Sonntag zusammen vor der Röhre gesessen haben und damit zurück zum "Tatort" und der Frage, ob es wirklich realistisch ist, als Zwilling nicht nur das soziale Umfeld, sondern auch den Partner zu täuschen. "Selbst wenn es vielleicht auch nur für einen kurzen Zeitraum möglich ist: Wird mich die Liebe, die mir dann zuteil wird, glücklich machen? Und welchen Preis muss ich dafür bezahlen, welche Opfer bringen für eine Illusion, die mit Sicherheit schon bald wieder von der grausamen Realität zerstört wird?", so "Totes Herz"-Regisseur Andreas Herzog im MDR-Interview. "Der Titel eines Buches von Richard David Precht lautet: 'Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?'. Aus dem Kontext gerissen klingt das erst mal unsinnig oder dadaistisch, wer diesen 'Tatort' gesehen hat, wird verstehen, wie es gemeint ist."
Am kommenden Sonntag heißt es "Tatort: Du bleibst hier", in Dortmund im Einsatz ist dann Peter Faber, der den Verlust von Kollegin Martina Bönisch noch längst nicht verarbeitet hat und in seinem Auto lebt. Familiär wird es auch diesmal: Nach Jahrzehnten taucht plötzlich Fabers Vater wieder auf - Verwechslung ausgeschlossen.
Quelle: ntv.de, Von Ingo Scheel