Shopping-Diät am "Kauf-Nix-Tag" Einfach mal das Konsumrad anhalten
25.11.2017, 09:03 Uhr
In den USA stürmen die Menschen am Black Friday die Geschäfte.
(Foto: AP)
Am letzten November-Samstag ist in Europa "Kauf-Nix-Tag". Während das Weihnachtsgeschäft anläuft und sich Supermärkte und Elektronikriesen mit Sonderangeboten überbieten, sind Menschen aufgerufen, ihr Konsumverhalten zu überdenken. Nunu Kaller hat das schon vor Jahren getan.
n-tv.de: Sie haben schon einmal ein ganzes Jahr lang gar nichts gekauft - finden Sie den "Kauf-Nix-Tag" trotzdem noch inspirierend?
Nunu Kaller: Ja, weil für mich vor allem die Entstehung des Tages spannend ist. Es ist ja eine Antwort auf den Black Friday, der nach Thanksgiving in den USA mit Kampfangeboten als Eröffnung für das Weihnachtsgeschäft genutzt wird. Mit dem "Kauf-Nix-Tag" gibt es dazu eine Gegenbewegung, die zeigt, dass es den Leuten auch schon zu viel wird und dass Konsum um des Konsums willen nicht glücklich macht.
Was haben Sie denn durch Ihren Verzicht über Ihr eigenes Konsumverhalten gelernt?
Ich habe ja ein Jahr lang keine Kleidung, keine Schuhe, keine Accessoires und keine Taschen gekauft. Das war davor mein größtes Hobby. Ich bin dann nach und nach darauf gekommen, dass ich da sehr viel ersatzgehandelt habe. Dass ich einkaufen gegangen bin, um mich nicht mit schmerzhaften Dingen zu beschäftigen, beispielweise mit der Verarbeitung von Trauer. Ich habe mich belohnt und abgelenkt, aber dem Kern der Sache habe ich mich nicht gestellt. Das Kaufen war wirklich eine wunderschöne Beruhigungspille. Was ich auch gemerkt habe, ist, dass Shopping in eine Suchtrichtung geht. Bei mir war es noch nicht so weit, weil ich immer noch Kontrolle über mein Konto hatte. Aber es gibt immer öfter Fälle, wo das nicht mehr so ist. Es passiert beim Einkaufen etwas im Hirn, es kommt zu Hormonausschüttungen. Man bekommt einen Adrenalin-Kick, wenn man ein Schnäppchen macht. Man bekommt einen Endorphin-Kick, wenn man etwas kauft, was man sich schon lange wünscht. Aber je öfter man das sich diesen Kick gibt, desto öfter braucht man ihn wiederum auch. Das hält immer kürzer an und danach kommt ein Riesen-Kater.
Was schlägt sich von diesen Erkenntnissen in Ihrem täglichen Kaufverhalten nieder?
Mein Kaufverhalten hat sich wirklich verändert. In Sachen Lebensmittel oder Möbel war ich vorher schon relativ nachhaltig unterwegs, ich habe bio gekauft und nur wenig Fleisch. Ich habe Second-Hand-Möbel, auch weil ich sie schöner finde. Aber bei der Kleidung hatte ich diesen blinden Fleck. Den habe ich inzwischen nicht mehr, sondern ich überlege mir sehr gut: Was brauche ich und was nicht? Ich gehe inzwischen nur noch selten shoppen, weil ich den Großteil meiner Kleidung über Second-Hand-Läden oder Tauschpartys beziehe. Und ich habe einen völlig anderen Zugang zu Kleidung und zum Shoppen gewonnen. Vor allem, seit ich mir die psychologischen Hintergründe dazu angeschaut habe, wieso wir dazu gebracht werden, einkaufen zu gehen und was es mit uns macht.
Ein Jahr lang nichts kaufen: Das klingt für viele, die in ihrer Wahrnehmung ganz normal einkaufen gehen, nach einem ziemlich drastischen Schritt. Ist denn der "Kauf-Nix-Tag" eine gute Gelegenheit, mal einen Moment innezuhalten?
