Panorama

Was wird jetzt aus ihr? Knox und ihre gefährdete Freiheit

Amanda Knox - unzählige Geschichten kursieren über sie.

Amanda Knox - unzählige Geschichten kursieren über sie.

(Foto: REUTERS)

Amanda Knox wird wieder verdächtigt, ihre Studienkollegin Meredith Kercher während einer Sex-Party brutal getötet zu haben. Der Freispruch wurde aufgehoben. Alles ist offen und unklar für die junge Frau. Ihr Leben ist wieder eine Zitterpartie zwischen Schulden, Prozess und Paparazzi.

Die Entscheidung kam zu einer ungünstigen Zeit für den amerikanischen Buchverlag "Harper Collins". Als das oberste italienische Berufungsgericht kürzlich den Freispruch für Amanda Knox kassierte und den Weg frei machte für eine neue Mord-Anklage, liefen fast schon die Maschinen, um "Waiting to be heard" (Warten, um gehört zu werden") zu drucken – die Geschichte der 25-Jährigen, die sich seit Jahren in der italienischen Justiz-Mühle befindet. Nun ist alles wieder offen - Knox muss umschreiben. Und zwar schnell.

Es ist nämlich nicht mehr egal, was drin steht in dem Werk. Knox, deren mediale Attraktivität sich daraus speist, dass sie eine schöne junge Frau ist, also der "Engel", gleichzeitig aber ein sexuell ungezügeltes, grenzwertiges und egoistisches Leben geführt haben soll, was ihre "Eisaugen" angeblich besonders verdeutlichen, muss sich überlegen, was sie schreibt. Zwar steht es ihr zu, ihre Sicht der Dinge zu verbreiten – eine volle Breitseite gegen die italienische Justiz und deren oft kritisierte Arbeitsweise könnte sich jedoch als hinderlich herausstellen. Wird sie nämlich erneut wegen des Mordes an Meredith Kercher verurteilt, droht ihr eine erneute Haftstrafe in Italien. Und das für Jahrzehnte.

Sie sei geschockt und bestürzt gewesen, als sie die Nachricht von der Neuauflage der Anklage erfuhr, sagte Knox. Vor der Entscheidung habe sie kaum noch geschlafen, alles sei in ihr wieder hochgekommen. Nun muss die ehemalige Sprachstudentin aus Seattle nicht nur verarbeiten, dass sie wieder unter Verdacht steht, sondern auch noch ihre Biografie umtexten. Beide, Verlag und Knox, wollen nämlich an einer Veröffentlichung am 30. April festhalten. Knox will an diesem Tag auch ihr erstes Fernsehinterview nach der Rückkehr in die Staaten geben.

Nach Frost und Nixon jetzt Knox?

Meredith Kercher starb bei einem brutalen Verbrechen.

Meredith Kercher starb bei einem brutalen Verbrechen.

(Foto: AP)

Das Buch ist für Knox überlebenswichtig. Vor allem, weil enorme Schulden aufgelaufen sind. Das Leben ihrer Eltern zwischen den USA und Italien, während sie fast vier Jahre einsaß, hat Unsummen verschlungen. Dazu die Anwaltskosten. Nach Informationen amerikanischer Zeitungen steht Knox' Familie mit rund einer Million Dollar in der Kreide. Nun werden weitere Kosten auf sie zukommen. Sie wolle schließlich kämpfen, ließ Knox verbreiten. Das Buch bringt ihr angeblich vier Millionen Dollar ein. Dazu gibt es noch die Filmrechte, die sie verkaufen könnte. Ron Howard, Oscar-prämierter Star-Regisseur und verantwortlich für Blockbuster wie "Apolle 13" oder den etwas hintergründigeren Streifen "Frost/Nixon", soll interessiert sein.

Wie der Kampf aussehen soll, den Knox zu führen gedenkt, ist offen. Zum Prozess, der noch keinen Starttermin hat und diesmal in Florenz stattfindet, muss sie nicht persönlich erscheinen. Ihr amerikanischer Anwalt Ted Simon ließ bisher offen, ob Knox es dennoch tut. Sein italienischer Kollege Carlo Dalla Vedova rechnet jedoch nicht damit. Einiges spricht für seine Einschätzung. Vor allem, dass das Verfahren extrem kompliziert ist und Jahre dauern könnte.

Reporter drehen vor Knox' Haus in Seattle einen Bericht.

Reporter drehen vor Knox' Haus in Seattle einen Bericht.

(Foto: AP)

Knox ist eigentlich gerade dabei, ihr Leben in der Heimat neu zu sortieren. Kein leichtes Unterfangen. Sie steht auf der Liste der Paparazzi ganz oben. Bilder von ihr, wie sie ihre Wohnung in Seattles blinkendem und lautem Stadtteil Chinatown verlässt, bringen eine Menge Geld. Je mehr von ihren "Eisaugen" darauf zu sehen ist, desto besser. Unsummen werden bezahlt, wenn sie mit ihrem neuen Freund James Terrano händchenhaltend durch die Straßen läuft. Gerade zwei Monate zurück in den USA, lernte sie den Musiker kennen. Als sie beim Küssen abfotografiert wurden, war es wieder da, das vor allem von der britischen Boulevardpresse geprägte Bild von der unersättlichen Kühlen, die es kaum abwarten kann und sich offenbar keinen Deut schert um den Tod ihrer ehemaligen Mitbewohnerin.

Eine Frage des Zeitpunktes

Diese Wahrnehmung ist es auch, die ihr fast täglich Morddrohungen einbringt. Nun, da sie so viel Freiheit habe wie lange nicht, werde sie besonders verfolgt, heißt es aus Knox' Umfeld. Sie sei still geworden, sei nicht mehr fröhlich, so wie früher. Die Geschichte werde wohl niemals mehr in den Hintergrund treten, sei unendlich groß geworden. Der große Rückhalt in Knox' Leben sei ihre Familie, die sie in allem unterstütze. Diese Hilfe wird auch in Zukunft nötig sein. Amanda Knox wird die nächsten Monate, möglicherweise Jahre, in großer Unsicherheit leben müssen. Die Kernfrage ist nämlich, ob nach einer Verurteilung auch eine Auslieferung ansteht. US-Juristen sind sich uneins in dem Punkt. Italien müsste ein entsprechendes Gesuch stellen, das wäre auch normal. Fraglich ist, ob die USA dem dann auch stattgeben.

Einige US-Juristen geben zu bedenken, dass in den Vereinigten Staaten niemand zwei Mal wegen desselben Verbrechens angeklagt werden dürfe. Auf der anderen Seite jedoch ist dies vielleicht gar nicht der Fall: Italien könnte nämlich darauf beharren, dass ja längst nicht alle Instanzen durchlaufen gewesen seien und somit der Fall noch gar nicht abgeschlossen gewesen sei. Knox' Anwalt sagte, eine Auslieferung sei "zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht Thema". Ein Satz, der zunächst beruhigend klingt, Knox auf den zweiten Blick aber große Sorge bereiten dürfte: Zu einem anderen Zeitpunkt nämlich, klingt da durch, könnte die Auslieferung wieder Thema sein.

Quelle: ntv.de

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