Leichengeruch kommt aus den Trümmern Verantwortliche werden festgenommen
27.04.2013, 11:53 Uhr
Nach dem verheerenden Einsturz eines Gebäudes in Bangladesch mit mehr als 340 Toten werden mehrere Personen festgenommen. Ihnen wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Demonstrierende Textilarbeiter fordern bereits die Todesstrafe für die Verantwortlichen.
Schwere Vorwürfe gegen die Eigentümer der eingestürzten Textilfabrik in Bangladesch hat die dortige Polizei erhoben. Trotz Rissen in dem achtstöckigen Gebäude sollen sie ihre Angestellten vor drei Tagen zur Arbeit gezwungen zu haben, sagte Polizeichef Monirul Islam. Die Polizei nahm zunächst die Besitzer zweier Textilfabriken fest. Auch zwei Regierungsingenieure, die Verstöße gegen Bauvorschriften aufdecken sollen, wurden in Gewahrsam genommen. Der Eigentümer des eingestürzten Hauses wurde weiter gesucht. Er wird verdächtigt, minderwertige Materialien für den Bau eingesetzt haben, sagte ein Regionalpolitiker.
Unterdessen stieg am Samstag die Zahl der Opfer auf mindestens 340. Die Behörden veröffentlichten zudem eine Liste mit 591 Namen von Vermissten. In den Trümmern des Hauses fanden Helfer mindestens neun Überlebende. Weitere wurden noch immer in den Gebäudeüberresten in Savar in der Nähe der Hauptstadt Dhaka vermutet. Retter konnten bislang nahezu 2500 Menschen lebend aus dem Trümmern holen. Unter brennender Sonne suchten tausende Angehörige auf einem Schulhof nahe des Unglücksortes nach getöteten Verwandten. Auf den Hof bringen die Retter die geborgenen Leichen.
Rund 4000 Textilfabriken in Bangladesch stellten ihre Produktion wegen der Proteste tausender Arbeiter ein. Sie sollen das ganze Wochenende über geschlossen bleiben. Die Demonstranten forderten die Festnahme der Verantwortlichen sowie sichere Arbeitsstandards. Sie blockierten Straßen, zerstörten Autos und beschädigten einige Unternehmen im Industrieviertel der Hauptstadt. Die Polizei setzte in und um Dhaka Tränengas und Gummigeschosse ein, um die Ansammlungen aufzulösen. Mindestens 20 Arbeiter wurden dabei verletzt.
Billigproduktion auch für Europa
In dem zerstörten Gebäude soll Bangladeschs Textilproduktions- und Exportverband zufolge auch die Firma Ether-Tex nähen lassen haben, die unter anderem für C&A und Kik produzierte. C&A und Kik hatten erklärt, nichts aus der Unglücksfabrik bezogen zu haben. Die Geschäftsbeziehung mit Ether-Tex endete für C&A demnach im Oktober 2011. Kik teilte mit, dass zu der Firma keine Geschäftsbeziehung bestehe. "Letztmalig wurde hier im Jahr 2008 produziert", hieß es.
Der Geschäftsführer des Gesamtverbands Textil + Mode, Wolf-Rüdiger Baumann, sagte vor allem Konzerne wie Mango aus Spanien und Primark aus Großbritannien seien betroffen. "In allen Fällen der vergangenen Jahre waren ausschließlich Versender und Ketten betroffen, die in keinem EU-Mitgliedsstaat in den Industrieverbänden organisiert sind." Diese Ketten arbeiteten mit Agenten, von denen man häufig nicht genau wisse, "wer dahinter steckt, also irgendwelche Zulieferbetriebe, die in der Tat zum Teil unter Bedingungen arbeiten, die einen erschauern lassen".
Bereits mehrere Tragödien
Die Textilindustrie macht 79 Prozent der Ausfuhreinnahmen Bangladeschs aus. Fragen über die Sicherheitsstandards sind immer wieder aufgekommen. Im November kamen 112 Arbeiter bei einem Feuer in einer Fabrik bei Dhaka ums Leben. 64 starben als im Jahr 2005 eine Fabrik in Savar einstürzte. Mindestens 22 Menschen wurden getötet, als 2006 ein Haus in Dhaka zusammenbrach.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich nach der jüngsten Tragödie erschüttert. Den Menschen und der Regierung Bangladeschs ließ Ban über einen Sprecher sein tiefstes Beileid ausdrücken. Die Vereinten Nationen stünden bei Bedarf bereit, Hilfe zu leisten, teilte Bans Sprecher am Freitag (Ortszeit) in New York mit.
Quelle: ntv.de, dpa