Schlussplädoyers im Mordprozess Staatsanwalt nennt Pistorius einen Lügner
07.08.2014, 13:18 Uhr
Im Mordprozess gegen Oscar Pistorius nutzt der Staatsanwalt sein Schlussplädoyer, um den "Blade Runner" noch einmal scharf anzugreifen. Einzig die Schlussrede der Verteidigung steht nun noch aus, bevor die Richterin zu einem Urteil kommen wird.
Der Mordverdächtige Oscar Pistorius ist für Staatsanwalt Gerrie Nel ein Lügner. "Seine Aussage ging völlig an der Wahrheit vorbei", sagte der Chefankläger in seinem abschließenden Plädoyer im Gerichtssaal von Pretoria. Der südafrikanische Paralympics-Star habe sich eine ganz eigene Version der Tatnacht zusammengebastelt, betonte Nel.

Staatsanwalt Gerrie Nel griff Oscar Pistorius in seinem Schlussplädoyer noch einmal scharf an.
(Foto: REUTERS)
In seinen mehrstündigen Ausführungen versuchte er Richterin Thokozile Masipa noch einmal davon zu überzeugen, dass der heute 27-Jährige in der Nacht zum Valentinstag 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp vorsätzlich durch eine geschlossene Badezimmertür erschoss. Mit den Schlussreden von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geht der spektakuläre Prozess gegen den beinamputierten Oscar Pistorius nach Monaten seinem Ende entgegen. Das Urteil wird für Ende August erwartet.
Pistorius sei ein unverantwortlicher Waffennarr, der die Gesetze missachte, erklärte Nel weiter. Pistorius starrte mit ernstem Gesicht die meiste Zeit auf den Boden. Während des Prozesses war er mehrmals in Tränen ausgebrochen und hatte sich wiederholt übergeben.
"Ein schrecklicher Zeuge"
"In dem Haus befanden sich nur zwei Menschen. Einer davon wurde getötet", sagte Nel. "Es gab nur einen Überlebenden, und da er sich entschieden hat, auszusagen, hätte man erwarten können, dass er eine ehrliche Version von dem erzählt, was passiert ist." Aber Pistorius habe sich geweigert, die Verantwortung für seine Tat zu übernehmen und habe die Schuld von sich gewiesen. Er sei "ein schrecklicher Zeuge" gewesen - und die Argumente der Verteidigung seien "frei von jeder Wahrheit".
Pistorius hat stets beteuert, dass es sich um einen tragischen Irrtum gehandelt habe, weil er hinter der Tür einen Einbrecher vermutet habe. Er habe in Panik gehandelt, so der Sportler. Eine Psychiaterin hatte dem Sportler eine "intensive Angststörung" bescheinigt. Nel unterstellte Pistorius in seinem Schlussplädoyer Ängstlichkeit "auf Abruf", um auf dieser Grundlage seine Verteidigung zusammenzuschustern. Das Plädoyer von Pistorius' Verteidiger Barry Roux steht noch aus.
Urteil spätestens in vier Wochen
Im Gerichtssaal waren auch die Eltern des Models Reeva Steenkamp. Vater Barry Steenkamp war zum ersten Mal dabei, da er im Januar einen Schlaganfall erlitten hatte. Pistorius' Bruder Carl konnte hingegen nicht an dem Termin teilnehmen, da er Anfang August bei einem Autounfall verletzt worden war.
Es wurde erwartet, dass beide Juristen - Nel und Roux - mit rhetorischer Finesse versuchen würden, Richterin Masipa von ihrer jeweiligen Version zu überzeugen. 39 Prozesstage und 36 Zeugenverhöre konnten letztlich nicht klären, was in der Tatnacht in Pistorius' Villa in Pretoria wirklich geschah. Mehrmals unterbrach die Richterin den Staatsanwalt und stellte Zwischenfragen.
Bei ihrem in spätestens vier Wochen erwarteten Urteil muss sich Masipa vor allem auf Indizien und die Glaubwürdigkeit der Zeugen verlassen. Auch die Schlussreden könnten einen wichtigen Teil zur Entscheidung beitragen. Nach Einschätzung von juristischen Prozessbeobachtern schadete sich Pistorius mit den unterschiedlichen Versionen. Sollte der 27-Jährige wegen vorsätzlichen Mordes verurteilt werden, drohen ihm bis zu 25 Jahre Gefängnis. Lautet das Urteil auf fahrlässige Tötung, könnte er mit einer Bewährungsstrafe davonkommen.
Quelle: ntv.de, cri/AFP/dpa