Panorama

Gaffer wollen "Costa Concordia" sehen Erneut Frauenleiche entdeckt

Ein Taucher am Wrack.

Ein Taucher am Wrack.

(Foto: REUTERS)

Taucher bergen die Leiche einer Frau aus der "Costa Concordia" - es ist das 13. Opfer. Acht von ihnen sind inzwischen identifiziert, darunter soll auch ein Deutscher sein. Unklar ist aber, ob es blinde Passagiere an Bord gab. Kapitän Schettino gibt unterdessen der Reederei die Schuld an dem Unglück. Und die Insel Giglio erlebt einen wahren Touristenansturm.

Taucher haben im Wrack des havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" eine weitere Leiche entdeckt. Die mit einer Schwimmweste bekleidete Tote sei im unter Wasser liegenden Teil des Schiffshecks auf dem siebten Deck des Schiffes gefunden worden, sagte eine Sprecherin der italienischen Zivilschutzbehörde. Damit wurden bislang 13 Todesopfer des Kreuzfahrtunglücks gefunden. Acht Leichen wurden bislang identifiziert, darunter laut Zivilschutz auch ein Deutscher.

Die Suche nach den noch 20 Vermissten musste derweil aus Sicherheitsgründen erneut zeitweise unterbrochen werden. Die Rettungstrupps konzentrierten sich mittlerweile auf Deck vier. Dort werden im Bereich eines Restaurants weitere Opfer vermutet, wie ein Feuerwehr-Hauptmann erklärte. Einem Zeitungsbericht zufolge sagte Kapitän Francesco Schettino aus, nahe Vorbeifahrten an der Küste seien üblich und "Werbung" für die Branche.

Unter den identifizierten Leichen befinden sich neben dem Deutschen vier Franzosen, ein Italiener, ein Spanier und ein Ungar. Bei den vier weiteren noch nicht identifizierten Toten handele es sich um drei Männer und eine Frau, hieß es.

Schiff bewegt sich erneut

Das Auswärtige Amt in Berlin konnte den Bericht über ein deutsches Todesopfer zunächst nicht bestätigen. Es lägen "keine belastbaren Informationen über deutsche Staatsangehörige unter den aufgefundenen Toten vor", sagte eine Sprecherin. Offiziell würden weiterhin noch zwölf Deutsche nach dem Unglück vom Freitag vergangener Woche vermisst.

In der Nacht waren die Sucharbeiten erneut unterbrochen worden, weil sich das auf die Seite gekippte Schiff bewegte. An dem über Wasser liegenden Teil wurde die Suche später wieder aufgenommen. Für den unter Wasser liegenden Teil würden noch Ergebnisse einer technischen Untersuchung abgewartet, um die Sicherheit der Einsätze gewährleisten zu können, teilte der Zivilschutz mit. Rettungskräfte versuchten, die möglichen letzten Aufenthaltsorte der Vermissten im Schiff einzugrenzen, um gezielter suchen zu können.

Experten planen derzeit, wie man den Treibstoff aus dem Wrack abpumpen könnte.

Experten planen derzeit, wie man den Treibstoff aus dem Wrack abpumpen könnte.

(Foto: REUTERS)

Geologe Nicola Casagli von der Universität Florenz erklärte, das Schiff sei in der Nacht teilweise einen Zentimeter pro Stunde abgerutscht. Am Tag wurde diese Bewegung fast komplett gestoppt. "Wir wissen nicht, warum sich das Schiff bewegt hat", sagte Casagli.

Die Hoffnung auf Überlebende schwand derweil zusehends. "Wir bräuchten schon ein Wunder", sagte der Küstenwache-Sprecher Cosimo Nicastro. Auch wenn es in dem Wrack noch irgendwo Luft gäbe, sei es wegen der Kälte unwahrscheinlich, noch Überlebende zu finden.

Waren blinde Passagiere an Bord?

Der Zeitung "La Repubblica" zufolge sagte Kapitän Schettino vor italienischen Ermittlern zu der viel zu nahen Vorbeifahrt an der Küste vor Giglio: "Das habe ich immer gemacht. (..) Wir grüßen die Insel, das ist Werbung für uns." Das Manöver sei "noch vor dem Start in Civitavecchia" von der Reederei Costa "geplant und verlangt" worden, so Schettino. Manöver dieser Art habe es bereits "vor Capri, Sorrento, auf der ganzen Welt" gegeben, sagte Schettino demnach weiter. Den Vorwurf, seine Passagiere im Stich gelassen zu haben, wies er demnach zurück. "Ich, ein Feigling? Ein gemeiner Mensch, der wegrennt? Ich hatte in der Nacht nicht einmal eine Rettungsweste, denn mein Leben zählte nichts."

