Lubitz wollte eine Auszeit nehmen Identifizierung der Opfer dauert Monate
31.03.2015, 05:02 Uhr
Experten der französischen Gendarmerie identifizieren in Pontoise bei Paris DNA-Proben der Absturzopfer. Die Arbeit wird wohl Monate dauern. Ermittler berichten derweil, dass Lubitz sich darum bemüht hat, eine Auszeit zu nehmen.
Die Identifizierung der Opfer des Germanwings-Absturzes kann nach Experteneinschätzung bis zu vier Monate dauern. Das kündigte der Leiter des zuständigen Kriminalinstituts der französischen Gendarmerie, François Daoust, an. "In Abhängigkeit von der Anzahl der Körperteile, die gefunden werden, kann der Zeitrahmen zwischen mindestens zwei und vier Monaten schwanken", sagte Daoust am Sitz des Instituts in Pontoise bei Paris. "Es ist besser im Rhythmus der Wissenschaft zu arbeiten als zu überstürzen und damit das Risiko einzugehen, sich bei der Identifizierung zu irren."
Nach Angaben des Institutschefs ist der Ausgang der Arbeiten unklar. "Wir können nicht versprechen, dass alle Opfer identifiziert werden können", sagte Daoust. Beim Absturz einer Maschine von Air Algérie in Mali im vergangenen Jahr habe das Institut 115 von 116 Opfern identifizieren können. "Den 116. konnten wir nicht identifizieren, weil wir nichts von ihm wiedergefunden haben."
Der Fachmann verwies auch auf die Umstände des Absturzes der A320 vor knapp einer Woche in den französischen Alpen. "In diesem Fall ist der Aufprall auch mit großer Geschwindigkeit erfolgt", sagte Daoust. Aus seinem Institut ist derzeit ein mobiles Team mit 31 Experten in Seyne-les-Alpes. Proben der im Absturzgebiet gefundenen sterblichen Überreste werden ins Institut nach Pontoise gebracht und ausgewertet. Sie sollen letztlich mit den DNA-Proben der Verwandten abgeglichen werden. Dabei werden auch deutsche Experten herangezogen.
In der Nacht war die Suche nach den Opfern des Absturzes erneut unterbrochen worden. Mit der Dämmerung seien die Arbeiten ausgesetzt worden, hieß es bei der zuständigen Gendarmerie in Seyne-les-Alpes. In dem schwer zugänglichen Gebiet sichern nachts Spezialeinsatzkräfte die Absturzstelle.
Lubitz wollte offenbar Auszeit
In der "Bild"-Zeitung äußert sich derweil ein Ermittler über Erkenntnisse über Copilot Andreas Lubitz. Demnach soll Lubitz offenbar Angst davor gehabt haben, "wegen medizinischer Probleme die Flugtauglichkeit zu verlieren". Er soll versucht haben, eine Auszeit von seinem Beruf zu erreichen, jedoch ohne eine Krankschreibung ausgestellt zu bekommen. Diese hätte seine Fluglizenz gefährden können. Lubitz soll in den letzten Monaten mehrere Ärzte aufgesucht haben.
Ärztliche Schweigepflicht umstritten
In Deutschland wird unterdessen über eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht diskutiert und darüber, ob das die Germanwings-Katastrophe hätte verhindern können. Der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Rainer Richter, lehnt eine solche Lockerung ab. "Die Schweigepflicht ist in Fällen, in denen Patienten andere Personen gefährden, nicht das Problem", sagte Richter. "Schon jetzt sind Ärzte und Psychotherapeuten befugt, die Schweigepflicht zu durchbrechen, wenn sie dadurch die Schädigung Dritter verhindern können. In Fällen, in denen es um Leben und Tod geht, sind sie dazu sogar verpflichtet." Allerdings lasse auch eine Jahre zurückliegende Behandlung einer Depression eine Vorhersage einer späteren Suizidgefährdung nicht zu.
Die Vereinigung Cockpit (VC) ist klar gegen eine Lockerung der Schweigepflicht im Fall von Piloten: "Das kann nur jemand sagen, der von der Materie gar keine Ahnung hat", sagte der Präsident der Piloten-Gewerkschaft, Ilja Schulz, der "Rheinischen Post". "Wenn mein Arzt von der Schweigepflicht entbunden ist, werde ich ihm gegenüber kein Problem ansprechen, weil immer die Angst vorm Fluglizenzentzug mitschwingt", so Schulz. "Besteht die Schweigepflicht, kann der Arzt dagegen echte Hilfe anbieten."
Der Arbeitsrechtsexperte des Arbeitgeberverbandes BDA, Thomas Prinz, forderte im "Tagesspiegel" sehr wohl eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht in bestimmten Fällen. "Wenn Arbeitnehmer, die in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeiten, psychische Probleme haben, sollte eine unabhängige staatliche Stelle davon erfahren", argumentierte er. Dies könne etwa das Gesundheitsamt sein. Das gleiche gelte für Seuchen.
Fachpolitiker der schwarz-roten Koalition lehnten eine Lockerung im "Handelsblatt" ab. Karl Lauterbach (SPD), selbst Arzt, sagte: "Auch heute schon können Ärzte im Rahmen eines rechtfertigenden Notstands den Arbeitgeber informieren, wenn sie fürchten müssen, dass vom Patienten Gefahr für Leib und Leben anderer ausgeht." Der Christdemokrat Jens Spahn sagte der "Rheinischen Post": "Die ärztliche Schweigepflicht ist ein sehr hohes Gut. ... Ich kann nur davor warnen, hier aus spekulativen Annahmen heraus mit Schnellschüssen zu kommen."
Quelle: ntv.de, ppo/dpa