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"Borowski und der Wiedergänger" Tatort Interruptus

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Um 21.15 Uhr machte vielleicht auch er große Augen: Klaus Borowski (Axel Milberg).

Um 21.15 Uhr machte vielleicht auch er große Augen: Klaus Borowski (Axel Milberg).

(Foto: NDR / Olga Samuels)

Mit der Trilogie um den stillen Gast sorgten Regisseur Andreas Kleinert und Drehbuch-Autor Sascha Arango für einen echten Krimiklassiker. Auch diesmal zog das Duo alle Register und foppte nebenbei auch noch das Publikum - mit einem Abspann nach 60 Minuten.

Mal ehrlich: Wer hat am Sonntagabend so gegen 21.15 Uhr fluchend zur Fernbedienung gegriffen und war drauf und dran, mit einem entnervten "Was soll das denn jetzt?" umzuschalten? Dabei war das bis dahin Gezeigte bereits ein ziemlicher Parforceritt. Angefangen mit dieser übersteigerten Feierszene, als Greta Exner (Cordelia Wege) und ihr Mann Tobias (Pétur Óskar) plötzlich zur Musik von Jungle in eine gemeinsame Choreo einstiegen und mit der Schlussfigur dem Zuschauer zu Hause auf dem sonntäglichen Sofa ins Gesicht starrten.

"Borowski und der Wiedergänger" hat Sascha Arango seine Geschichte genannt. Das deutete früh an, dass der kurze Zeit später vermisste Exner, in welcher Gestalt auch immer, wiederauftauchen würde. Überhaupt war dies ein Fall, dem man im Fortlauf immer weniger trauen konnte, ein Grund auch die Überhöhung der Dialoge, die von einem latent exaltierten Gestus geprägt waren. Das Lachen zu laut, die Witze zu flach, die Sprache verschachtelt, dann auch noch diese Episode mit dem Tanz, all das wirkte so, als hätte man dem Ensemble gesagt, es solle mal so tun, als ob es spielt. Das war kein Einfinden in die Rolle, vielmehr die Darstellung einer Darstellung. Sicher nicht jedermanns Sache, gleichzeitig jedoch ein überaus interessanter Kniff des erfahrenen "Tatort"-Duos, das dem Publikum bereits den stillen Gast, gespielt von Lars Eidinger, in dreifacher Ausfertigung präsentiert hatte.

Still ging es diesmal nicht zu, im Gegenteil - rund um Greta Exner, Unternehmerin des Jahres, wurde es zuweilen ziemlich laut. Besonders reizvoll war die Szenerie, bei der zwei Antipoden das Setting bestimmten. Da war zum einen die Industriellen-Villa, eine durchgestylte Design-Behausung in reduziertem Chic, darin mit der exaltierten Exner eine Protagonistin, die an die großen "Derrick"- und "Der Kommissar"-Folgen der 70er Jahre erinnerte - eine dezent verhuschte Schönheit, der Borowski in einer schwachen Stunde vielleicht sogar ihr mörderisches Geheimnis verzeihen würde. Wobei das letztlich wohl auch nur eine pfiffige Volte war, denn wie sagte es Axel Milberg so treffend im Interview zur Sendung: "Borowski lässt sich gern unterschätzen. Manchmal scheint er nur halb bei der Sache zu sein. Fragt leise, schreibt dann und wann was auf. Guckt ins Wesenlose. Und plötzlich ist er unmittelbar vor der Aufklärung."

Die hatte es in der Tat in sich. Was an anderer Stelle womöglich offengelegt worden wäre, um das Publikum an der Ermittlungstaktik teilhaben zu lassen, wurde diesmal im Dunkeln belassen, sodass Zuschauer und Verdächtige bis zum furiosen Finale auf demselben Kenntnisstand blieben.

"Toll, wenn man es wagt"

Es war einer der letzten Fälle von Borowski und Mila Sahin (Almila Bagriacik).

Es war einer der letzten Fälle von Borowski und Mila Sahin (Almila Bagriacik).

(Foto: NDR / Olga Samuels)

Und dann war da natürlich noch die schmucke Mole im Kieler Stadtteil Wellingdorf mit seinen "Lost Places", die Greta Exner als Hobbyfotografin im Bild festhielt. Dachte man im Verlauf der Jahre immer mal wieder, dass es im "Tatort" aus der Landehauptstadt ein bisschen zu wenig Wasser und Boote zu sehen gab, ließen sich Borowski und Sahin diesmal ausreichend Fördewind um die Nase wehen. Wer das Gelände des alten Seefischmarktes und der stimmungsvollen, kleinen Marina kennt, weiß um den atmosphärischen Charme dieses etwas abseits gelegenen Geländes.

Mit dem oben erwähnten Knalleffekt setzte das "Tatort"-Team mit mächtig Chuzpe schließlich auf eine Pointe, die es in sich hatte. Da startete gegen 21.15 Uhr, also bummelich eine halbe Stunde zu früh und von der Aufklärung des Falles noch ein gutes Stück entfernt, der klassische "Tatort"-Abspann. Kurz darauf dann die Entwarnung. Greta Exner und ihr Haushälter hatten auf dem Sofa vor dem Fernseher gesessen und den "Tatort" im "Tatort" genossen.

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Keine Angst, das Publikum zu verprellen, mit so einem "Tatort Interruptus"? Almila Bagriacik alias Mila Sahin weiß um das Wagnis eines offenen Endes: "Ich bin selber Krimi-Fan und als Zuschauer würde mich das total aufregen. Ich finde, ein Krimi sollte - und da bin ich vielleicht auch sehr konservativ - auf jeden Fall abgeschlossen werden. Als ich die Idee gehört habe, dachte ich: 'Oh, das ist riskant. Da könnten einige Zuschauer aussteigen und den Fernseher ausmachen. Anschließend heißt es, das war ein schlechter 'Tatort'.' Aber als ich das Resultat gesehen habe, war ich beruhigt und irgendwie liebe ich Risiken. Ich finde es toll, wenn man es wagt."

In der Tat, ein cooler Kniff, umso bedauerlicher, dass es mit Borowski nun langsam, aber sicher auf die Zielgerade geht. Im nächsten Jahr läuft sein letzter Fall.

Quelle: ntv.de

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