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"Berührend und mitreißend" Raphaela Gromes spielt Dvořák - und spendet alles der Ukraine

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Solidarität und die Liebe zur Musik zeichnen Raphaela Gromes aus.

Solidarität und die Liebe zur Musik zeichnen Raphaela Gromes aus.

(Foto: Michaela Weber)

Die Ausnahme-Cellistin Raphaela Gromes hat einen besonderen Bezug zum Sinfonie-Orchester der Ukraine - deswegen tritt sie diese Woche mit den Kollegen in der Berliner Philharmonie auf. Über ihren Antrieb, ihre Träume und ihre Pläne spricht sie mit ntv.de.

Es ist das bekannteste Cello-Konzert überhaupt - und "es ist auch mein absolutes Lieblingskonzert", erzählt Cellistin Raphaela Gromes ntv.de, "weil einfach alles darin vorkommt: Emotionen wie sehnsüchtige Verliebtheit und jugendlicher Überschwang mit nicht enden wollender, grenzenloser Energie. Aber auch melancholische, wehmütige Themen finden ihren Platz." Gromes' Schwärmerei gilt dem Cellokonzert in h-Moll von Antonín Leopold Dvořák: "Er hat es in Amerika geschrieben. Er hat seine Heimat in dieser Zeit sehr vermisst. Außerdem lag seine Schwägerin, die er sehr geliebt hat, im Sterben. Im Grunde hat er das Konzert mit all seinen epischen Melodien für sie komponiert. Ein sehr virtuoses, mitreißendes Konzert, das kammermusikalisch und gleichzeitig symphonisch so groß angelegt ist, dass es einen einfach nur berühren und mitreißen kann."

Und genau das kann das Publikum am 14. November in der Berliner Philharmonie, wenn Gromes mit dem National Symphony Orchstra of Ukraine auftritt, erleben. Warum gerade dieses Orchester? "Ich habe es 2022 gehört, nach Beginn des russischen Angriffskrieges. Da waren sie schon mal in Deutschland und haben hier gespielt." Sie sei eigentlich nur aus Solidarität mit der Ukraine zu diesem Konzert gegangen und war dann begeistert vom ersten Orchester des angegriffenen Landes. "Diese Musikerinnen und Musiker kämpfen mit ihrem Spiel für ihre Kultur, fast wie die Soldaten an der Front", ist Gromes überzeugt. Kann man das vergleichen? "Nicht ganz", lenkt die 33-Jährige ein, "aber letztlich geht es in diesem Krieg auch um die kulturelle Identität. Russland will die ukrainische Kultur, die ukrainische Sprache, das selbstständige, freiheitliche Denken der Ukrainer zerstören. Und diese Musikerinnen und Musiker transportieren, als Botschafter ihres Landes, ihre Kultur."

"Spiel' mit uns!"

Werden am Abend in der Philharmonie auch Stücke von ukrainischen Komponisten gespielt? "Ganz sicher", strahlt die Cellistin, "spätestens als Zugabe!" Damals hat sie dem Orchester nach ihrem Auftritt einfach nur gratulieren wollen, hinter der Bühne. "Und dann haben der Chefdirigent und der Intendant mich beide sofort darum gebeten, nach Kiew zu kommen: 'Spiel' mit uns, du bist herzlich eingeladen.' Ich konnte das zuerst gar nicht fassen, weil ich nicht wusste, dass dort gerade überhaupt Konzerte stattfinden." Raphaela Gromes ließ sich überzeugen und reiste nach Kiew - und sie fand Menschen dort, die sich von einem Krieg nicht ihr komplettes Leben vermiesen lassen wollten. "Sie versuchen, einen ganz normalen Alltag zu führen. Und dazu gehört natürlich auch, für andere da zu sein, mit Musik und Kultur. Von diesem furchtbaren Kriegsalltag abzulenken und das Zerstörte wieder aufzubauen."

Die Zusammenarbeit hat sie von Anfang an glücklich gemacht.

Die Zusammenarbeit hat sie von Anfang an glücklich gemacht.

(Foto: Michaela Weber)

Musik hat in der Ukraine eine sehr hohe Bedeutung, sie erzeugt ein verbindendes Gefühl, sei es beim Singen an Fenstern oder bei Bombenalarm in den Metro-Schächten oder Bunkern. "Die Menschen rennen nicht bei jedem Sirenenlaut in die Bunker, sie wollen sich nicht von den Russen terrorisieren lassen und jedes Mal ihr Leben anhalten. Aber wenn sie dort tatsächlich Schutz suchen, wenn dann wirklich eine Rakete im Anflug ist, dann gehen sie in den Bunker und dort singen sie dann oft." Es gibt diese Momente, in denen die Ukrainer vom "Roten Schneeball" singen. Es geht um eine Pflanze - aber eigentlich ist dieses Lied der Inbegriff der ukrainischen Resilienz geworden, von Stärke, dem Kampf für Freiheit und Demokratie. "Letztlich hat mich das so berührt, dass ich dieses Stück als Bonustrack auf der CD gemeinsam mit dem Orchester aufgenommen habe."

