TV

Rostocker "Polizeiruf" Gute Eltern, schlechte Eltern

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Spielt die Rolle als zerrissene junge Mutter mit großer Eindringlichkeit: Meira Durand (r.).

Spielt die Rolle als zerrissene junge Mutter mit großer Eindringlichkeit: Meira Durand (r.).

(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Seine Familie kann man sich nicht aussuchen, den Sonntagabendkrimi dagegen schon. Gleich zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Monaten geht es in Rostock um Familiäres – diesmal aber mit deutlicher Einschalt- beziehungsweise Nachholempfehlung.

Holli (Mathilde Graf) hat es gut: Ihre Mutter Mascha (Meira Durand) liest ihr Gute-Nacht-Geschichten mit Kopflampe in der Hängematte vor, springt mit ihr zusammen durch Pfützen, nimmt sie bei all ihren großen und kleinen Abenteuern mit und liebt sie über alles. Holli hat es aber auch sehr schlecht: Ihre Mutter ist stark heroinabhängig und benutzt die Vierjährige als kompakte Einbruchshelferin und unverdächtige Komplizin bei ihren Raubzügen.

Stört diesmal so gut wie gar nicht: Der Sideplot rund um König (l.) und ihren wiederaufgetauchten Vater.

Stört diesmal so gut wie gar nicht: Der Sideplot rund um König (l.) und ihren wiederaufgetauchten Vater.

(Foto: NDR/Christine Schroeder)

Die ersten siebeneinhalb Minuten des neuen Rostocker "Polizeirufs" führen durch eine Traumwelt irgendwo zwischen Pippi-Langstrumpf-Vibes und Drogenabsturz. Kaum zu glauben, dass für den bildgewaltigen und emotional packenden Trip der gleiche Regisseur verantwortlich zeichnet, der noch im Dezember den enttäuschenden Vorgänger "Nur Gespenster" auf die Bildschirme brachte.

Wo Andreas Herzog bei der Missbrauchs-Episode fast jegliches Fingerspitzengefühl vermissen ließ, ist es diesmal genau umgekehrt: "Diebe" ist ein anrührender Krimi, bei dem sogar der unsägliche Sideplot rund um den 40 Jahre verschollenen und plötzlich wieder aufgetauchten Vater von Profilern König (Anneke Kim Sarnau) nicht unangenehm aufstößt.

Jede Menge Spielzeuge, aber keine echte Liebe

"Er hat es geschafft, diesem wirklich harten Fall poetische, märchenhafte Momente gegenüberzustellen", sagt Drehbuchautorin Elke Schuch über Herzogs Regiearbeit. "Das finde ich toll, weil es das unterstützt, was mir wichtig war, nämlich Mascha nicht als schlechte Mutter zu erzählen, jedenfalls nicht nur." Tatsächlich ist die junge Mutter in "Diebe" diejenige, die trotz Drogenabhängigkeit die innigste Beziehung zu ihren Kindern hat.

Königs Vater Günther dagegen sucht nach 40 Jahren Abwesenheit vor allem deshalb Kontakt zu seiner Tochter, weil ihn seine Lebensgefährtin rausgeschmissen hat und er kein Geld für einen Heimplatz hat. Und die beiden Kinder des geschniegelten Finanztyps, der als Hauptverdächtiger für den eigentlichen Mordfall gilt, wachsen in der Realität gewordenen Einfamilienhölle auf: mit jeder Menge Spielzeug, aber ohne echte Liebe.

Aber noch ein Wort zu Mascha-Darstellerin Meira Durand, die ihren Part mit überzeugender Eindringlichkeit spielt. Ambivalente Rollen scheinen der 23-Jährigen auf den Leib geschrieben zu sein: Bei ihrem letzten "Tatort"-Auftritt vor gut fünf Jahren überzeugte sie als ausgerissene Teenagerin, halb Lolita, halb Missbrauchs-Opfer. Nun befindet sie sich selbst in der Rolle der jungen, zerrissenen Mutter - so schnell kann es gehen im Leben.

"Sich von den Eltern abzunabeln, ist ein Prozess, der nicht mit der ersten eigenen Wohnung erledigt ist", sagt Andreas Herzog über seinen Film. "Bin ich als Erwachsener ein Abziehbild meiner Eltern geworden, oder bin ich nur deshalb ganz anders, weil ich auf keinen Fall so werden wollte wie meine Eltern?" Für Mitteldinge scheint der Regisseur wenig übrigzuhaben. Aber das mit der Ambivalenz passt ja auch ganz gut zu den beiden von ihm abgedrehten "Polizeiruf"-Fällen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen