Verwirrung um Zwangsheirat 15-Jährige macht Rückzieher
04.05.2010, 19:55 Uhr"Ich komme hier nicht weg, ich werde eingeschlossen": Mit diesem Hilferuf hatte sich ein 15-jähriges Mädchen an ihren Lehrer gewandt. Polizisten befreiten die junge Serbin daraufhin aus einer Berliner Wohnung. Dort sollte sie mit einem 19-Jährigen zwangsverheiratet werden. Stimmt nicht, sagt sie jetzt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)
Ein 15-jähriges serbisches Mädchen aus Hamburg, das in Berlin zu einer Ehe gezwungen worden sein soll, ist nach eigenen Angaben kein Opfer einer Straftat. Das habe die Schülerin bei einer Vernehmung gesagt, teilte die Polizei in Hamburg mit. Anonyme Hinweise, dass das Mädchen zwangsverheiratet worden sei, hätten sich nicht bestätigt. "Es haben sich keine Anhaltspunkte für ein Sexualdelikt zum Nachteil der Schülerin ergeben." Ermittlungen gegen die Eltern wegen möglicher Verletzung der Fürsorgepflicht wurden der Staatsanwaltschaft übergeben.
Ob die 15-Jährige bei ihrer Vernehmung unter Druck stand, war unklar. Sie kam in Begleitung ihrer Mutter ins Kommissariat. Die Schülerin habe erklärt, sie wolle nun doch bei einer Familie in Berlin-Spandau bleiben und dort die schulische Ausbildung beenden. Dort hatte sie am Donnerstag die Polizei nach einem anonymen Hinweis herausgeholt und dem Jugendnotdienst übergeben. Sie hatte erklärt, sie wolle nicht in die arrangierte Ehe einwilligen. Sie sei in der Familie aber gut behandelt worden.
Widersprüchliche Aussagen
Das Mädchen war zunächst nach Hamburg zurückgekehrt. Die zuständige Hamburger Jugendeinrichtung hatte laut Polizei nach der Befreiung aus der Berliner Wohnung am Freitag entschieden, dass die 15-Jährige wieder ihren Eltern übergeben wird. Die Zeitung "B.Z." berichtete, dass die Gymnasiastin von ihrer Familie am Wochenende zurück nach Berlin gebracht worden sei, wo es doch zu einer erzwungenen Hochzeit mit einem Landsmann gekommen sein soll.
Die Schülerin hatte Anfang vergangener Woche einem Lehrer mitgeteilt, ihre Eltern wollten sie zu einer Heirat mit einem ihr unbekannten jungen Mann in Berlin zwingen. Dieser wandte sich an die Polizei. Das Mädchen teilte einem Freund wenig später per SMS auch mit, sie sei bereits nach Berlin verschleppt und in einer ihr fremden Familie untergebracht worden. Bei ihrer Vernehmung wollte sie dazu keine Angaben mehr machen.
1000 Zwangsehen pro Jahr
Nach Einschätzung der Frauen-Hilfsorganisation Terre des Femmes werden in Deutschland jedes Jahr weit mehr als 1000 Mädchen aus Migrantenfamilien in Ehen gezwungen. Die Motive sieht Mitarbeiterin Myria Böhmecke im Traditionsbewusstsein patriarchalisch geprägter Familien und den Ehrbegriffen ihrer oft ländlich geprägten Heimatregionen. Terre des Femmes sieht dieses Verhalten nicht nur islamisch geprägt. Es komme auch auf dem Balkan oder in Indien vor.
Standesamtliche Eheschließungen sind in Deutschland ab 16 Jahren erlaubt, wenn der Ehepartner volljährig ist und das Familiengericht zustimmt. Hochzeiten nach religiösem Ritus sind seit 2009 ohne vorherige standesamtliche Trauung möglich.
Mitte Februar starteten Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein- Westfalen erneut eine Initiative gegen Zwangsheirat. Die Länder wollen Zwangsheirat als eigenen Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufnehmen.
Quelle: ntv.de, dpa