Gemeinsam atmen, gemeinsam musizieren

"Die Zusammenarbeit hat mich von Anfang an glücklich gemacht, weil sowohl Chefdirigent Volodymyr Syrenko als auch das Orchester einfach sehr interessiert waren an meiner Interpretation." Alles habe sich "richtig passend und stimmig angefühlt, sowohl bei den Proben als auch im Konzert in Kiew." Von einem unglaublichen Gemeinschaftsgefühl erzählt Gromes, "fast ein gemeinsames Atmen und gemeinsames Hoffen auf eine bessere Zukunft". Das habe sie so berührt, dass sie dadurch die Idee hatte, mit dem Orchester gemeinsam ein Album einzuspielen und auch in Deutschland auf Tournee zu gehen. Jetzt ist sie sehr froh, dass das Orchester überhaupt ausreisen darf. "Es sind ja viele Männer in dem Orchester, und alle Männer zwischen 18 und 60 haben momentan eigentlich keine Chance auszureisen, weil sie sich für den Militärdienst bereithalten müssen." Aber da dieses Orchester und die Kultur in der Ukraine einen sehr hohen Stellenwert haben und diese Musiker im wichtigsten Orchester des Landes spielen, haben sie alle eine vorübergehende Befreiung vom Militär und damit eine besondere Ausnahmegenehmigung, das Land zu verlassen - für die zwei oder drei Wochen, in denen sie auf Tour sind.

Was wünscht sich eine Musikerin wie Raphaela Gromes für ihre Kollegen? "Ich glaube, dass bei vielen Menschen einfach der Wunsch nach Frieden da ist. Nach Nächten, in denen man schlafen kann. Man kann sich nicht vorstellen, was für ein unglaublicher Terror das ist, jede Nacht um die 150 Luftangriffe auf die Ukraine - da heulen quasi durchgehend die Sirenen." Ein Freund der Künstlerin hat gesagt, er wache nachts nur noch auf, um zu schauen, ob er überhaupt am Leben ist. "Er hat keine Kraft mehr, überhaupt in einen Bunker zu gehen. Er kann nicht mehr, und tagsüber muss er arbeiten. Die Menschen müssen ja auch Geld verdienen." Letztlich fühlten sich viele nur noch wie Roboter oder Maschinen, die versuchen, zu funktionieren.

Gromes: "Angst, Verzweiflung und Schmerz kann man oft nicht mehr fühlen nach zwei Jahren Krieg. Es ist alles zu viel. Jeder hat einen Freund, Mann, Sohn oder einen Bruder verloren, direkt an der Front oder durch Kollateralschäden. Wie soll das weitergehen?" Gromes hofft auf eine Pause, ein Einfrieren des Krieges, ein Innehalten: "Wirklichen Frieden wird es so schnell vermutlich leider nicht geben, beide Seiten würden in der Zeit aufrüsten, da beide mit dem Status quo, den man vielleicht aushandeln könnte, nicht zufrieden wären", vermutet sie. Aber, ganz vielleicht, gibt es in der Zeit auch einen russischen Regierungswechsel. "Diese Hoffnung habe ich natürlich, auch wenn sie eher unrealistisch ist", sagt die Musikerin.

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Den Erlös ihres neuen Albums spendet Raphaela Gromes an ukrainische Hilfsorganisationen, eine davon ist Be an Angel: "Die liegt mir besonders am Herzen, weil ich weiß, dass alles hundertprozentig da ankommt, wo es soll: Bei den Menschen in der Ukraine, die Hilfe am meisten benötigen." Gromes hat auch schon ein SOS-Kinderdorf in der Ukraine besucht und dort für die Kinder musiziert. "Mich beeindrucken Menschen wie 'Be An Angel'-Gründer Andreas Tölke mit seinem unglaublichen Mut, seit zwei Jahren immer wieder auch an die Front zu fahren, die Menschen dort zu versorgen und zu unterstützen und Frauen und Kinder aus den gefährlichsten Gebieten zu holen. Ich will einfach nur meinen Teil beitragen."

Sie können das auch, durch Spenden, oder indem Sie am 14.11. um 20 Uhr in die Philharmonie kommen, Tickets gibt es hier.

Quelle: ntv.de

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