Panorama

Interview mit Nothilfekoordinator "Wir gehen von viel mehr Toten aus"

Ein Helikopter bringt Lebensmittel in die Provinz Iloilo auf den Zentralphilippinen.

Ein Helikopter bringt Lebensmittel in die Provinz Iloilo auf den Zentralphilippinen.

(Foto: Reuters)

Die Lage im Katastrophengebiet auf den Philippinen ist nach dem Taifun selbst für erfahrene Helfer unübersichtlich. Der Koordinator der deutschen Organisation "Help - Hilfe zur Selbsthilfe" erklärt im Gespräch mit n-tv.de, wie man über Nacht ein Hilfsprogramm auf die Beine stellt.

n-tv.de: Wie koordiniert man einen Hilfseinsatz für ein Gebiet, wo keine einzige Straße befahrbar ist und kaum Telefone funktionieren?

Berthold Engelmann: Wir arbeiten mit recht wenig eigenem Personal. Momentan ist ein Mitarbeiter v on uns auf dem Weg zum Flieger, um nach Manila zu reisen. Wir haben am Wochenende auf die Schnelle Kontakte geknüpft über Strukturen, die wir hier in Deutschland haben und über Partnerorganisationen, die bereits Mitarbeiter auf den Philippinen haben. Mit denen werden wir zusammenarbeiten. Wir haben konkret einen Partner, den wir über Kirchenkontakte gefunden haben. Die sind bereits in der Region Leyte aktiv und wir werden sie unterstützen.

Wie sieht dann der Einsatz von "Help - Hilfe zur Selbsthilfe" auf den Philippinen konkret aus?

Unser Mitarbeiter hat 30.000 Euro im Gepäck und wird damit vor Ort lebensnotwendige Hilfsgüter einkaufen. Das werden wahrscheinlich Hygieneartikel sein, Hilfsmittel zum Aufräumen und einfache Werkzeuge zum Wiederaufbau. Die lokalen Hilfsorganisationen kennen die Lage vor Ort am besten, deshalb unterstützen wir diese mit Geld und Personal. Natürlich stellen wir sicher, dass unser Geld richtig genutzt wird. Aber ohne lokale Partner wären wir nichts.

Hatten Sie die lokalen Ansprechpartner schon vor dem Sturm?

Auf den Philippinen hatten wir bisher keine Partner. Aber das gehört zur Arbeit einer Hilfsorganisation, gut vernetzt zu sein in der humanitären Szene. Die lokalen Partner sind bei jedem Einsatz sehr wichtig, weil sie am besten den Bedarf abschätzen können. Das ist bei dieser Katastrophe besonders wichtig, weil das betroffene Gebiet ja anfangs überhaupt nicht zu erreichen war und man nur raten konnte, welche Art von Hilfe als erstes benötigt werden würde.

Berthold Engelmann koordiniert den Hilfseinsatz der Organisation "Help".

Berthold Engelmann koordiniert den Hilfseinsatz der Organisation "Help".

Ihre Organisation ist Mitglied bei der "Aktion Deutschland hilft", einem Zusammenschluss von Hilfsorganisationen, die gemeinsam Spenden sammeln. Wie sieht solch eine Zusammenarbeit im Katastrophengebiet konkret aus?

Es gibt täglich Telefonkonferenzen, in denen wir uns gegenseitig austauschen und die Maßnahmen koordinieren. Zum Beispiel wird besprochen, ob es einen gemeinsamen Hilfsflug aus Deutschland gibt und wie wir uns vor Ort treffen können. Wir tauschen Adressen und Informationen aus. Jede Organisation hat ihre Spezialitäten, da muss man sicherstellen, dass es weder Doppelungen noch Lücken in dem gemeinsamen Hilfsbemühen gibt.

Sie haben schon einige große Hilfseinsätze koordiniert, unter anderem nach der Flut in Pakistan und in Indonesien nach dem Tsunami vor neun Jahren. Wie reiht sich der Taifun "Haiyan" hier ein?

Das ist eine riesige Katastrophe. Mich haben die Bilder sofort an den Tsunami 2004 erinnert. Es gab Flutwellen, die sechs bis zehn Meter hoch waren.

Die Schätzungen, wie viele Tote es am Ende sein werden, gehen weit auseinander. Niemand kann die Toten gezählt haben. Wenn Sie sich auf Ihre Erfahrungen berufen – wie hoch könnte die Opferzahl am Ende sein?

Ich gehe davon aus, dass es sehr viel mehr sein werden als die aktuell geschätzten 10.000 Todesopfer. Aber ich will mich nicht an Spekulationen beteiligen.

Neben der mangelden Versorgung der Überlebenden sind die ungezählten Toten unter den Trümmern eine ernste Gefahr. Wie kann man dafür sorgen, dass keine Seuchen ausbrechen?

Bei solchen Katastrophen gehören leider auch die Leichensäcke zu den unbedingt notwendigen Hilfsgütern. Trotz aller Eile, die Toten zu bergen, müssen diese aber auch irgendwie würdig beerdigt werden. Eine heikle Sache.

Mit Berthold Engelmann sprach Nora Schareika

Quelle: ntv.de

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