Das Innehalten ist ein gutes Stichwort, das finde ich sehr gut, sich immer mal wieder aus dem Konsumrad rauszunehmen und durchzuatmen. Sich auch zu fragen: Was brauche ich wirklich und was macht mich glücklich? Ist es wirklich die siebte schwarze Hose oder das Blümchenkleid dort auf der Stange? Es ist ja auch völlig in Ordnung, wenn man hin und wieder sagt, genau das ist es und ich möchte mir das jetzt gönnen. Aber es ist einfach gut, wenn man damit bewusst umgeht und es nicht zur Betäubung, zur Ablenkung oder zum Trost nutzt.
Sind denn Frauen dafür anfälliger als Männer?
Ich hatte während der Shoppingdiät bei den Reaktionen der Menschen darauf das Gefühl, ich kann das tatsächlich ein bisschen nach Geschlechtern einteilen. Viele Frauen haben gesagt, Wahnsinn, wie kann man nur ein Jahr lang keine Kleidung kaufen. Während viele Männer gesagt haben, ein Jahr nicht shoppen, das passiert ihnen bei Kleidung schon mal. Da ist auch eine unterschiedliche Sozialisierung zu sehen. Gerade die schnelllebigen Konsumgüter wie Fast Fashion oder billige Kosmetik sind größtenteils auf Frauen ausgerichtet. Sie sind die größeren "Konsumopfer". Wobei ich Männer dann eben oft gefragt habe, ob es etwas gibt, das sie sammeln. Da hörte ich dann oft: Uhren, Schallplatten oder Bücher. Wenn ich dann gesagt habe, stell dir vor, das kannst du ein Jahr lang nicht kaufen, da fiel die Reaktion dann auch schon anders aus. In dieser Konsumspirale stecken wir alle drin.
Der "Kauf-Nix-Tag" findet ja an einem Tag statt, an dem die Läden geöffnet sind. Man könnte also etwas kaufen, entscheidet sich aber dagegen. Was macht man stattdessen?
Ich finde die Frage sehr spannend, weil es sich so anfühlt wie: Die Läden sind offen und ich darf nicht shoppen, wohlgemerkt an einem von 365 Tagen. Sich bewusst zu machen, wie absurd das ist, ist schon mal der erste Schritt. Nur weil das Angebot da ist, sind wir ja nicht verpflichtet, es wahrzunehmen. Das härteste ist, sich mit sich selbst zu beschäftigen und in sich hineinzufühlen, anstatt sich durch Konsum zu betäuben. Ich beobachte das auch an mir, dass ich manchmal immer noch Lust habe einzukaufen, wenn ich frustriert bin. Aber ich habe es eben halbwegs im Griff. Wir sagen immer, das wertvollste Gut ist Zeit, und die gewinnen wir an diesem Tag. Man kann Zeit mit lieben Menschen verbringen oder sich selbst Zeit gönnen oder Eindrücke. Genuss und Lebensqualität sind ja sowieso in vielen Fällen immateriell.
Aber das wissen die meisten Menschen ja.
Trotzdem hat jeder Mensch seinen eigenen Kick-Moment, an dem eine andere Perspektive möglich wird. In meinem Fall war es ganz intensiv die Information, wie die Dinge, die ich immerzu kaufe, eigentlich produziert werden. Wo kommen sie her? Wer macht sie? Daraus habe ich dann meine Konsequenzen gezogen. Oft höre ich dann: "Ja, ich weiß es, aber wie handle ich dann entsprechend, was sind die Alternativen?" und beim "Kauf-Nix-Tag" ist die Antwort ganz einfach: Einfach mal NIX tun, also NIX kaufen.
Mit Nunu Kaller sprach Solveig Bach
"Ich kauf nix" bei Amazon
Quelle: ntv.de