Vatikan-Experte Englisch im Interview "Donnerstag haben wir einen Papst"
12.03.2013, 15:50 Uhr
Trotz der Gebete im Vorfeld: Bei der Papstwahl geht es dann ziemlich weltlich zur Sache.
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Andreas Englisch
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Die Kardinäle schließen sich in der Sixtinischen Kapelle ein, um einen neuen Pontifex zu bestimmen. Lange Zeit werden sie nicht in der Isolation bleiben, ist sich Benedikt-Biograf Andreas Englisch im n-tv.de Interview sicher. Er glaubt, dass künftig ein Italiener an der Spitze der Kurie stehen wird. Auch wenn ein anderer in seinen Augen besser wäre - einer, der den "römischen Mief aufräumt".
n-tv.de: Nach acht Jahren wählt das Konklave wieder einen neuen Papst. Wie hat sich die Stimmung unter den Gläubigen im Vergleich zu 2005 verändert?
Andreas Englisch: Komplett, total, radikal. Das ist ein völlig anderes Konklave. Das Konklave war 2005 eigentlich nur Nebensache. Es war überschattet vom Tod Johannes Paul II. Und die Wahl hat das dann auch gezeigt: Man hat einfach jemanden gewählt, der möglichst nah an Johannes Paul II. drangewesen war.
Hat Benedikts Rücktritt neue Standards gesetzt?
Das hat das Amt des Papstes verändert, es ist rationeller geworden. Früher sagte man, das ist ein Gott gegebenes Amt. Und Gott kümmert sich auch darum, den Papst wieder abzuberufen, wenn es an der Zeit ist. Jetzt ist das Amt etwas wie viele andere Jobs. Wenn ein Papst nicht mehr kann, dann geht er eben.
Beim letzten Mal dauerte die Wahl nur zwei Tage. Wie lange wird es dieses Mal dauern?
Am Donnerstag haben wir einen neuen Papst.
Warum wird es so schnell gehen?
Es sind pro Tag vier Wahlgänge, ich denke, nach vier, fünf, sechs Wahlgängen wird sich einer von den "Stars" durchgesetzt haben.

"Der deutsche Papst": Das Buch zum Pontifikat von Benedikt XVI. von Papst-Biograf und Buchautor Andreas Englisch, erschienen bei C. Bertelsmann.
Gibt es im Konklave denn eine "echte" Wahl oder gibt es Absprachen?
Konklaven sind bisher eigentlich alle gleich gelaufen. Entweder gibt es einen solchen "Star", der erst 20 Prozent der Stimmen, dann 40, dann 60 und im vierten Wahlgang die nötigen zwei Drittel bekommt. Oder es gibt keinen "Star", es stehen sich zwei Fraktionen gegenüber, die ihre Favoriten nicht durchbringen können. Dann schafft man eine Alternative und es wird einer, den niemand auf der Pfanne hatte. Das war zum Beispiel bei Karel Wojtyla so.
Wie ist es denn dieses Mal, welche Seilschaften gibt es?
Das ist ziemlich einfach: Es gibt die Italiener und es gibt den Rest der Welt.
Hat da einer aus dem "Rest der Welt", etwa ein Afrikaner oder ein Lateinamerikaner, eine Chance?
Ja, wenn die Italiener sich nicht durchsetzen, dann hat der Kardinal von Sao Paolo, Odilo Scherer, sehr große Chancen.
Wer zieht denn am besten Strippen? Sind das die Italiener?
Das ist schwer zu sagen, weil nicht klar ist, wie sehr sie untereinander zerstritten sind. Was feststeht ist: Die Italiener, die Deutschen und die Amerikaner können die Wahl jedes anderen Kandidaten auf der Welt verhindern. Sie könnten sagen: "Okay, Jungs, wir einigen uns auf einen Kandidaten, die anderen haben sowieso keine Chance gegen uns."
Ihr Tipp, wer wird Papst?
Angelo Scola.
Sie haben in einem Interview mit uns den Australier George Pell als heißen Kandidaten genannt. Was spricht für ihn?
Je länger das Konklave dauert, desto größer ist seine Chance. Er ist ein Außenseiter, aber ein aufrechter Mann, der würde eine völlig neue Kirche bedeuten.
Inwiefern?
Er wäre der richtige Mann, um den römischen Mief aufzuräumen. Diese Kurie ist geprägt von Vetternwirtschaft. Da muss mal was passieren und da wäre Pell der geeignete Mann. Sie brauchen jemanden, der auf den Tisch haut. Jemanden, der sich durchsetzen kann und ein sehr starker Papst wird. Und das könnte George Pell sein.
Was wäre denn die beste Wahl aus Sicht der deutschen Katholiken?
Christoph Schönborn. Der Wiener Kardinal hat den Vorteil, dass er sehr entschlossen und sorgfältig den Umgang mit sexuellem Missbrauch aufgearbeitet hat. Da das in Deutschland ein wichtiges Thema ist, wäre er aus deutscher Sicht der richtige Kandidat.
Mit Andreas Englisch sprach Johannes Graf
Quelle: ntv.de