"Ich kann das Blut riechen" Pistorius spricht über Steenkamps Tod
23.06.2016, 11:13 Uhr
Pistorius droht eine 15-jährige Haftstrafe.
(Foto: AP)
Oscar Pistorius ist der Mann, der Reeva Steenkamp tötete. Aber ihr Mörder will er auf keinen Fall sein, sagt er in dem ersten Interview, das er seit der Tat gibt. Die Todesnacht verfolgt ihn bis heute.
Erstmals nach den tödlichen Schüssen auf seine Freundin Reeva Steenkamp hat Oscar Pistorius in einem Fernsehinterview über die Tat gesprochen. Er könne noch immer Steenkamps Blut riechen und dessen Wärme auf seiner Hand spüren, sagte Pistorius dem Sender ITV. "Ich nahm Reevas Leben und muss damit leben", sagte er unter Tränen. Das sei seine Schuld. Pistorius wurde im Haus seines Onkels interviewt. Dort wartet er derzeit auf das Strafmaß, das das Gericht neu festlegen muss, nachdem die Tat als Mord eingestuft wurde. Nach deutschem Recht entspricht dies dem Totschlag.
Über die Tatnacht berichtete Pistorius, er sei gemeinsam mit Steenkamp zu Bett gegangen und habe seine Prothesen abgelegt. Bevor er einschlief, habe er zu seiner Freundin gesagt, sie möge die Türen schließen und den Fernseher ausschalten. Gegen 3 Uhr sei er aufgewacht und habe aus dem Bad das Geräusch gehört, als wenn ein Fenster gegen den Rahmen schlage. Im Haus sei es stockdunkel gewesen, er sei sofort in Panik geraten, weil er glaubte, einen Eindringling zu hören.
"Mein erster Gedanke war, nach meiner Waffe zu greifen." Er habe Angst gehabt und Reeva, die er neben sich im Bett vermutete, zugeflüstert, sie solle die Polizei rufen. Auf seinen Beinstümpfen sei er nach unten gegangen, die Waffe im Anschlag. Er habe gezittert und geschwitzt. Dann habe er begonnen zu schreien: "Raus aus meinem Haus." Je mehr er geschrien habe, umso größer sei seine Angst geworden. Dann habe er die Toilettentür zuschlagen hören und geglaubt, jemand sei "genau hier". Ehe er richtig nachdenken konnte, hatte er bereits vier Schüsse abgefeuert.
Schreckliche Erkenntnis
Das Geräusch der Schüsse sei so laut gewesen, dass er nichts anderes hören konnte. Also habe er Steenkamp erneut zugerufen, sie solle die Polizei rufen. Doch als er zurück im Schlafzimmer war, habe er seine Freundin nicht finden können. Er habe noch immer Angst vor dem Eindringling gehabt, aber diese Angst habe sich mit einer anderen gemischt. So schnell er konnte, sei er auf seinen Stümpfen zurück zum Bad geeilt, dessen Tür verschlossen war. Er habe den Cricketschläger geholt und die Tür gewaltsam geöffnet. Und dann habe er sehen können, dass Steenkamp auf dem Boden lag.
Von Schluchzen geschüttelt sagt Pistorius, in dem Moment habe er gewusst, dass er sie getötet hatte. "Ich wusste, dass sie tot war. Und ich ging auf die Knie nieder und zog sie auf mich." Überall sei Blut gewesen. Manchmal fühle er sich, als habe er nicht das Recht zu leben, weil er das Leben eines anderen Menschen genommen habe."
Eindringlich widersprach Pistorius dennoch der Aussage, er habe Steenkamp ermordet. Er habe mit seinen Anwälten darüber gesprochen und gesagt: "Das Maximum bei Totschlag sind zehn Jahre. Ich werde zehn Jahre im Gefängnis verbringen, weil ich Reeva getötet habe, aber ich werde nicht einen Tag im Gefängnis sitzen, weil ich jemanden ermordet habe." Mit Blick auf den 6. Juli, an dem das neue Strafmaß verkündet wird, sagte Pistorius, er wolle nicht zurück ins Gefängnis. Wenn er die Möglichkeit bekomme, würde er gern denjenigen helfen, die weniger Glück hatten als er in der Vergangenheit. Er sei sicher, auch Steenkamp würde nicht wollen, dass er sein Leben hinter Gittern verschwendet.
Pistorius zufolge war Steenkamps Tod ein schrecklicher Unfall. Die Staatsanwaltschaft ist hingegen der Meinung, der frühere Paralympics-Star habe seine Freundin in einem Eifersuchtsanfall getötet.
Quelle: ntv.de, sba