Schwer kranker Pontifex Über dem Vatikan hängt schon der Geist des Konklave


Weltweit beten Gläubige für die Genesung des Papstes.
(Foto: dpa)
Seit Wochen ist Papst Franziskus im Krankenhaus. Während die Ärzte alles tun, um das komplexe Krankheitsbild in den Griff zu bekommen, werden die Fragen lauter: Rücktritt oder Weiterführung des Amtes? Der Vatikan bereitet sich auf alle Szenarien vor.
Seit dem 14. Februar wird Papst Franziskus nun schon im Gemelli-Krankenhaus behandelt, zunächst wegen einer langwierigen Bronchitis, später wegen einer Pneumonie, die sich daraus in beiden Lungenflügeln entwickelt hatte. Sein Zustand war zwischenzeitlich lebensbedrohlich, unter anderem hatte der Papst mehrere Atemkrisen, darunter zwei akute Atemversagen allein am 4. März. Seitdem hat sich der Zustand des 88-Jährigen stabilisiert und zuletzt sogar verbessert.
Doch der hochbetagte Papst ist noch immer schwer angeschlagen und nichts deutet auf eine baldige Rückkehr zur Normalität hin. Im Vatikan hatten nicht wenige tatsächlich schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Franziskus selbst hat schon lange Vorsorge für eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes getroffen, so hat er beispielsweise eine Patientenverfügung. Genaue Informationen, welche medizinischen Maßnahmen er ausgeschlossen hat, gibt es nicht. Allerdings hat Franziskus betont, dass todkranke Menschen nicht "um jeden Preis" medizinisch behandelt werden müssten und es moralisch vertretbar sei, auf therapeutische Mittel zu verzichten oder diese einzustellen, wenn sie in keinem Verhältnis zum erhofften Ergebnis stünden.
Franziskus hat auch bereits zu Beginn seiner Amtszeit ein Rücktrittsschreiben hinterlegt, das vorsieht, dass er auf sein Papstamt verzichtet, wenn er es nicht mehr ausüben könne. Die Voraussetzung dafür sind schwere körperliche Einschränkungen. Für Priester gilt es als unverzichtbar, das Wort Gottes aussprechen zu können. Das fällt dem Papst gerade schwer, gelingt ihm aber noch.
Deshalb war der Tag, an dem sich Franziskus mit einer Audiobotschaft an die Menschen wandte, die jeden Tag auf dem Petersplatz für ihn beten, von mehr als nur emotionaler Bedeutung. Deutlich hörbar war die Atemnot des Pontifex, das Sprechen strengte ihn ganz offenbar an. Doch das Wort Gottes konnte er aussprechen.
Man steigt nicht vom Kreuz Christi herab?
Seit dem Rückzug seines Vorgängers Benedikt zu Lebzeiten ist ein Rücktritt eine normalere Option geworden. Verschiedene Kardinäle schließen deshalb einen Rückzug von Franziskus nicht mehr völlig aus, auch wenn es nach wie vor genügend kirchliche Würdenträger gibt, die diese Variante für undenkbar halten.
Der langjährige Vertraute des verstorbenen polnischen Papstes Johannes Paul II., Kardinal Stanislaw Dziwisz, betonte gegenüber der Zeitung "La Repubblica": "Man steigt nicht vom Kreuz Christi herab. Niemals. Das lehrt uns der Heilige Johannes Paul II." Dziwisz ist sich sicher, dass Franziskus die Kirche so lange führen wird, "wie Gott es will".
Dem Vatikan zufolge wird Franziskus tagsüber über eine Nasenkanüle und nachts über eine Sauerstoffmaske hochdosierter Sauerstoff zugeführt. Auch deshalb konnte er das Krankenhaus bisher nicht verlassen. Durch die Bettlägerigkeit hat er auch Kraft verloren, die er nun durch Rehabilitationsmaßnahmen zurückgewinnen soll. Die Rede ist von einer möglichen Verlegung in seine Wohnung im Gästehaus Casa Santa Marta, wo er weiterbehandelt werden könnte. Es gibt aber auch Spekulationen über die Herrichtung der Papst-Wohnung im Vatikan. Seit seiner Wahl hatte es Franziskus abgelehnt, in den deutlich größeren und prunkvolleren Räumen des Apostolischen Palasts zu leben. Ob er sich jetzt umstimmen lässt, bezweifeln viele.
Vorbereitungen auf den Tag X
Während die offiziellen Statements aus dem Vatikan zuversichtlich klingen sollen, macht sich hinter den Mauern des Kirchenstaates bereits eine Konklave-ähnliche Stimmung breit. Die Kardinalsversammlung tritt nach dem Tod oder Rücktritt eines Papstes zusammen, um einen Nachfolger zu wählen. Der US-Sender CNN berichtet von "Angst und Unsicherheit".
"Es ist immer schwierig, wenn das Oberhaupt aus irgendeinem Grund verschwindet, denn der Heilige Vater ist eine sehr praktische Person, was die Leitung der Kurie und sein Interesse an der Arbeit aller Dikasterien betrifft", zitiert der Sender, Kardinal Arthur Roche, den britischen Leiter der vatikanischen Liturgieabteilung.
Auch offiziell sind zumindest theoretische Vorbereitungen auf ein Konklave nicht zu übersehen. Der Vatikan aktualisierte auf seiner Webseite die Übersicht zum Kardinalskollegium, aus dem sich nun jederzeit die Zusammensetzung und die Zahl der wahlberechtigten Kardinäle entnehmen lassen.
Kein Foto, viele Gebete
In den nun beinahe vier Wochen seiner Abwesenheit hat sich Franziskus bemüht, den Eindruck zu entkräften, er sei nicht mehr handlungsfähig. An mehreren Tagen verfolgte er online die Fastenexerzitien, er nahm den Rücktritt von Münsters langjährigem Bischof Felix Genn an, berief einen Nasa-Wissenschaftler zum Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und rief die katholische Gemeinde in Gaza an.
Doch es gab keine öffentlichen Auftritte und nicht einmal ein Foto aus dem Krankentrakt. Das traditionelle Sonntagsgebet auf dem Petersplatz fand ohne ihn statt, es wurden Ansprachen in seinem Namen verlesen, der für ihn vorgesehene Sessel blieb leer. Seit dem 24. Februar versammelten sich immer mehr Gläubige zu einem Rosenkranzgebet für die Genesung des Papstes auf dem Petersplatz. Beobachter fühlten sich bereits an die letzten Tage von Papst Johannes Paul II. erinnert, als es ähnliche Versammlungen gab. Inzwischen finden die Gebete in der Audienzhalle im Vatikan statt und werden auf Großbildschirme auf dem Petersplatz und online übertragen.
Zwar war Franziskus auch zuvor schon krank, doch so lange wie dieses Mal wurde er noch nie in der Klinik behandelt. Und anders als seine Vorgänger hat er keinen Privatsekretär, der als sein Vertrauter gilt. Auch potenzielle Nachfolger wie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin bemühen sich um Unauffälligkeit, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie wollten sich in Stellung bringen.
Sorgen machen allen Beteiligten die bevorstehenden Osterfeierlichkeiten, normalerweise eine terminreiche Zeit für den Papst. In den vergangenen Jahren gingen Bilder um die Welt, wie Franziskus Gefangenen am Gründonnerstag die Füße wusch und am Ostersonntag den Segen "Urbi et orbi" spendete. In diesem Jahr ist nicht einmal sicher, ob Franziskus dann noch lebt.
Quelle: ntv.de