Panorama

Beck fordert Quotendebatte Wettkandidat im künstlichen Koma

Schock bei "Wetten, dass?", Samuel Koch wird notärztlich versorgt.

Schock bei "Wetten, dass?", Samuel Koch wird notärztlich versorgt.

(Foto: REUTERS)

Der Zustand des bei "Wetten, dass...?" verunglückten Samuel Koch ist kritisch. Seine Ärzte sprechen von einer komplexen Verletzung an der Halswirbelsäule und Lähmungserscheinungen. Das ZDF kündigt Konsequenzen an. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck fordert eine Quotendebatte.

Der Zustand des bei der ZDF-Show "Wetten, dass...?" verunglückten Samuel Koch ist nach Klinik-Angaben kritischer als nach dem Unfall gehofft. Der 23-Jährige habe eine komplexe Verletzung an der Halswirbelsäule, sagte der ärztliche Direktor der Uniklinik Düsseldorf, Prof. Wolfgang Raab. Auch das Rückenmark sei in Mitleidenschaft gezogen worden. Raab sprach außerdem von Lähmungserscheinungen. Zwar bestehe keine akute Lebensgefahr, der Patient sei aber in "ausgesprochen kritischem Zustand". Er sei einer zweieinhalbstündigen Notoperation unterzogen worden und befinde sich derzeit im künstlichen Koma. Zu möglicherweise bleibenden Schäden wollte sich Raab nicht äußern.

(Foto: dpa)

Koch hatte am Vorabend in der Rheinhalle gewettet, mit Hilfe von Federbeinen, die er sich unter die Füße schnallte, per Salto über fünf fahrende Autos zu springen. Er war der erste Wettkandidat an dem Abend. Bei zwei Wagen klappte der Versuch in der Live-Show. Danach streifte er ein von seinem Vater gesteuertes Auto, geriet ins Trudeln und prallte mit voller Wucht auf den Boden, wo er regungslos liegen blieb. Co-Moderatorin Michelle Hunziker rief direkt nach einem Notarzt, der Wettkandidat wurde noch in der Halle erstversorgt. Die Wettpaten, Komiker Otto Waalkes und Model Sara Nuru, reagierten ebenso wie das Düsseldorfer Publikum geschockt. Das ZDF brach die Übertragung erstmals in der Geschichte der Sendung ab und sendete ein Ersatzprogramm.

"Keine unverantwortliche Wette"

Gottschalk wies allerdings Vorwürfe zurück, unter Quotendruck eine zu gefährliche Wette zugelassen zu haben. "Den Vorwurf, wir hätten unter Konkurrenzdruck eine unverantwortliche Wette ins Programm genommen, möchte und muss ich zurückweisen", sagte Gottschalk der "Süddeutschen Zeitung". "Wir hatten immer schon riskante Wetten, ob mit Motorrädern oder auf Skisprungschanzen. Das ist ein Teil des Programms", erklärte er. Jetzt werde man aber natürlich überlegen müssen, ob das so bleiben könne. Auch das hänge selbstverständlich davon ab, wie schnell es dem Kandidaten bessergehe.

Ähnlich äußerte sich Programmdirektor Thomas Bellut. "Klar ist natürlich, dass wir bei 'Wetten, dass..?' nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", sagte er. "Wir müssen und wir werden bei der Auswahl der Wetten die Lehren aus dem Unfall ziehen." Bellut kündigte eine genaue Untersuchung des Unfalls durch das ZDF an.

"Ich entlasse Sie ratlos"

Unter Schock: Moderator Gottschalk.

Unter Schock: Moderator Gottschalk.

(Foto: REUTERS)

Gottschalk unterbrach die Sendung zunächst - das ZDF blendete Musikvideos ein. Dann brach Gottschalk die Sendung, bei der auch Take That und Justin Bieber auftreten sollten, komplett ab. "Ich bringe es nicht fertig, jetzt hier weiter zu moderieren", sagte er kreidebleich und schickte die Zuschauer mit den Worten nach Hause: "Ich entlasse Sie ratlos. Ich bin ratlos, Sie sind ratlos - und traurig sind wir alle."

