Tod an tschechischer Grenze Justiz rollt Morde an DDR-Bürgern neu auf
19.12.2017, 21:12 Uhr
Von der Tschechoslowakei wollten die Menschen über die grüne Grenze in die Bundesrepublik flüchten.
(Foto: imago stock&people)
Fast drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall ermittelt die deutsche Justiz gegen Grenzer und Militärs der ehemaligen Tschechoslowakei: Sie sollen für den Tod von vier DDR-Bürgern auf der Flucht in die BRD verantwortlich sein. Deren Schicksale schockieren bis heute.
Jahrzehnte nach dem gewaltsamen Tod von DDR-Flüchtlingen am Eisernen Vorhang der Tschechoslowakei hat die Staatsanwaltschaft Weiden Ermittlungen gegen mögliche Täter aufgenommen. Es gehe um vier deutsche Opfer, die zwischen 1967 und 1986 auf der Flucht nach Westen erschossen wurden, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schäfer der Weidener Zeitung "Der Neue Tag". "Wir rollen diese Fälle jetzt auf."
Opfervertreter der Stiftung "Platform of European Memory and Conscience" hatten das Verfahren im vergangenen Jahr ins Rollen gebracht, indem sie Strafanzeige sowohl gegen die Todesschützen als auch gegen ranghöhere Militärs und drei Mitglieder des Politbüros der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei stellten. Der Bundesgerichtshof habe demnach das Landgericht Weiden für die Fälle zuständig erklärt.
Zwei Männer wurden demnach an der damaligen Grenze zur Oberpfalz erschossen, einer wurde an der slowakischen Grenze zu Österreich von Hunden zerfleischt und ein weiterer beim Durchschwimmen eines Flusses von tödlichen Schüssen getroffen. Sie wollten ihren Aufenthalt in der CSSR als damaligem "Bruderstaat" der DDR für die Flucht nutzen. Zwar starben die Männer teils auf tschechoslowakischer Seite, jedoch ist die deutsche Justiz auch jenseits der deutschen Grenzen zuständig, wenn Deutsche betroffen sind.
Todesschützes teils freigesprochen
Das Verfahren richte sich derzeit gegen mehr als 50 Beschuldigte. In allen Fällen standen die Todesschützen bereits nach dem Jahr 2000 in Tschechien vor Gericht. Die Verfahren wurden jedoch teils eingestellt, die Beschuldigten freigesprochen oder lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt. Sie können nicht nochmals verurteilt werden. Das neue Verfahren auf deutscher Seite richtet sich nun verstärkt auf Verantwortliche auf höherer Ebene.
Schäfer sagte der Zeitung, man suche derzeit nach lebenden Zeugen. Die Todesfälle selbst seien zwar im Archiv des staatlichen Instituts für das Studium totalitärer Regime (ÚSTR) in Prag dokumentiert - dennoch hoffen die Ermittler, auch noch existierende Unterlagen aus der ehemaligen DDR zu finden.
Quelle: ntv.de, jug/dpa