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Polizei übt scharfe Kritik 228 Menschen nach Eritrea-Treffen vorübergehend festgenommen

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Die Stuttgarter Beamten hatten massiv Kräfte aus der Umgebung hinzubeordert.

Die Stuttgarter Beamten hatten massiv Kräfte aus der Umgebung hinzubeordert.

(Foto: picture alliance/dpa)

Bereits im Juli kam es beim Eritrea-Festivals in Gießen zu heftigen Ausschreitungen. Nun wird die Polizei bei einer ähnlichen Veranstaltung in Stuttgart von einer Welle der Gewalt überrollt. 26 Beamte werden verletzt, manche davon schwer. Die Gewerkschaft fordert Konsequenzen.

Nach den Ausschreitungen im Zusammenhang mit einem Eritrea-Festival in Stuttgart hat es 228 Festnahmen gegeben. Den Tatverdächtigen werde unter anderem schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen, teilte die Polizei in Stuttgart mit. Dazu kämen Körperverletzungsdelikte und Diebstahlsdelikte. 227 der 228 Festgenommenen sind inzwischen aber wieder auf freiem Fuß, hieß es. Ein mutmaßlicher Täter werde dem Haftrichter vorgeführt, weil er schon häufiger polizeilich in Erscheinung getreten sei. Die mutmaßlich zur eritreischen Opposition zählenden Tatverdächtigen hatten am Samstag Polizisten attackiert. Die Verdächtigen wollten eine Veranstaltung eines regierungsnahen eritreischen Vereins stören.

Die Polizei geriet aus eigener Sicht bei den Ausschreitungen zwischen die Fronten von Anhängern und Gegnern des eritreischen Regimes. "Wir waren heute der Prellbock für einen eritreischen Konflikt, der auf Stuttgarter Straßen mit massiver Gewalt ausgetragen wurde", teilte der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler in der Nacht mit Blick auf die Ausschreitungen vom Samstag mit. 26 Polizeibeamte seien verletzt worden, zudem vier Teilnehmer der regimenahen Eritrea-Veranstaltung und zwei Oppositionelle. Sechs Beamte wurden im Krankenhaus behandelt. Fünf Polizisten konnten ihren Dienst den Angaben zufolge nicht weiter ausführen. 300 Beamte seien insgesamt am Samstag im Einsatz gewesen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser verurteilte die Ausschreitungen scharf. "Ausländische Konflikte dürfen nicht in unserem Land ausgetragen werden", sagte die SPD-Politikerin. Die Gewalttäter müssten zur Verantwortung gezogen werden. Den verletzten Polizeikräften wünschte Faeser eine schnelle und vollständige Genesung.

Am Rande einer Eritrea-Veranstaltung war es zu den heftigen Ausschreitungen gekommen. Auslöser war eine Versammlung von Eritrea-Vereinen mit rund 80 bis 90 Teilnehmern, die laut Polizei dem diktatorischen Regime in Afrika nahestehen. Mehrere Hundert Veranstaltungsgegner hatten sich zum Protest in der Stadt versammelt. Ihnen sei ein Versammlungsort zugewiesen worden, der jedoch abgelehnt worden sei, so die Polizei. Anschließend kam es am Römerkastell beim Veranstaltungsort zu massivem Krawall.

Gegner der Veranstaltung hätten Teilnehmer und Polizeibeamte mit teils mit Nägeln bestückten Holzlatten, Metallstangen, Flaschen und Steinen angegriffen. Die Polizei wehrte sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Angreifer. Kräfte wurden aus umliegenden Polizeipräsidien und der Bundespolizei beordert. Auch mit dem Hubschrauber wurden Polizisten eingeflogen.

"Wir machen uns hier zum Affen"

Die Teilnehmer des Eritrea Treffens wurden unter Polizeischutz nach dem Ende der Veranstaltung vom Ort des Geschehens eskortiert. Zugleich kesselte die Polizei rund 200 Oppositionelle ein. Bis in die Nacht hinein stellten die Beamten Personalien fest und sprachen Platzverweise aus. Der Einsatz verdeutlicht aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) die personellen Probleme der Polizei. "Gut, dass wir dort Hilfe aus anderen Polizeipräsidien und der Bundespolizei bekommen haben", teilte Landeschef Ralf Kusterer mit. Aber das dauere oft sehr lange. Er kritisierte, der Staat sei schwach. "Das müssen wir ändern. Auch, weil ein demokratischer Staat durch diesen schwachen Staat gefährdet ist." Der öffentliche Dienst und die Polizei müssten endlich gestärkt werden. Die Stuttgarter Beamten hatten massiv Kräfte aus der Umgebung hinzubeordert. Kusterer kritisierte, dass die unangemeldete Gegendemonstration zu dem Eritrea-Treffen eine Demonstrationsfläche zugewiesen bekommen habe, sich aber nicht daran gehalten habe.

"Wir machen uns hier zum Affen. Dabei müssten wir unser Demonstrations- und Versammlungsrecht schützen und stärken. Dazu müssen wir konsequent durchgreifen. Wer sich nicht daran hält, verwirkt sein Recht darauf." Die Stadt Stuttgart will zeitnah mit den betroffenen Gruppen Kontakt aufnehmen. "Wir werden nächste Woche sofort mit den in Stuttgart ansässigen Vereinen das Gespräch suchen", teilte der städtische Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic am Samstagabend mit. "Unsere Linie in den regelmäßigen Gesprächen mit den verschiedenen Migrantenorganisationen ist, dass wir in Stuttgart keine Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu den Konflikten in den Herkunftsländern dulden."

Nach Ansicht der Stadt gab es keine Gründe für ein Verbot der Eritrea-Veranstaltung. "Versammlungen im geschlossenen Raum sind nicht anmeldepflichtig", teilte die Landeshauptstadt mit. "Es lagen keine Gründe für ein Verbot der heutigen Eritrea-Veranstaltung vor." Die Stadt Stuttgart werde aber Konsequenzen aus den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft ziehen.

Im Juli war es bereits in der hessischen Stadt Gießen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen. Mindestens 26 Polizisten wurden verletzt, als Gegner der Veranstaltung Sicherheitskräfte mit Stein- und Flaschenwürfen attackierten und Rauchbomben zündeten. Die Beamten hatten unter anderem Schlagstöcke gegen sie eingesetzt. Die Organisatoren des Events in Gießen standen der umstrittenen Führung des ostafrikanischen Landes nahe. In Stockholm kam es im August bei einem Eritrea-Festival zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten.

Quelle: ntv.de, can/mli/dpa/AFP

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