Panorama

Lehren aus der EHEC-Krise Seuchenzentrale wäre sinnvoll

In Deutschland grassiert die EHEC-Seuche, aber die Behörden sind heillos überfordert. Zu viele Beteiligte, zu langsames Vorgehen, so sei man den neuen Keimbedrohungen einer globalisierten Welt kaum gewachsen, kritisiert der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach. Eine zentrale Seuchenbehörde könnte Abhilfe schaffen.

Die Experten sollen besser zusammenarbeiten.

Die Experten sollen besser zusammenarbeiten.

(Foto: REUTERS)

Im Kampf gegen die lebensbedrohliche EHEC- Darminfektion wird der Ruf nach einer Lösung für das derzeitige Kompetenzwirrwar lauter. "Wir werden in Zukunft mehr dieser Probleme haben. Wir werden mehr neue Keime haben, veränderte Keime. In einer globalisierten Welt, wo die Produkte aus Asien kommen, aus Lateinamerika, müssen wir damit rechnen, dass wir solche Infektionen häufiger haben", sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei n-tv.

"Da braucht man eine Truppe von Spezialisten, die am besten aus der Hauptstadt kommend, dem Robert-Koch-Institut unterstellt, über Ländergrenzen hinweg in einem Notfall eingreifen können, so dass man keine Zeit verliert und mit Spezialisten in der früher Phase der Infektion die Erreger findet."

Zu viele Zuständigkeiten

Lauterbach beklagte, dass es bisher gebe. "Hier gibt es zwei Bundesministerien, die zuständig sind, dann zwei Bundeseinrichtungen. Dann gibt es insgesamt zehn Länderministerien und die jeweiligen Gesundheitsämter. Das ist natürlich nicht das, was wir brauchen, wenn wir mit einer Stimme sprechen wollen und hier wäre aus meiner Sicht das Bundesgesundheitsministerium, Herr Bahr, gefragt gewesen, er ist es bis heute, dass wenigstens von einer Quelle die Information kommt und das funktioniert einfach nicht."

Im EU-Parlament hagelte es Kritik von allen Seiten.

Im EU-Parlament hagelte es Kritik von allen Seiten.

(Foto: dpa)

Auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, forderte "den Umbau des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur zentralen Seuchen-Polizei in Deutschland". Wendt forderte für das RKI "mehr Geld, mehr Personal und mehr Kompetenzen". Seuchenbekämpfung dürfe nicht länger Ländersache sein, sondern müsse zentral auf Bundesebene koordiniert werden. "Wir brauchen von Flensburg bis Passau den gleichen Standard. Es kann nicht sein, dass jeder Landesminister etwas anderes sagt und dadurch, wie in der aktuellen Krise, ganze Industriezweige an den Rand des Ruins geführt werden und die Verbraucher am Ende total verunsichert sind."

Viele Ideen

Der Vorsitzende des Bundestag-Verbraucherausschusses, Hans-Michael Goldmann (FDP), regte eine Zusammenlegung der beteiligten Bundesbehörden an. Das RKI, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) müssten zu einem Institut zusammengelegt werden, das die "Gesundheit der Menschen in besonderer Weise im Blick hat", sagte Goldmann im SWR. Die derzeitige Vielfalt an Behördenstrukturen sei zur Bewältigung einer derartigen Krise nicht geeignet.

Aus der EHEC-Krise müssten Lehren gezogen werden, forderte EU-Gesundheitskommissar John Dalli im EU-Parlament. Notwendig seien eine bessere Koordination auf EU-Ebene, effiziente Warnsysteme sowie "klare Kommunikations- und Informationswege".

In den USA gäbe es eine zentrale Seuchenbekämpfungsbehörde in Atlanta, sagte die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms. Weder Deutschland noch die EU seien auf diese EHEC-Krise vorbereitet. "Bei zwei Bundesministerien und Länderministerien gibt es Kommunikationsprobleme, und es fehlt eine echte Kompetenz für Entscheidungen".

Die SPD-Abgeordnete Dagmar Roth-Behrendt prangerte ein "Kommunikationschaos" in Deutschland an. Ihr Fraktionskollege Jo Leinen fand es "inakzeptabel, dass man drei Wochen nach Ausbruch der Krise immer noch nicht weiß, woher der Erreger kommt".

"Komplexe Situation"

Prof. Jörg Debatin, Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, verteidigte bei n-tv Regierung und Behörden gegen Kritik. Die Situation sei insgesamt sehr komplex, "und ich warne davor, bei dieser Komplexität jetzt Urteile zu sprechen, die glaube ich den Anstrengungen ganz vieler Beteiligter nicht unbedingt gerecht werden. Es ist eine sehr schwierige Situation und ich bin mir sicher, dass diejenigen, die heute gescholten sind, wahrscheinlich diejenigen sind, die sich am meisten wünschen, diesen Erreger eben auch an der Quelle zu identifizieren."

Auch der nordrhein-westfälische Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) warnte vor voreiliger Kritik. "Es ist jetzt nicht die Zeit für Manöverkritik, sondern wir müssen uns darauf konzentrieren, alles zu tun, damit wir auch möglichst schnell Ergebnisse bekommen", sagte Remmel in der ARD. Er versicherte zudem, in Nordrhein-Westfalen funktioniere die Zusammenarbeit zwischen den Behörden.

Quelle: ntv.de, sba/dpa

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