Die Unglücksstelle wird mehr und mehr zum Magneten für Schaulustige.

Die Unglücksstelle wird mehr und mehr zum Magneten für Schaulustige.

(Foto: REUTERS)

Dagegen will die Staatsanwaltschaft Grosseto Einspruch einlegen und hofft auf die Daten und aufgezeichnete Gespräche des Fahrtenschreibers auf der Kommandobrücke. Die Hoffnung auf die Blackbox zerstreute Schettino in seiner Aussage vor Gericht: "Wir hatten an Bord ein Problem, seit 15 Tagen war das Backup der Sprachaufzeichnung kaputt. Wir haben einen Techniker gebeten, das Problem zu beheben, aber das ist nicht passiert." Zugleich rechtfertigte der Kapitän, den Notruf an die Küstenwache mehr als eine Stunde verzögert zu haben: "Aber wir mussten auf Nummer sicher gehen, denn ich wollte weder Passagieren ins Meer schicken noch Panik verbreiten, und es hätte unnötig Tote gegeben."

Der Präsident der Reederei, Pier Luigi Foschi, sagte der "Süddeutschen Zeitung", ein Schiff dürfe sich natürlich der Küste nähern - solange die Sicherheitsbestimmungen eingehalten würden. "Das gehört zur Schifffahrt mit Touristen, wo den Fahrgästen auch ein Spektakel geboten werden soll. Aber es ist verboten, der Küste zu nahe zu kommen." Den Passagieren der "Costa Concordia" sei mitgeteilt worden, dass Giglio an dem Abend in einer Entfernung von fünf Meilen gesehen werden könne. Über Schettino sagte Foschi, dieser habe zwar als autoritär und eher schwierig gegolten. "Aber das besagt nichts bei der Beurteilung der Fähigkeiten als Kapitän." Schettino habe seit 2006 den Posten innegehabt und sei nie in einen Unfall verwickelt gewesen.

Verwirrung gab es um eine Ungarin, die laut ihrer Familie "mit einem Besatzungsmitglied" auf dem Schiff war, jedoch nirgendwo auf den Passagierlisten auftauchte und nun vermisst wird. Sie habe demnach von Bord aus mit ihren Angehörigen telefoniert, hieß es. Möglicherweise liege die Vermisstenzahl mit der Frau bei 21, sagte Zivilschutzchef Gabrielli und schloss nicht aus, dass sich Passagiere illegal an Bord befunden haben könnten. Die Frau könnte demnach auch unter den noch nicht identifizierten Toten sein.

Festplatte und Touristenansturm

Am Samstag brachten Taucher italienischen Medien zufolge zudem eine Festplatte an Land, auf der womöglich Aufzeichnungen von Überwachungskameras auf der Schiffsbrücke sind. Die Staatsanwaltschaft erhofft sich davon Aufschluss darüber, was Schettino zum Unglückszeitpunkt tat. Er steht derzeit unter Hausarrest. Ihm wird vorgeworfen, viel zu nah an die Insel herangefahren zu sein und dadurch das Unglück verursacht haben.

Experten berieten derweil über das Abpumpen der rund 2400 Tonnen Treibstoff aus dem Wrack. Zivilschutzchef Gabrielli erklärte, auch wenn noch kein Treibstoff ausgelaufen sei, sei das Meer nahe Giglio bereits durch das Unglück verschmutzt. Das Schiff habe alles dabeigehabt, um "eine Stadt mit 4000 Einwohnern zu versorgen". Mit der Havarie seien Lösungsmittel und andere Chemikalien sowie haufenweise Müll ins Meer gelangt.

Die Insel Giglio nahe der Unglücksstelle verzeichnete unterdessen einen ungewohnten Ansturm von Tagestouristen. Zahlreiche Menschen kamen auf die Insel, um das im Meer liegende Wrack der "Costa Concordia" zu sehen und sich davor fotografieren zu lassen. Eine Vertreterin des Tourismusvereins von Giglio sprach von einer "extremen Geschmacklosigkeit".

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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