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"Tatort" aus Frankfurt Nur nicht durchdrehen - oder doch?

Sabine (Friederike Ott), Dr. Adrian Goser (Martin Wuttke) und Amina (Anabel Möbius, v.l.) experimentieren mit psychedelischen Substanzen.

Sabine (Friederike Ott), Dr. Adrian Goser (Martin Wuttke) und Amina (Anabel Möbius, v.l.) experimentieren mit psychedelischen Substanzen.

(Foto: HR/Bettina Müller)

In die lange Reihe der etwas abseitigen Krimis aus der Frankfurter Filiale mit Janneke und Brix stellte sich auch der Fall "Leben Tod Ekstase". Optisch ein kosmischer Trip ins Unterbewusstsein, war das Sujet ein überaus kontroverses: Psycholyse, die etwas andere Art der Psychotherapie.

"Ihnen ist schon klar, dass Sie eine ziemlich miese Bilanz haben als Psychiater? Alle Ihre Patienten waren auf einem 'guten Weg'. Jetzt sind alle tot", so nüchtern kommentiert Brix (Wolfram Koch) den Ausgang jener Psycholyse-Sitzung, die so spektakulär tödlich aus dem Ruder gelaufen ist. Was im "Tatort", dem 16. der Achse Janneke/Brix, Ausgangspunkt der Ermittlungen ist, hat einen überaus realen Hintergrund.

Vor einigen Jahren hatte ein Fall im niedersächsischen Handeloh für Aufsehen gesorgt. Bei einem Heilpraktiker-Seminar mit dem Thema "Die sieben Quellen - eine Reise durch unser Energiesystem" hatte ein Psychotherapeut Substanzen an die Teilnehmer verteilt, darunter das Halluzinogen 2C-E und Dragonfly, eine sogenannte psychoaktive Substanz.

Das Experiment lief aus dem Ruder. 27 Teilnehmer hatten infolgedessen heftige Wahnvorstellungen, litten unter Krämpfen, Herzrasen und Atemnot. Über 160 Rettungskräfte waren im Einsatz. Der 53-jährige Therapeut wurde 2017 vom Landgericht Stade wegen Besitzes und Abgabe von Drogen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Noch schlimmer verlief 2009 ein Fall in Berlin. Damals hatte ein Arzt seinen Patienten ebenfalls Drogen verabreicht und sich bei der Dosis derart vertan, dass zwei der Teilnehmer starben, ein weiterer ins Koma fiel.

Experimente mit psychedelischen Substanzen

Die Idee der Psycholyse, also der Anwendung psychedelischer Substanzen wie Meskalin, LSD oder Psilocybin, hat seinen Ursprung bereits im Schamanentum. Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich experimentierten US-amerikanische Ärzte mit Mescalinsulfat, Ende der 1940er Jahre brachte die Firma Sandoz das Arzneimittel Delysid auf den Markt, wobei es sich letztlich um LSD handelte. Das Ziel der Medikation laut Beipackzettel: "seelische Auflockerung bei analytischer Psychotherapie, besonders bei Angst- und Zwangsneurosen".

Immer wieder kamen Experten zusammen, trafen sich auf Symposien und Kongressen, später wurden MDMA und LSD mit Ausnahmegenehmigungen eingesetzt. Das deutsche Betäubungsmittelgesetz teilt die sogenannten psychotropen Substanzen in drei Gruppen: "verkehrs- und verschreibungsfähig", "verkehrs- aber nicht verschreibungsfähig" und "nicht verkehrsfähig", worunter dann auch LSD, Meskalin und Psilocybin fallen. Als Therapieform ist die Psycholyse hierzulande nicht zugelassen.

Schweigegelübde und Wahnvorstellungen

Die Villa Meister in Frankfurt-Sindlingen.

Die Villa Meister in Frankfurt-Sindlingen.

(Foto: picture alliance / Leo F. Postl)

Von einem "Akademikerkult" war 2017 die Rede. Sabine Bundschu, eine Musikerin aus München, war aus der Psycholyse-Szene ausgestiegen und hatte Einblicke in die Praktiken gegeben. Sie erzählte in Interviews von Schweigegelübden, Hinterzimmer-Exzessen und Wahnvorstellungen, hatte selbst dabei einen Schlaganfall und Hirnblutungen erlitten. Die Drehbuchautorin Ariela Bogenberger, zweifache Grimme-Preisträgerin, brach ebenfalls ihr Schweigen, erzählte von ihrer Zeit in der sogenannten "Kirschblütengemeinschaft", einer vom Psychiater Samuel Widmer gegründeten Kommune, die Drogenpartys und Sexorgien abhielt.

Für einen "Tatort" also mal wieder eine Menge Holz an Background. Dabei vertiefte sich "Leben Tod Ekstase" weniger wissenschaftlich in das große Psycholyse-Thema - die Autoren Michael Comtesse und Nikias Chryssos, der auch Regie führte, arbeiteten sich vielmehr lustvoll an telegenen Motiven ab - wilde Tänze, fiebrige Visionen, ein Therapeut zwischen Witz und Wahnsinn, leidenschaftliche Ladys und ein Ex-Soldat mit Mordgelüsten. Dass die Villa als stimmungsvolle Location dafür besonders gut taugte, war nicht zu übersehen. Ein Grund liegt womöglich in der Geschichte des alten Gemäuers. Die Villa Meister beherbergte einst eine Rehabilitationsklinik für Suchtkranke. Unglaublich? Aber so steht es geschrieben …

Quelle: ntv.de

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