Langeweile nach furiosem Start Was ist da nur im Schwarzwald-"Tatort" los?
06.11.2022, 22:05 Uhr
Nicht die feurigsten Ermittler auf Deutschlands Straßen: Tobler (Eva Löbau, M.) und Berg (Hans-Jochen Wagner).
(Foto: SWR / Benoît Linder)
Tobler und Berg gehören nicht unbedingt zu den feurigsten "Tatort"-Ermittlern. Als Gegenentwurf zu all den überdrehten Großstadtfällen ist das eigentlich auch völlig in Ordnung. Allerdings verwechseln die Macher zum zweiten Mal in Folge reduziertes Tempo mit gähnender Langeweile.
Es gibt in Deutschland wahrscheinlich kein anderes Fernsehformat von so schwankender Qualität wie den "Tatort": Manchmal läuft wirklich gute Fernsehunterhaltung, meistens gibt es Mittelmaß zum Wochenausklang und hin und wieder ist auch ein absoluter Totalausfall dabei.
Aber egal, wie gut der jeweilige Fall (in den Augen des Kritikers) ist: Darüber zu schreiben, ist eigentlich immer eine schöne Aufgabe - und sei es nur wegen der herrlichen Post, die man bekommt, wenn Leser anderer Meinung sind.
Bei "Die Blicke der anderen" ist das anders, und zwar leider nicht im guten Sinne. Klar, 3 von 10 Punkten im Schnellcheck, das schreit im Grunde genommen nach einem Verriss. Gefolgt von der Frage, was nach neun Folgen aus dem so vielversprechend gestarteten Schwarzwald-"Tatort" geworden ist und einem entsprechenden Rückblick. Aber das wäre dann ganz einfach nur ein dreister Abklatsch der Rezension, die Kollege Ingo Scheel im Februar über den letzten Fall der Breisgauer verfasst hat: Damals gab es für "Saras Geständnis" ebenfalls 3 von 10 Punkten, unter anderem weil die Hauptverdächtige "mit einer Mischung aus telegener Tristesse und einem gerüttelt Maß an Gleichgültigkeit gespielt" wurde.
Die Hauptverdächtige im neuen Fall heißt zwar anders, abgesehen davon besteht aber höchste Déjà-vu-Gefahr: "Sandra Vogt (Lisa Hagmeister) verhält sich völlig apathisch und scheint am Geschehen kaum interessiert zu sein", konstatieren wir im aktuellen Schnellcheck. In beiden Filmen ist das eine eher unglückliche Regieentscheidung, schließlich sind auch die Kommissare Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) von Haus aus nicht die feurigsten Ermittler auf Deutschlands Straßen.
Freudlose Kost in Folge
Schon klar: Der Schwarzwald-"Tatort" war von Beginn an als Gegenentwurf zu den bisweilen arg überdrehten Großstadtfällen angelegt. Aber ein reduziertes Tempo und weniger Ermittlungs-Extravaganz müssen nicht gleichbedeutend mit einem Verlust an Spannung einhergehen. Dass der SWR nun zum zweiten Mal in Folge derart freudlose Kost auftischt, stimmt dann doch etwas ratlos.
Besonders schade ist das, weil das Thema an sich eine bessere Erzählung verdient hätte: "Die Blicke der anderen" erzählt eine Familientragödie und will die Frage aufwerfen, wo wir als Gesellschaft stehen. Was uns zusammenhält, was uns trennt, wie unser gemeinsames Leben in Zukunft aussehen kann. Aber für all die großen Fragen ist dieser "Tatort" mehr als eine Nummer zu klein. Um nochmal den Kollegen Scheel zu zitieren: "Am Ende bleiben Ratlosigkeit und die Hoffnung, dass es im Schwarzwald - überhaupt, welch zunehmend in den Hintergrund geratene, dabei doch so verheißungsvolle Kulisse - bald wieder aufwärts geht."
Quelle: ntv.de