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Tödliche Literatur à la "Tatort" Wenn Schriftsteller morden

Im Garten dieses Hauses fand die Polizei im Jahr 2000 die Knochen von Richard Klinkhamers Frau.

Im Garten dieses Hauses fand die Polizei im Jahr 2000 die Knochen von Richard Klinkhamers Frau.

(Foto: picture alliance / ANP)

Im Frankfurter "Tatort" gehen die Kommissare im Buch einer jungen Autorin auf Spurensuche und klären so einen Mord auf. Klingt abgedreht, dabei sind die Vorlagen aus dem echten Leben noch um einiges unglaublicher.

Bücher, die sich reale Verbrechen zum Vorbild nehmen, gibt es jede Menge: In "Der goldene Handschuh" etwa erzählt Heinz Strunk die Geschichte eines Serienmörders auf St. Pauli so plastisch, dass es einem beim Lesen kalt den Rücken herunterläuft. Und auch Ferdinand von Schirachs Kurzgeschichten aus dem Gerichtssaal ("Schuld", "Sühne", "Verbrechen" etc.) strahlen eine derart morbide Faszination aus, weil sie aus dem realen Leben gegriffen sind. Trotzdem erzählen die beiden Autoren "nur" die Geschichten anderer nach, während der aktuelle "Tatort" noch einen Schritt weitergeht.

Im "Tatort" gehen Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) anhand des Buches auf Spurensuche.

Im "Tatort" gehen Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) anhand des Buches auf Spurensuche.

(Foto: HR/Bettina Müller)

In "Luna frisst oder stirbt" wird eine junge Autorin nach der Veröffentlichung ihres Debütromans ermordet. Aufklären können die Kommissare die Tat nur deshalb, weil sie den Hinweisen im autobiographisch angelegten Buch folgen - wo sich herausstellt, dass die Tote nicht nur Opfer, sondern ein Stück weit auch Täterin war. Klingt arg konstruiert, dabei ist die Realität an manchen Stellen noch eine ganze Ecke unglaublicher: Immer wieder überführen Ermittler Mörder, die es einfach nicht lassen können, ihre eigenen Taten autobiografisch zu verarbeiten - und Krimis darüber schreiben.

Liu Yongbiao

Der chinesische Schriftsteller war in seiner Heimat ein gefeierter Krimiautor, dessen Werke auch für das Fernsehen adaptiert worden waren, als er 2017 in Huzhou festgenommen wurde. Mehr als zwei Jahrzehnte zuvor hatte Yongbiao aus Geldmangel vier Menschen ermordet, darunter einen 13-jährigen Jungen - und das Ganze in seinem literarischen Werk verarbeitet. Im Vorwort zu seinem Buch "Das schuldige Geheimnis" hatte der Autor bereits 2010 angekündigt, an einem Krimi mit dem Titel "Die schöne Autorin, die tötete" zu arbeiten: "Ich will einen Roman über eine hübsche Schriftstellerin schreiben, die viele Menschen getötet hat, aber deren Fälle ungelöst sind." Eine Ankündigung, die ihn schließlich zu Fall brachte: 2018 wurde Yongbiao durch moderne DNA-Verfahren überführt -und zum Tode verurteilt. Seiner Frau hinterließ er vorher noch einen einseitigen Brief, um sich zu erklären: "Ich habe 20 Jahre in Angst gelebt. Ich wusste, der Tag wird kommen. Jetzt kann ich endlich frei von der geistigen Qual sein, die ich so lange aushalten musste."

Krystian Bala

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Im 2003 erschienenen "Amok" gibt sich ein gelangweilter polnischer Intellektueller seiner Drogen-, Sex- und Alkoholsucht hin, ermordet schließlich seine Freundin und kommt am Ende ungeschoren davon. Dass der reichlich wirre Roman nicht der Fantasie, sondern dem Erfahrungsschatz des Autors entsprang, wurde zwei Jahre später klar: Krystian Bala hatte das Mobiltelefon eines seiner Opfer auf einer Internet-Auktionsplattform verkauft und sich damit verdächtig gemacht. Irgendwann kamen polnische Beamte auf die Idee, sein Buch zu lesen, verglichen die Textstellen mit dem realen Tathergang - und zählten eins und eins zusammen. In einem zweiten Verfahren wurde die Schuld Balas 2008 bestätigt und der Mörder zu 25 Jahren Haft verurteilt.

Richard Klinkhamer

Noch bizarrer liest sich ein Fall, der sich bereits 1991 in den Niederlanden ereignete. In seinem Buch "Mittwoch gibt's Gehacktes" schilderte Richard Klinkhamer sieben verschiedene Versionen des Mordes an seiner Frau. In einer der Mordvarianten wird die Leiche durch einen Fleischwolf gedreht und anschließend an Tauben verfüttert. Der Leser sollte selbst herausfinden, welche Mordvariante die Hauptperson des Kriminalromans letztendlich gewählt hat. Sein Verleger lehnte den Roman zwar als "scheußlich und schlecht geschrieben" ab, trotzdem machte das Manuskript die Runde - wohl, weil Klinkhamer selbst es durchgestochen hatte. Der Möchtegern-Schriftsteller gab mehrere TV-Interviews und deutete immer wieder vage an, er selbst könne der Mörder seiner Frau sein. Erst im Jahr 2000 wurde die Leiche der Frau auf Klinkhamers Grundstück gefunden und der Mann des Mordes überführt.

Quelle: ntv.de

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