Emotionaler Prozess in München Überlebender lehnt Entschuldigung des Rasers ab
21.12.2023, 19:33 Uhr Artikel anhören
Dem 22-jährigen Angeklagten wird unter anderem fahrlässige Tötung vorgworfen.
(Foto: dpa)
Verkehrskontrolle am Münchener Leonrodplatz: Ein 22-Jähriger beschleunigt sein Auto, verliert die Kontrolle und schleudert in eine Tram-Haltestelle. Fünf Menschen werden verletzt, ein 18-Jähriger stirbt. Beim Prozessauftakt fließen viele Tränen und die Entschuldigung des Rasers findet wenig Gehör.
Mit einem Geständnis, vielen Tränen und emotionalen Wortwechseln hat vor dem Münchner Amtsgericht ein Prozess um einen tödlichen Raserunfall begonnen. Der 22 Jahre alte Angeklagte räumte zunächst über seine Anwältin ein, einen 18-Jährigen tödlich verletzt zu haben. Weil er keinen Führerschein besaß und unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand, hatte der Angeklagte im Juli versucht, einer Polizeikontrolle zu umgehen. Deshalb beschleunigte er seinen Wagen, verlor jedoch die Kontrolle und schleuderte mit hoher Geschwindigkeit in eine Tram-Haltestelle, wo der 18-Jährige wartete.
Nachdem der bei dem Vorfall ebenfalls schwer verletzte Freund des Getöteten als Zeuge ausgesagt hatte, bat der Angeklagte um das Wort. "Ich würde mein Leben dafür geben, das wieder rückgängig zu machen. Es tut mir unendlich leid, was passiert ist", sagte er unter Tränen und wünschte dem noch immer psychisch und physisch unter den Folgen Leidenden eine baldige Genesung.
Der 18 Jahre alte Zeuge antwortete ihm daraufhin mit klarer Stimme und klaren Worten: "Ich werde dir niemals verzeihen, was du getan hast. Wir alle werden dir niemals verzeihen, was du getan hast." Der Getötete sei einer seiner besten Freunde gewesen, an dem Abend waren sie auf dem Rückweg von einem Festival. "Ich hoffe, dass du dich dein Leben lang schlecht fühlst", sagte er weiter. Unter hörbarem Schluchzen aus dem Zuschauerraum fuhr der junge Mann fort: "Wir wissen beide, dass es allein deine Schuld ist, dass es passiert ist, dass du es hättest verhindern können. Wir wissen beide, dass du ein Feigling bist."
"Ich weiß, dass es sehr feige war, und ich weiß, dass ich es am meisten verdient gehabt hätte, an dem Tag zu sterben", antwortete der aus dem baden-württembergischen Sinsheim stammende Angeklagte. Er habe Angst vor der Polizeikontrolle gehabt, weil ihm der Führerschein schon entzogen worden war.
Traumatisches Erlebnis für die Polizisten
Der 22-Jährige entschuldigte sich auch bei der Polizistin, die ihn damals mit einem Kollegen verfolgt hatte. "Ich allein bin daran schuld, was passiert ist. (...) Sie haben einen guten Job gemacht." Dem Kollegen der Polizistin kamen immer wieder die Tränen während seiner Aussage.
"Ich dachte mir, scheiße, das geht nicht gut aus", erzählte der Beamte von den Sekunden, bevor der Verfolgte bei Rotlicht mit seinem Wagen auf eine Kreuzung raste, mit einem querenden Auto kollidierte, sich überschlug und in die Passanten schleuderte. Die Beamten waren die Ersten am Trümmerfeld: "Man hat einfach das Gefühl, man hat nicht genug Arme, um jedem zu helfen." Beim Anblick des getöteten 18-Jährigen habe er gewusst, dass jede Hilfe zu spät komme.
Hoher Andrang im Gerichtssaal
Der Prozess hatte mit großer Verspätung begonnen: Wegen des großen Besucherandrangs wurde die Verhandlung spontan in einen größeren Saal verlegt. Rund 100 Menschen, darunter viele junge Leute, verfolgten die Anklageverlesung. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten unter anderem fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung sowie ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen vor - er sei mit bis zu 144 km/h durch die Innenstadt gerast.
Insgesamt fünf Menschen wurden bei dem Unfall am Münchner Leonrodplatz verletzt. Das Urteil wird für nächsten Donnerstag erwartet.
Quelle: ntv.de, gri/dpa