Panorama

Verseuchtes Tierfutter Dioxin-Befunde unterschlagen

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(Foto: dpa)

Keine Entwarnung im Dioxin-Skandal: Das am Pranger stehende Unternehmen Harles und Jentzsch hatte schon Monate zuvor Hinweise auf Dioxin in seinem Futterfett. Dadurch könnte belastete Nahrung bereits in den Mägen vieler Verbraucher gelandet sein. Woher das Dioxin kommt, ist weiter unklar.

Millionen Verbraucher sind durch die immer größeren Ausmaße des Dioxinskandals verunsichert. Mit Dioxin belastete Industriefette der norddeutschen Firma Harles und Jentzsch sind schon deutlich länger zu Tierfutter verarbeitet und verbreitet worden als bisher bekannt. Bereits im März 2010 seien erhöhte Dioxinwerte von einem privaten Institut gemessen worden, teilte das Landwirtschaftsministerium in Kiel mit. Der Fall hätte sofort gemeldet werden müssen, so der Sprecher. Gegen das Unternehmen ermittelt die Staatsanwaltschaft Itzehoe, am Mittwoch hatte es Razzien gegeben.

Das Ministerium bestätigte damit einen Bericht der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Die Dioxinwerte bei den Futterfetten des Unternehmens aus dem schleswig-holsteinischen Uetersen seien im März bis zu doppelt so hoch gewesen wie zulässig. Auch wenn im Endprodukt der Höchstwert durch die Verdünnung bei der Futterherstellung bei den Proben im März wohl unterschritten wurde, hätten die Fette nicht verwendet werden dürfen.

Positive Eigenkontrolle

Das positive Ergebnis stammt dem Bericht zufolge aus einer Eigenkontrolle des Unternehmens und wurde den Behörden nicht mitgeteilt. Die Probe sei am 29. Dezember von der schleswig- holsteinischen Futtermittelüberwachung in Uetersen beschlagnahmt und der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Auch nach dem März 2010 habe es bei Eigenkontrolluntersuchungen des Unternehmens Auffälligkeiten gegeben, die ebenfalls unterschlagen worden seien, sagte ein Ministeriumssprecher.

Viele Verbraucher lassen Eier angesichts des Dioxin-Skandals in den Regalen liegen. Ein Absatzrückgang sei " ", sagte Margit Beck von der Bonner Marktberichterstattungsstelle MEG.

Aigner: Hochgradig kriminell

Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sagte zu der möglichen Vertuschung: "Wenn sich der Verdacht erhärtet, dass das verantwortliche Unternehmen bereits seit Monaten von der Dioxin-Belastung wusste und trotzdem nicht die zuständigen Landesbehörden informiert hat, ist das hochgradig kriminell und völlig unverantwortlich." Sie strebt eine Sondersitzung der Agrar- und Verbraucherminister an. Die Lebensmittelkontrolle ist Ländersache.

Der Dioxin-Skandal beunruhigt die Verbraucher - die Eier bleiben liegen.

Der Dioxin-Skandal beunruhigt die Verbraucher - die Eier bleiben liegen.

(Foto: dapd)

Bis zu 150.000 Tonnen Futter mit dem krebserregenden Gift Dioxin können Unmengen von Eiern, Geflügel- und Schweinefleisch verunreinigt haben. Woher das Dioxin kommt, ist weiter unklar. Das von der Firma gelieferte Fett war von 25 Futterherstellern in vier Bundesländern eingemischt worden.

Das als Futterfett deklarierte Produkt beinhaltete verbotenerweise Abfallprodukte der Biodieselproduktion. Harles und Jentzsch stellt nicht nur Futterfette her, sondern auch technische Fette etwa zur Papierverarbeitung. Gefordert wird nun, die Produktion von Futterfetten und technischen Fetten strikt voneinander zu trennen.

Keine akute Gesundheitsgefahr

Aigner verlangte notfalls weitere Rückholaktionen der Länderbehörden. "Das Bundesinstitut für Risikobewertung sieht beim gelegentlichen Verzehr belasteter Produkte keine akute Gesundheitsgefahr. Aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes muss allerdings die Belastung mit Dioxinen so weit wie möglich minimiert werden", sagte sie. "Wichtig ist deshalb, dass betroffene Produkte schnell vom Markt genommen werden."

Die Verbraucherministerin rief die Länder auf, den Bundesbürgern mehr Informationen über dioxinbelastete Produkte bereitzustellen. "Die Länder haben die Möglichkeit, die Nummern belasteter Produkt- Chargen zu veröffentlichen." Die Informationen an Verbraucher seien mit einer Änderung des Bundesrechts 2009 verbessert worden. "Es kann für Verbraucher hilfreich sein, nachschauen zu können, ob sie beispielsweise belastete Eier im Kühlschrank haben."

Anzeige wegen versuchten Mordes

Ein Arzt aus Havixbeck bei Münster zeigte die Firma Harles und Jentzsch aus Uetersen (Schleswig-Holstein) an, berichtete Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer. Die Vorwürfe des Allgemeinmediziners: schwere Körperverletzung und versuchter Mord aus Habgier. Vermutlich werde das Verfahren an die Staatsanwälte in Itzehoe oder Oldenburg abgegeben, die bereits im Komplex ermitteln.

"Es gibt kein großes Milch-Problem"

Die Deutschen sollten Experten zufolge ihren Milchkonsum trotz der jüngsten Entwicklungen im Dioxin-Skandal nicht umstellen. "Die Milch-Problematik ist nicht zu vergleichen mit der Eier-Problematik", sagte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Das liege unter anderem daran, dass Milch einen wesentlich geringeren Fettgehalt hat als Eier. Da sich Dioxin in Fett ablagert, sei die Gefahr einer Grenzwertüberschreitung bei Milch geringer.

Einige Milchbauern haben Kühen unwissentlich dioxin-belastetes Futter gegeben. Sie dürfen ihre Milch derzeit nicht verkaufen. Es steht aber noch nicht fest, ob die Milch den Grenzwert tatsächlich überschreitet. Mit ersten Labor-Ergebnissen rechnen die Verbraucherschützer erst in etwa einer Woche.

4468 gesperrte Höfe in Niedersachsen

Bisher mussten bundesweit bereits über 4700 Betriebe wegen des Dioxinverdachts gesperrt werden. Die meisten dieser Höfe liegen in Niedersachsen. Dort sind 4468 Betriebe betroffen. Zunächst war nur von 1000 gesperrten Höfen die Rede gewesen.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner beziffert den Schaden für die betroffenen Bauern auf 40 bis 60 Millionen Euro pro Woche. Die Zeche sollen die Futtermittellieferanten zahlen. "Sie müssen die Schadensersatzansprüche der Landwirte abgelten. Da werden wir bis zum Letzten gehen", sagte Sonnleitner der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Betriebe, die gesperrt waren, bei denen aber letztlich kein Dioxin nachgewiesen worden ist, schauen in die Röhre." Die Bauern pochen auf einen Millionen-Entschädigungsfonds.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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