Am 22. April 1992 eingefroren Zwillinge aus 30 Jahre alten Embryonen geboren
24.11.2022, 10:14 Uhr (aktualisiert)
Die Reproduktionsmedizin hat in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht. Die Geburt von Lydia und Timothy Ridgeway markiert jetzt einen Meilenstein. Denn noch nie wurden Babys aus Embryonen geboren, die so lange eingefroren waren wie in diesem Fall.
In den USA sind Zwillinge geboren worden, die sich aus Embryonen entwickelt haben, die fast 30 Jahre eingefroren waren. Das berichtet das christlich orientierte US-amerikanische National Embryo Donation Center. Der bisherige Rekord lag bei fast 27 Jahren. 2020 wurde aus einem so lange gelagerten Embryo Molly Gibson geboren. Der damalige Rekord bleibt aber in der Familie, denn davor hielt ihn ihre ältere Schwester Emma, die aus einem Embryo geboren wurde, der 24 Jahre lang eingefroren war.
Die Zwillinge Lydia und Timothy Ridgeway wurden am 31. Oktober 2022 geboren und sind damit vermutlich die neuen Rekordhalter. Es gibt jedenfalls keine Hinweise darauf, dass ein älterer Embryo zu einer gesunden Lebendgeburt geführt hat. "In gewisser Weise sind sie unsere ältesten Kinder, auch wenn sie unsere kleinsten Kinder sind", sagte Philip Ridgeway, der Vater der Kinder, dem US-Sender CNN. Der 35-jährige Ridgeway und seine 34-jährige Frau Rachel haben vier weitere Kinder im Alter von 8, 6, 3 und fast 2 Jahren, von denen keines durch IVF oder Spendermaterial gezeugt wurde.
Die Embryonen, aus denen die Zwillinge entstanden, wurden 1992 für ein anonymes Ehepaar durch In-vitro-Fertilisation erzeugt. Der Ehemann war damals Anfang 50, die Eizellspenderin 34 Jahre alt. Am 22. April 1992 wurden die Embryonen eingefroren und lagerten fast drei Jahrzehnte in flüssigem Stickstoff. Embryonen können im Prinzip unbegrenzt gelagert werden, sagen Experten. Wenn sie bei fast 200 Grad unter Null Grad Celsius eingefroren sind, spiele es keine Rolle, ob sie eine Woche, einen Monat oder Jahrzehnte eingefroren sind.
Handlungsbedarf in Deutschland
2007 gab das Spenderpaar insgesamt fünf Embryonen dem National Embryo Donation Center in Knoxville, Tennessee. Die beiden verbanden damit die Hoffnung, dass ein anderes Paar sie verwenden könnte. Drei Embryonen wurden am 2. März 2022, also 29 Jahre und 10 Monate nachdem sie eingefroren wurden, transferiert. Studien zufolge führen 25 bis 40 Prozent der Transfers von eingefrorenen Embryonen zu einer Lebendgeburt. Eltern und Kind sind dann genetisch nicht verwandt. Sie haben aber eine genetische Verwandtschaft zu ihnen unbekannten Menschen.
Um ihre Embryonen auszuwählen, durchsuchte das Ehepaar Ridgeway, eine Spenderdatenbank. Darin war nicht aufgelistet, wie lange Embryonen eingefroren waren, aber Merkmale der Spenderinnen und Spender, wie ethnische Zugehörigkeit, Alter, Größe, Gewicht, genetische und gesundheitliche Vorgeschichte, Bildung, Beruf, Lieblingsfilme und -musik. Zu manchen Dateien gab es Fotos der Eltern und ihrer Kinder. Die Ridgeways gingen davon aus, dass kürzere Spendernummern länger zurücklagen und versuchten, ihre Auswahl auf diese Profile einzugrenzen.
So viele Kinder, wie Gott ihnen zugedacht
Das Paar musste vor der Behandlung die Voraussetzungen der Organisation erfüllen, die nur Paare zulässt, die "ein genetischer Mann und eine genetische Frau sein müssen, die mindestens 3 Jahre verheiratet sind". Die christlich orientierten Ridgeways, die so viele Kinder möchten, wie Gott ihnen zugedacht hat, bestanden auf der Übertragung aller drei Embryos, die nach dem Auftauen der fünf Spenderembryos überlebt hatten. Von ihnen nisteten sich allerdings nur zwei ein. Mehrfachschwangerschaften sind mit einem erhöhten Risiko für Mutter und Kinder verbunden.
Embryonenspende und -adoption sind auch in Deutschland laut Embryonenschutzgesetz prinzipiell möglich. Allerdings gibt es Einschränkungen, die Spenden dürfen beispielsweise nicht kommerziell genutzt werden. Die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM), Dr. Dunja Baston-Büst, wird in der Berliner Morgenpost mit der Einschätzung zitiert, dass sie für das deutsche Embryonenschutzgesetz dringenden Handlungsbedarf sieht. Das Gesetz sei immerhin so alt wie die in den USA verwendeten Embryonen. "In meinen Augen ist es wichtig, dass nicht nur die Embryonenspende, sondern auch die Eizellspende endlich offiziell erlaubt werden, so wie im Rest der Welt", so Baston-Büst. Es brauche auch in Deutschland Geschlechtergerechtigkeit. Schließlich sei auch die Samenspende offiziell möglich.
(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 22. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, sba