Hooligans im "Tatort" Traurige Schläger auf dem Acker
01.02.2023, 12:00 Uhr (aktualisiert)
Gibt es mittlerweile offenbar auch: weibliche Hooligans.
(Foto: SR / Manuela Meyer)
Jeder Mensch braucht einen Sinn im Leben. Zum Beispiel eine Massenschlägerei mit Fremden. Damit sich dabei niemand zu schwer verletzt, aber erstmal schön eine Runde Aufwärmen. Über Hooligans von heute.
Wenn man sich darauf freut, am Samstag endlich mal wieder auf die Fresse zu kriegen, ist man entweder Masochist nach einer vollen Arbeitswoche - oder Hooligan. Ja doch, die gibt es tatsächlich noch, auch wenn die wilden Straßenschlachten miteinander und mit der Polizei zumindest in Deutschland mittlerweile die große Ausnahme sind. Der neue Saarbrücker "Tatort" will zeigen, wo und wie sich heutzutage Menschen im Namen des Fußballs prügeln.
Das macht "Die Kälte der Erde" gar nicht mal so schlecht: Es wird nicht nur ein toter Hooligan gezeigt, sondern vor allem viele fußballbegeisterte Menschen unterschiedlichster Ausrichtung. "Wenn ich im Stadion bin, hab ich frei", sagt zum Beispiel Kommissarin Baumann, die sich als Saarbrücker Ultra entpuppt. Der "Tatort" nimmt damit einen der größten Kritikpunkte von Fans an der medialen Berichterstattung über Fußball vorweg: der Vermischung von Hooligans und Ultras.
Dabei ist der Unterschied enorm: Ultras stehen als Überbegriff für selbstorganisierte Fangruppen, deren Zahlen in die Zehntausende gehen. Von links bis rechts sowie von gewaltfrei bis gewaltbereit ist alles dabei, dabei kommt es sehr stark auf den jeweiligen Verein und die Gruppierung an. Gemein ist aber allen, dass sich Ultras als Kern-Fans der supporteten Mannschaft verstehen, während Hooligans, vereinfacht gesagt, vor allem prügeln wollen.
Kein harmloses Hobby
Und das machen sie meistens bei sogenannten "Ackermatches" - wie im Film gezeigt - mit klaren Regeln und einer häufig ans Absurde grenzenden Organisationshingabe, wenn man den Zweck der Matches bedenkt. Da werden gegnerische Gruppen schon mal abgeholt, wenn sie den Austragungsort nicht finden. Oder es wird abgezählt und aussortiert, wenn die eine Gruppe deutlich größer als die andere ist. So oder so sind keine Waffen erlaubt, am Boden liegende Gegner müssen in Ruhe gelassen werden. Und vor den Matches wird sich schön eine halbe Stunde aufgewärmt und der Kampfort auch mal nach spitzen Steinen und ähnlichem abgesucht, damit sich bloß niemand zu schwer verletzt.
Die Gründe für die blutige Freizeitbeschäftigung sind sicher individuell sehr unterschiedlich. Der Strang, den "Die Kälte der Erde" verfolgt, ist allerdings plausibel: Die Mörderin und ihr vielseitiger Kollege mit dem Kylie-Minogue-Faible arbeiten Nachtschicht in derselben Fabrik. Überhaupt werden die gezeigten Hooligans mit eher deprimierenden Lebens-Hintergründen in Szene gesetzt, nur am Wochenende leben sie als Teil der Gruppe auf. Die Message: Es geht am Ende des Tages eben auch darum, dem eigenen Leben einen Sinn zu geben, auch wenn der Außenstehende es nicht verstehen mag.
Davon kann man halten, was man will, die Öffentlichkeit bekommt von dem Zirkus immerhin mittlerweile kaum noch etwas mit. Üblicherweise jedenfalls, denn immer wieder kommt es dann natürlich doch zu Zwischenfällen mit der Polizei oder Unbeteiligten, häufig im Suff oder nach hartem Konsum. Da wird bei aller schrulligen Biederkeit, die heutige Hools auszeichnet, schnell wieder klar, dass es sich eben doch um kein harmloses Hobby handelt und sich Gewalt schlicht und ergreifend nicht hundertprozentig steuern lässt.
(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 29. Januar 2023 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de