Billig-Brustimplantate von PIP Deutsche Ärzte: "Raus damit"
06.01.2012, 17:09 Uhr
Fast eine halbe Million Frauen haben weltweit Billig-Brustimplantate von PIP erhalten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Frauen, die Silikonkissen der Firma PIP in ihren Brüsten haben, sollen diese am besten entfernen lassen, raten Mediziner. Die Patientinnen, die die Einlagen behielten, müssten mit dem Risiko eines erneuten komplizierten Eingriffs leben. Ärger steht derweil für den TÜV Rheinland an.
Im Skandal um defekte Billig-Brustimplantate werden die Stimmen lauter, die den Patientinnen eine Entfernung der Silikonkissen raten. Deutsche Mediziner schlossen sich der Empfehlung an, die die französischen Behörden den rund 30.000 Patientinnen mit Prothesen der Firma PIP gegeben hatten. Offiziell empfehlen die deutschen Behörden den Frauen bisher lediglich, einen Arzt aufzusuchen.
In einer gemeinsamen Erklärung verwiesen Fachverbände von Gynäkologen, plastischen und ästhetischen Chirurgen sowie Experten für Brustkrankheiten darauf, dass die PIP-Kissen beispielsweise bei Röntgenaufnahmen falsche Bilder erzeugen könnten. Außerdem müssten die Patientinnen, die die Einlagen behielten, mit dem Risiko eines erneuten komplizierten Eingriffs leben.
Nach Angaben des Berufsverbandes der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) gibt es auch Hinweise darauf, dass die Billig-Prothesen verstärkt "ausschwitzen" und damit Silikon durch die Hülle hindurch in den Körper abgeben. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, wäre "die Indikation zur Entfernung noch stärker gegeben", erklärte DGPRÄC-Präsident Peter Vogt.
Auch das tschechische Gesundheitsministerium riet den mehr als 2000 Frauen, die PIP-Implantate tragen, zu einer Operation. Noch am Dienstag hatte das Ministerium die Patientinnen lediglich zu einem Arztbesuch aufgefordert. Auch in den meisten anderen Ländern, in die die mit einem hausgemachten Billig-Silikon gefüllten Kissen exportiert wurden, raten die Behörden bisher lediglich zu verstärkten Kontrollen.
TÜV Rheinland muss vor Gericht
Ärger steht für den TÜV Rheinland an. "Es gibt einen Termin am 2. Februar vor dem Handelsgericht in Toulon", sagte ein TÜV-Sprecher. "Wir werden dort unsere Position darlegen: Wir halten die Klage für unzulässig und substanzlos." Ein Anwalt klagt nach Angaben des "Focus" im Auftrag von drei Unternehmen, die Implantate der Firma PIP vertrieben haben. Der TÜV Rheinland war lange Zeit für die Zertifizierung der Silikon-Implantate zuständig – und bemerkte den Betrug dabei nicht.
PIP-Chef gibt bewusste Täuschung zu
PIP-Gründer Jean-Claude Mas gab eine bewusste Täuschung des TÜV zu. Um den Betrug zu vertuschen, habe er "routinemäßig" alle verräterischen Dokumente und Container vor den Prüfern verstecken lassen, sagte der 72-Jährige vor Ermittlern. "Der TÜV hat seinen Besuch zehn Tage vorher angekündigt", erklärte der Gründer des Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) laut Vernehmungsprotokoll. Von dem nicht zugelassenen Gel gehe aber keinerlei Gesundheitsgefahr aus.
Nach Angaben von Mas enthielten nur 25 Prozent der hergestellten Implantate das zugelassene Silikongel Nusil. 75 Prozent seien mit nicht zugelassenem Gel aus Eigenproduktion gefüllt worden. "Ich wusste, dass dieses Gel nicht anerkannt war, aber ich habe es absichtlich gemacht, weil das PIP-Gel günstiger und von besserer Qualität war", sagte Mas laut Vernehmungsprotokoll. Bereits von 1993 an habe er in seinem Unternehmen den Auftrag ausgegeben, die Wahrheit vor dem TÜV zu vertuschen, berichtete AFP unter Berufung auf die Ermittler weiter.
PIP hatte weltweit hunderttausende Brustimplantate verkauft. Die Billigkissen reißen verstärkt und rufen Entzündungen hervor. Nach Erkenntnissen der französischen Kontrollbehörde für Medizinprodukte, Afssaps, sind möglicherweise alle PIP-Prothesen defekt. Bei Kontrollen sei kein einziges Silikonkissen gefunden worden, das in Ordnung gewesen sei, sagte Afssaps-Leiter Dominique Marininchi.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP