"Tatort" im Maßregelvollzug Was tun mit psychisch kranken Tätern?
20.05.2024, 21:45 Uhr Artikel anhören
Verbringen im aktuellen "Tatort" viel Zeit hinter hohen Zäunen: Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner).
(Foto: SWR / Christian Koch)
Maßregelvollzug ist nicht nur ein deutsches Wortungetüm, sondern auch eine schwer greifbare Mischung aus Gefängnis und Psychiatrie. Der aktuelle "Tatort" will auf die schwierigen Verhältnisse für Patienten und Personal gleichermaßen aufmerksam machen.
Milan (Bekim Latifi) ist ein lieber Typ: Immer höflich, ein bisschen unscheinbar, definitiv schüchtern. Außer, wenn der "Drache" kommt, dann wird Milan unberechenbar - und im schlimmsten Fall zum Mörder, der auch vor der eigenen Mutter nicht haltmacht. Was genau damals passiert ist, verrät der Schwarzwald-"Tatort" zwar nicht, wohl aber, was seitdem mit Milan geschah: Der junge Mann verbüßt seine Strafe in einem Maßregelvollzug statt im normalen Gefängnis.
Im "Tatort" genau wie in der Realität ist der Maßregelvollzug nicht nur ein sehr deutsches Wortungetüm, sondern vor allem eine schwer greifbare Mischung aus Psychiatrie und Gefängnis: Die Mauern sind hoch, die Sicherheitsvorkehrungen scharf, aber die Insassen sollen hier nicht vornehmlich ihre Strafe absitzen, sondern nach Möglichkeit behandelt werden. Denn was alle der etwa 13.000 Menschen im deutschen Maßregelvollzug verbindet: Sie wurden wegen einer psychischen Krankheit als vermindert schuldfähig eingestuft und sind nicht nur Täter, sondern auch hilfebedürftige Menschen.
Teufelskreis "Overcrowding"
Zumindest theoretisch, denn das richtige Maß zwischen dem Sicherheitsanspruch der Allgemeinheit und den Persönlichkeitsrechten der Verurteilten zu finden, ist ein kaum machbarer Spagat. Eine aktuelle Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) hat herausgefunden, dass etwa ein Drittel der 78 Kliniken der forensischen Psychiatrie deutlich überbelegt ist. Was dazu führt, dass erforderliche Therapien aus finanziellen oder personellen Gründen in fast 60 Prozent der Einrichtungen nicht angeboten werden können. Zudem werden oft zusätzliche Betten in die Zimmer gestellt, und Therapie- und Versorgungsräume müssen als Patientenzimmer genutzt werden.
Das in der Fachsprache als "Overcrowding" bezeichnete Problem setzt einen Teufelskreis in Gang: Therapien dauern deutlich länger als geplant und sind gleichzeitig weniger effektiv, weil dem Personal schlicht die nötige Zeit fehlt. Dadurch verlängert sich die Aufenthaltsdauer der Insassen, was zu einem regelrechten Patientenstau führt. Das ist besonders dramatisch, weil es laut Gesetz keine vorgeschriebene Höchstdauer für die Unterbringung gibt: Eine Entlassung kann nur erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass von den Inhaftierten keine Gefahr mehr für die Gesellschaft ausgeht.
Womit wir wieder bei Milan wären: Der ist in "Letzter Ausflug Schauinsland" die allermeiste Zeit sanft wie ein Lamm und würde am liebsten den ganzen Tag auf seinem Mähtraktor über den Rasen kurven. Wäre da nicht der "Drache", der jetzt wieder öfter auftaucht, obwohl er doch schon mal fast weg war. Aber heißt das auch, dass Milan wieder die Kontrolle über sich verlieren würde? Um das herauszufinden, bräuchte es jede Menge Zeit mit einem Psychologen oder einer Psychiaterin. Und die? Gibt es einfach nicht.
Quelle: ntv.de