Panorama

"Erzählen Sie doch keinen vom Pferd!" Das Millionen-Missgeschick des Uli Hoeneß

Uli Hoeneß mit  Markus Gotzens, einem seiner Anwälte, vor dem Landgericht München II.

Uli Hoeneß mit Markus Gotzens, einem seiner Anwälte, vor dem Landgericht München II.

(Foto: dpa)

Kann man es vergessen, wenn man mit zweistelligen Millionenbeträgen spekuliert? Uli Hoeneß will vor Gericht wie ein Naivling aussehen. Dafür lässt er sich von seinem eigenen Anwalt angreifen und legt eine erschreckende Zahl auf den Tisch.

Normalerweise hat ein Angeklagter vor Gericht immer mindestens einen, der zu ihm steht: den Verteidiger. Der Staatsanwalt klagt an, der Verteidiger verteidigt eben. Doch an diesem Montagvormittag im Münchner Landgericht II läuft es für Uli Hoeneß etwas anders: Sein Rechtsanwalt Hanns Feigen fragt nicht nur, er fragt auch nach, treibt seinen Mandanten fast schon in die Enge. "Hunderte" Devisengeschäfte habe er im Jahr gemacht, sagt Hoeneß. "Tausende", korrigiert sein Anwalt. Die Recherche eines "Stern"-Journalisten habe bei seiner Selbstanzeige keine Rolle gespielt, sagt Hoeneß. "Doch, sie hat eine ganz entscheidende Rolle gespielt", widerspricht Feigen. "Erzählen Sie doch keinen vom Pferd!" Hoeneß sei "gerannt wie ein Verrückter", um sich mit einer Selbstanzeige zu retten.

Szenen wie diese lassen schon nach einem halben Verhandlungstag erkennen, wie sich Hoeneß und seine Anwälte das Verfahren um die Steuerhinterziehungen des Präsidenten des FC Bayern München vorstellen. Erstens soll er nicht geldhungrig und unmoralisch wirken, sondern unvorsichtig, naiv und überfordert. Und zweitens soll ihm zugutegehalten werden, dass er nun vollständig kooperiert.

Diese Kooperation erscheint durchaus glaubwürdig. Denn Hoeneß gestand vor Gericht wesentlich höhere hinterzogene Summen, als die Staatsanwaltschaft erwähnt hatte. In der Anklageschrift ist von 3,55 Millionen Euro die Rede. Hoeneß spricht davon, mindestens 18,5 Millionen zu wenig bezahlt zu haben. Wenn er Pech hat, bringt ihm das eine härtere Strafe ein. Dennoch ist es sicher besser, als wenn die ganze Wahrheit auf anderem Wege ans Licht kommt.

Ohne Selbstanzeige kein Verfahren?

In die gleiche Richtung zielt Hoeneß' Aussage zu seiner Selbstanzeige: Diese habe er "eigentlich schon im Herbst" abgeben wollen. Schon im Mai 2013 hatte er einem Interview mit der "Zeit" berichtet, dass er auf das deutsch-schweizerische Abkommen gehofft habe, das Steuerhinterziehern eine Amnestie in Aussicht gestellt hatte, dann aber gescheitert war. Dass es mit der Selbstanzeige dann aber doch bis zum Januar 2013 dauerte, erklärt er damit, dass der Chefdevisenhändler seiner Schweizer Bank Vontobel im Urlaub gewesen sei. Selbst Feigen, sein eigener Anwalt, ließ ihm das nicht durchgehen.

Feigen pocht aber darauf, dass diese Anzeige wirksam ist: "Wir sitzen alle hier, weil Uli Hoeneß eine Selbstanzeige eingereicht hat." Am 25. Februar 2013 habe Staatsanwalt Achim von Engel bestätigt, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ohne die Selbstanzeige ergebnislos geblieben wären und dass Hoeneß und sein Steuerberater Günther Ache sich "um Aufklärung bemüht" hätten.

Dann verliest Hoeneß eine Erklärung: "Ich habe Steuern hinterzogen. Mir ist bewusst, dass daran auch meine Selbstanzeige nichts ändert", trägt er vor. Als Laie könne er zu den juristischen Fragen nichts beitragen. Unterm Strich hätten sich seine Spekulationen "nicht gelohnt", 2003 bis 2009 habe er im Ergebnis keine Gewinne erzielt. Steuerpflichtig sind seine Spekulationsgewinne dennoch. Die Erklärung klingt in weiten Teilen wie sein Interview mit der "Zeit" im Mai 2013. "Mir ist klar, dass mir nur absolute Steuerehrlichkeit hilft."

"Ich bin kein Sozialschmarotzer"

Wie damals stellt er seine Leichtfertigkeit in den Vordergrund und die Befriedigung, die ihm die Spekulationen verschafften: "Das war der Kick. Das pure Adrenalin." Von 2002 bis 2006 habe er "richtig gezockt". "Es waren Summen, die für mich heute schwer zu begreifen sind." Ab 2006 sei es "schwierig" geworden, ab 2008 sei es zu einem "rapiden Verfall meines Vermögens" bei Vontobel gekommen. Ganze 18 Millionen Euro verlor er an nur einem Tag. Unterm Strich habe er Millionenverluste erlitten. Die Steuernachzahlung werde diesen Verlust "weiter erhöhen".

Als es um die Details geht, wirkt Hoeneß häufig überfragt. Er habe Euro gegen Dollar spekuliert, Euro gegen Schweizer Franken, Dollar gegen Yen, Dollar gegen Schweizer Franken. "Herr Hoeneß, bitte, ein bisschen genauer", mahnt ihn der Richter. Doch viel genauer wird es nicht. Auch an zweistellige Millionenbeträge kann Hoeneß sich nicht genau erinnern. "Letztlich war es ein großes Durcheinander", sagt Hoeneß. Er habe nie Kontoauszüge gesehen, auch keine sehen wollen. Als der Richter nachbohrt, kapituliert Hoeneß irgendwann: "Ich habe mir über diese Themen gar nicht so viele Gedanken gemacht".

Naiv, geläutert und eigentlich ein guter Mensch - so will Hoeneß erscheinen, und es gelingt ihm einigermaßen. "Ich bin kein Sozialschmarotzer", sagt er. Er habe seit 2001 fünf Millionen Euro an soziale Einrichtungen gespendet und knapp fünfzig Millionen Euro an Steuern gezahlt. Sein Verhalten bereue er "zutiefst". Das muss nicht nur an moralischer Einsicht liegen, auch wenn Hoeneß diesen Eindruck glaubhaft vermittelt. Auf Steuerhinterziehung stehen in Deutschland bis zu fünf Jahre Gefängnis, in besonders schweren Fällen bis zu zehn.

Quelle: ntv.de

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