Panorama

Gletscherabbruch im Lötschental Schweiz entleert Stausee vorsorglich für weiteren Erdrutsch

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Das Wasser des Stausees in Ferden kann nicht durch die Turbinen geleitet werden: Es führt zu viel Sand.

Das Wasser des Stausees in Ferden kann nicht durch die Turbinen geleitet werden: Es führt zu viel Sand.

(Foto: picture alliance/dpa/KEYSTONE)

Die größte Gefahr im Schweizer Lötschental scheint vorüber. Der Gebirgsfluss Lonza bahnt sich nach dem Gletscherabbruch seinen Weg ins Tal, die Behörden rücken erstmals mit Maschinen an. Als Vorsichtsmaßnahme wird dennoch ein Stausee geleert.

Das Lötschental im Schweizer Kanton Wallis ist nach dem massiven Gletscherabbruch einer weiteren Tragödie vorerst entgangen. Bisher ist weder eine Flutwelle noch eine Gerölllawine eingetreten. Stattdessen bahnt sich der aufgestaute Gebirgsfluss Lonza auf neuen Strecken seinen Weg durch die 2,5 Kilometer langen Gesteins- und Erdmassen und fließt langsam ins Tal ab. In der Nacht informierten die Gemeinden Gampel und Steg die Bevölkerung, dass ab sofort Baumaschinen eingesetzt werden, um den Abfluss sicherzustellen: "Es geht darum, den reibungslosen Ablauf von Geröll und Schwemmholz durch das Bachbett der Lonza innerhalb der Dorfschaften zu gewährleisten", heißt es.

Am Mittwochnachmittag ist ein großer Teil des Birchgletschers im Kanton Wallis abgebrochen. Rund drei Millionen Kubikmeter Gestein und Eis stürzten ins Tal und auf das Dorf Blatten. Der Ort wurde bereits Tage zuvor evakuiert und ist de facto völlig zerstört. Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV) geht von Schäden in Höhe von mehreren Hundert Millionen Franken aus.

Die Schuttmasse ist mehrere Dutzend Meter hoch und erstreckt sich auf mehr als zwei Kilometer Länge.

Die Schuttmasse ist mehrere Dutzend Meter hoch und erstreckt sich auf mehr als zwei Kilometer Länge.

(Foto: picture alliance/dpa/Maxar Technologies)

Stausee wird entleert

Durch den Gletscherabbruch wurde auch der Lauf des Flusses Lonza blockiert. Dieser hat sich seitdem hinter dem Schuttberg zu einem See aufgestaut. Sowohl die Lonza als auch der See hinter dem Schuttkegel würden fortlaufend beobachtet, heißt es aus der Staatskanzlei von Wallis. Dafür seien Messgeräte installiert worden. Zudem sei der nahegelegene Stausee in Ferden vorsorglich entleert und die Auffangkapazität erhöht worden.

Laut dem Kanton füllt sich der Stausee derzeit erneut. Der Betreiber des dortigen Kraftwerks wurde angewiesen, je nach Bedarf mehr Wasser abzulassen, um größere Wassermengen auffangen zu können. Aufgrund der hohen Sedimentbelastung ist ein "Turbinieren" derzeit jedoch nicht mehr möglich: Der Fluss führt so viel Sand mit sich, dass das Wasser nicht länger durch die Strom produzierenden Turbinen geleitet werden kann.

Hintergrund ist die nach wie vor bestehende Gefahr eines Murgangs: Sollte das Wasser der Lonza am Schuttkegel Geröll und anderes Material mitreißen und talwärts spülen, soll das Staubecken in Ferden dies auffangen können. Ansonsten wären die Ortschaften Gampel und Steg am unteren Lauf der Lonza gefährdet. Kurz vor dem Eintritt in die Rhone fließt die Lonza teils durch enge Betonkanäle, die bei einem Anschwellen schnell über die Ufer treten könnten. Überall sind Messgeräte im Einsatz, um die Lage rund um die Uhr zu überwachen.

Wochenlanger Notstand

Der für den Kanton Wallis zuständige Geologe Raphaël Mayoraz sprach im öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Schweiz von einem vergleichsweise positiven Szenario, die Gefahr sei aber nicht überstanden. Die Alarmbereitschaft dürfe nicht nachlassen.

Sollte es zu einem plötzlichen Wasser- und Geröllabsturz kommen, droht in dem Tal die Zerstörung von bisher verschont gebliebenen Ortschaften. Die Menschen in möglicherweise betroffenen Dörfern sind aufgerufen, sich auf eine plötzliche Evakuierung vorzubereiten. Zudem wurden talabwärts des Schutt- und Geröllberges Dämme errichtet. Einsätze im direkten Katastrophengebiet seien wegen der Risiken und der geologischen Instabilität weiter nicht möglich, erklärten die Behörden.

Das Gesamtvolumen der Eis- und Gesteinsablagerungen am Talboden beziffert der Kanton auf zehn Millionen Kubikmeter. Die Schuttmasse sei mehrere Dutzend Meter hoch und erstrecke sich auf mehr als zwei Kilometer. Wie lange das in dem neu gebildeten See aufgelaufene Wasser bräuchte, um langsam durch diese Geröllmassen abzufließen, ist unklar. Womöglich müsse die Bevölkerung im Lötschental mehrere Wochen lang in ständiger Bereitschaft für eine Evakuierung wegen einer plötzlichen Sturzflut bleiben.

Gletscher schmelzen

Durch den Klimawandel steigen die Temperaturen. Deshalb schrumpfen die Gletscher in den Alpen und werden zunehmend instabil. Allein von 2022 bis 2023 verloren Schweizer Gletscher zehn Prozent ihrer Eismasse - so viel wie im gesamten Zeitraum 1960 bis 1990.

Im August 2017 war es bereits zu einem massiven Felsbruch im Südschweizer Kanton Graubünden gekommen. 3,1 Millionen Kubikmeter Gestein stürzten vom Berg Piz Cengalo nahe der italienischen Grenze in die Tiefe, acht Wanderer wurden getötet. Hunderttausende Kubikmeter Gestein und Schlamm trafen auf die Ortschaft Bondo und verursachten dort massive Zerstörung. Da Bondo zuvor evakuiert worden war, wurde keiner der Bewohner verletzt.

Quelle: ntv.de, chr/dpa

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