Die Show sieht Gottschalk nicht infrage gestellt. "Im Moment geht es weder um mein Moderatorenschicksal noch um die Zukunft der Sendung, sondern ausschließlich um die Gesundheit von Samuel", sagte Gottschalk der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Elstner glaubt an Rückkehr des Geistes

Auch Co-Moderatorin Michelle Hunziker war sichtlich schockiert.

Auch Co-Moderatorin Michelle Hunziker war sichtlich schockiert.

(Foto: dpa)

"Wetten, dass...?"-Erfinder Frank Elstner glaubt, dass der Unfall des Wettkandidaten das zukünftige Konzept der Sendung beeinflussen könnte. Er rechne damit, dass mehr Wert auf Wetten gelegt werde, die geistiges Geschick erforderten und weniger artistisch seien, sagte Elstner im SWR. Er sprach von einem "schwarzen Tag" für "Wetten dass...?". Elstner betonte jedoch, dass ein solcher Unfall überall passieren könne, wo Menschen sich bewegen und sportliche Leistungen vollbringen.

Auch in der Heimatgemeinde von Samuel Koch herrscht große Bestürzung. "Das ist eine tragische Geschichte", sagte der Bürgermeister des südbadischen Efringen-Kirchen, Wolfgang Fürstenberger. Viele in der 8500-Einwohner-Kommune im Kreis Lörrach hätten bei der Liveshow mitgefiebert. "Wir waren sehr gespannt, denn die Wette war ja geheim", sagte Fürstenberger. Dann sei der große Schock gekommen. Vielleicht habe sich der 23- jährige Student der Schauspielschule Hannover vor dem Millionenpublikum zur sehr selbst unter Druck gesetzt, meinte der Bürgermeister. Für seine Genesung hoffe er nun das Beste.

Kein Zweifel an Koch

Gottschalk brach die Sendung schließlich ab.

Gottschalk brach die Sendung schließlich ab.

(Foto: dpa)

Gottschalk sagte der SZ weiter: "Ich bin im Redaktionsteam dafür bekannt, dass ich aus den Wetten immer unnötigen Druck herausnehme." Er habe den Kandidaten gefragt: "Müssen denn die Autos immer größer werden? Reicht es nicht, wenn du dreimal über einen Smart springst?" Er halte nichts davon, eine "überzogene Dramatik" zu erzeugen. "In diesem Fall habe ich einen hochmotivierten Kandidaten gehabt, der von sich aus Druck gemacht hat", sagte der ZDF-Moderator.

Über die Stürze Kochs bei den Proben sagte Gottschalk: "Ich war bei allen Proben dabei, Samuel ist nach einem Sprung kurz hingefallen, aber wieder aufgesprungen wie ein Fußballer nach einem leichten Foul." Koch sei physisch und psychisch so stark gewesen, dass es keinen Grund gegeben habe, an ihm oder der Wette zu zweifeln. "Wenn bei uns der Eindruck entstanden wäre, er hätte sich mit seinem Wett-Angebot übernommen, hätten wir ihn vor sich selbst geschützt." Koch habe aber davon überzeugt werden müssen, einen Helm zu tragen.

Beck fordert Debatte über Quote

Der ZDF-Verwaltungsratschef und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck forderte eine Quotendebatte im ZDF. Es stellten sich Fragen, denen das ZDF als öffentlich-rechtlicher Sender nicht ausweichen dürfe, sagte der SPD-Politiker der "Welt". "Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten? Wie viel Risiko darf man eingehen? Und natürlich müssen wir auch über die Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote reden."

Beck zeigte sich bestürzt über den Unfall. "Unsere Gedanken sind zunächst bei dem jungen Mann und seiner Familie. Wir übersenden ihm unsere Genesungswünsche", sagte er. "Die Verantwortlichen im Sender und auch die Gremien werden und müssen sich damit auseinandersetzen." Beck lobte das Krisenmanagement von Gottschalk und der ZDF-Chefredaktion. Es sei richtig gewesen, die Sendung abzubrechen.

Quelle: ntv.de, mli/hvo/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen